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PERSONALquarterly 02/18
NEUE FORSCHUNG
_STRESSPRÄVENTION
Diese Dimensionen können den Umgang mit Stressoren er-
leichtern, sodass sie den Zusammenhang zwischenArbeitsstress
und psychischer Beanspruchung abmildern. Solche Pufferef-
fekte kennt man bereits von anderen persönlichen Ressourcen
wie Optimismus oder Selbstwertgefühl (vgl. Mäkikangas/Kin-
nunen, 2003). Diese sind aus verschiedenen Gründen auch für
die Religiositätsdimensionen zu erwarten: Erstens können das
Wissen um die Existenz einer höheren Macht und der Dialog mit
dem Göttlichen Kraft und Zuversicht geben, dass ein Stressor
zu bewältigen ist, und dadurch den Umgang damit erleichtern.
Zweitens kann es Religiosität ermöglichen, Stressoren als we-
niger bedrohlich und als eine Chance zum geistigen Wachstum
wahrzunehmen, und dadurch die Situation neu und als weniger
belastend zu bewerten (vgl. Byrne et al., 2011). Drittens kann ei-
ne religiöse Gemeinschaft emotionale Unterstützung durch das
Gemeinschaftsgefühl und/oder durch unterstützende Gebete
bieten und damit die negativen Auswirkungen von Arbeitsstress
reduzieren. Daraus ergibt sich die folgende Hypothese:
H4:
Je stärker die Religiositätsdimensionen (a) Intellekt, (b)
Ideologie, (c) öffentliche Praxis, (d) private Praxis, (e) Erfah-
rung ausgeprägt sind, desto schwächer ist der Zusammenhang
zwischen Arbeitsstress und der psychischen Beanspruchung
von Beschäftigten in helfenden Berufen.
Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die Gratifi-
kationskrise und die übersteigerte Verausgabungsneigung in
einem positiven Zusammenhang mit psychischer Beanspru-
chung stehen. Zudem wird vermutet, dass der Zusammenhang
zwischen Gratifikationskrise und psychischer Beanspruchung
zum einen durch die Religiositätsdimensionen abgeschwächt,
zum anderen durch die übersteigerte Verausgabungsneigung
verstärkt wird (vgl. Abb. 1).
Beschreibung der empirischen Studie
Um die angenommenen Zusammenhänge zu überprüfen, wurde
2015 eine Online-Fragebogenstudie durchgeführt. Der Fragebo-
gen wurde größtenteils über Berufsverbände helfender Berufe
und soziale Einrichtungen in Deutschland verteilt. Für seine
Konstruktion wurden etablierte Skalen genutzt: Die Gratifikati-
onskrise und die übersteigerte Verausgabungsneigung wurden
mit der deutschen Version des Effort-Reward-Imbalance and
Overcommitment Questionnaire (vgl. Siegrist et al., 2009) ge-
messen. Da die Gratifikationskrise aus einer Verrechnung zwei-
er Skalen resultiert, lässt sich hierfür keine Reliabilität angeben.
Die übersteigerte Verausgabungsneigung zeigte eine gute Reli-
abilität (Cronbachs Alpha = 0,81). Die Religiositätsdimensionen
als Moderatorvariablen wurden mit der deutschen Centrality of
Religiosity Scale (CRS) nach Huber/Huber (2012) erfasst. Die
Skalen der Dimensionen zeigten gute bis sehr gute Reliabilitäten
(Cronbachs Alpha zwischen 0,84 und 0,92). Die abhängige Va-
riable psychische Beanspruchung wurde mit der Allgemeinen
Depressionsskala (vgl. Hautzinger/Bailer, 1993) gemessen. Da-
bei sollten die Teilnehmer/-innen einschätzen, wie häufig ihr
Befinden verschiedenen Aussagen entsprochen hat, wie z.B.:
„Während der letzten Woche haben mich Dinge beunruhigt, die
mir sonst nichts ausmachen“,„Während der letzten Woche ha-
be ich schlecht geschlafen“ oder „Während der letzten Woche
hatte ich Mühe, mich zu konzentrieren“. Die Skala erzielte ei-
ne sehr gute Reliabilität (Cronbachs Alpha = 0,90). Zusätzlich
wurden Kontrollvariablen erhoben: Geschlecht, Alter und das
Innehaben einer Führungsposition. Insgesamt nahmen 795
Arbeitnehmer/-innen aus helfenden Berufen an der Befragung
teil (Frauenanteil 70,2%). Die deskriptiven Statistiken zur nä-
heren Beschreibung der Stichprobe finden sich in Abbildung 2.
Ergebnisse der Studie
In der Stichprobe können, auf Basis einer Klassifizierung nach
Huber und Huber (2012), 5,9% der Teilnehmer als hochreligiös,
32,6% als nicht religiös und 61,5% als moderat religiös bezeich-
net werden. Die Gratifikationskrise ist in der Stichprobe außer-
gewöhnlich hoch ausgeprägt: 78% der Teilnehmer/-innen aus
helfenden Berufen können als für stressinduzierte Beeinträch-
tigungen besonders gefährdet angesehen werden, da ihr Wert
Quelle: Eigene Darstellung
Alter
psychische Be-
anspruchung
Gratifikations-
krise
übersteigerte
Verausga-
bungsneigung
Intellekt
Ideologie
öffentliche
Praxis
private
Praxis
Erfahrung
Wertebereich 19-74
0,00-49,00
0,28-3,67
6,00-24,00
1,00-5,00
1,00-5,00
1,00-5,00
1,00-5,00
1,00-5,00
M
41,12
14,92
1,39
15,23
2,54
3,21
2,16
2,24
2,24
SD
11,62
9,04
0,48
3,26
0,87
1,24
1,01
1,09
1,01
Abb. 2:
Deskriptive Statistiken zur Beschreibung der Zielgruppe
1...,36,37,38,39,40,41,42,43,44,45 47,48,49,50,51,52,53,54,55,56,...64
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