PERSONALquarterly 2/2018 - page 56

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 02/18
L
ohngerechtigkeit bleibt in der Politik und der Unter­
nehmenspraxis ein aktuelles Thema. So beschloss die
Bundesregierung z.B. jüngst das sog. Entgelttranspa­
renzgesetz, um ungerechtfertigten Lohnlücken entge­
genzuwirken. Demnach müssen Arbeitgeber mit mehr als 200
Beschäftigten zukünftig auf Anfrage erläutern, nach welchen
Kriterien die Gehälter bezahlt werden. Die Literatur unter­
mauert, dass die Wahrnehmung von Vergütungsfairness eine
wichtige Rolle bei Arbeitsbeziehungen, Arbeitsmoral und Ar­
beitsanstrengung spielt. Inwiefern unfairer Lohn die Gesund­
heit der Arbeitnehmer beinträchtigen kann, untersuchten die
Wissenschaftler in dieser zweistufig aufgebauten Studie.
Zunächst wurde in einem einfachen Experiment jeweils ein
Teilnehmer in der Rolle des Arbeitnehmers einem anderen Teil­
nehmer in der Rolle des Arbeitgebers zugeordnet. Der Arbeit­
nehmer arbeitete an einer mühsamen Aufgabe und generierte
dadurch Einnahmen. Der Arbeitgeber entschied anschließend,
wie diese Einnahmen zwischen ihm selbst und dem Arbeit­
nehmer aufgeteilt werden sollten. Während des gesamten
Experiments wurde die Herzfrequenzvariabilität der Arbeit­
nehmer gemessen. Das Ergebnis: Höhere Unfairness-Level der
Lohnaufteilung gingen mit einer geringeren Herzfrequenz­
variabilität einher. Niedrige Herzfrequenzvariabilität ist ein
Indikator für stressbedingte beeinträchtigte kardiale autonome
Kontrolle, die zu koronaren Herzerkrankungen führen kann.
Darauf aufbauend testeten die Wissenschaftler mithilfe von
Beobachtungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)
auf potenzielle gesundheitsschädigende Auswirkungen von
unfairem Entgelt. Das SOEP ist eine repräsentative Wieder­
holungsbefragung, für die seit 30 Jahren jährlich etwa 30.000
Personen u.a. zu Einkommen und Gesundheit befragt werden.
Ergänzend zu den experimentellen Befunden fanden die Wis­
senschaftler einen signifikanten negativen Zusammenhang
zwischen unfair empfundenem Lohn und dem Gesundheitszu­
stand der Befragten, insbesondere der Herz-Kreislaufgesund­
heit. Die Resultate zeigen dieWichtigkeit von fair empfundenem
Lohn für die langfristige Gesundheit der Belegschaft.
Besprochen von
Katharina Laske
, Seminar für ABWL und
Personalwirtschaftslehre, Universität zu Köln
Unfaires Gehalt und
Gesundheit
Armin Falk
(Universität Bonn),
Fabian Kosse
(Universität
Bonn),
Ingo Menrath
(Universität Lübeck),
Pablo E. Verde
(Heinrich-Heine Universität) &
Johannes Siegrist
(Heinrich-
Heine Universität): Unfair Pay and Health. Management
Science, 2017
V
iele Arbeitnehmer gehen unausgeschlafen zur Ar­
beit. Zahlen aus den USA zeigen, dass ca. 40% aller
Beschäftigten weniger als sechs Stunden pro Nacht
schlafen. Welche negativen Auswirkungen dies auf
die Beziehungsqualität zwischen Führungskraft und Mitar­
beiter haben kann, untersuchten die Forscher Guarana und
Barnes. Der Fokus ihrer auf zwei Studien angelegten Untersu­
chung lag dabei auf der Entwicklung der Beziehungsqualität zu
Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses, wenn beide Partner
noch wenig übereinander wissen. Die Autoren vermuteten,
dass sich Schlafmangel negativ auswirkt, da er mit einem hö­
heren Maß an Feindseligkeit einhergeht. D.h. wenn Führungs­
kräfte zu wenig schlafen, agieren sie ihren neuen Mitarbeitern
gegenüber tendenziell feindseliger, wodurch diese die Qualität
der Arbeitsbeziehung geringer einschätzen und andersherum.
In zwei Studien ließ sich der angenommene Effekt von Schlaf­
mangel auf die Beziehungsqualität vermittelt über Feindselig­
keit bestätigen. Die Ergebnisse der zweiten Studie, in der 40
Führungskräfte und 120 Mitarbeiter über drei Monate befragt
wurden, zeigten außerdem, dass die Einschätzung der Füh­
rungskräfte besonders im ersten Monat vom Schlafmangel
ihrer Mitarbeiter beeinflusst wurde, der Effekt dann jedoch
abnahm. Für Mitarbeiter zeigte sich ein überdauernder nega­
tiver Effekt: Je weniger ihre Führungskräfte schliefen, umso
geringer schätzen die Mitarbeiter die Beziehungsqualität ein.
Die Autoren diskutieren, dass sich Menschen über die nega­
tiven Auswirkungen ihres Schlafmangels meist nicht bewusst
sind, weshalb vor allem in der Anfangsphase beziehungsorien­
tierte Feedbackmechanismen eingeführt werden sollten. Füh­
rungskräfte sollten zudem sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter
genügend Ressourcen und organisationale Unterstützung er­
halten, damit sie ihre Aufgaben innerhalb der Arbeitszeit erle­
digen können und nicht auf ihre Freizeit bzw. Schlaf verzichten
müssen. Hierzu zählt auch, dass Mitarbeiter abends nicht mehr
Smartphones nutzen sollten, um Arbeits-E-Mails zu lesen.
Besprochen von
Dr. Annika L. Meinecke
, Lehrstuhl für Arbeits-,
Organisations- und Sozialpsychologie, Universität Hamburg
Schadet zu wenig Schlaf
der Beziehung zwischen
Mitarbeitern und
Führungskräften?
C. L. Guarana
(Indiana University) &
C. M. Barnes
(University
of Washington): Lack of sleep and the development of leader-
follower relationships over time. Organizational Behavior and
Human Decision Processes, 2017, Vol. 141, pp. 57–73
1...,46,47,48,49,50,51,52,53,54,55 57,58,59,60,61,62,63,64
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