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02/18 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Der erlebte Arbeitsstress und seine negativen Folgen, wie die
psychische Beanspruchung von Arbeitnehmern, nehmen zu, insbesondere in helfenden
Berufen. Es ist bislang unklar, welche Rolle Religiosität in der Prävention spielen kann.
Methodik:
Um diese Frage zu beantworten, wurden Daten einer Online-Fragebogenstudie
mittels einer Regressionsanalyse ausgewertet.
Praktische Implikationen:
Nur eine Dimension der Religiosität (öffentliche Praxis) zeigt
präventives Potenzial gegen psychische Beanspruchung.
et al., 2005). Insbesondere Angehörige helfender Berufe weisen
bei der Messung der Gratifikationskrise besonders hohe Werte
auf (vgl. Bödeker/Dragano, 2005, S. 63). Da bekannt ist, dass
hohe Gratifikationskrisenwerte mit erhöhten Gesundheitsbeein-
trächtigungen einhergehen, lässt dies die Vermutung zu, dass in
diesen Berufen die psychische Beanspruchung besonders stark
ausgeprägt ist. Daraus ergeben sich die folgenden Hypothesen:
H1:
Je stärker die Gratifikationskrise von Beschäftigten in
helfenden Berufen, desto stärker ist die psychische Beanspru-
chung ausgeprägt.
H2:
Je stärker die übersteigerte Verausgabungsneigung von
Beschäftigten in helfenden Berufen, desto stärker ist die psy-
chische Beanspruchung ausgeprägt.
H3:
Die Beziehung zwischen der Gratifikationskrise und der
psychischen Beanspruchung von Beschäftigten in helfenden
Berufen ist umso stärker ausgeprägt, je höher die übersteigerte
Verausgabungsneigung ist.
Religiosität und Arbeitsstress
Religiosität ist ein facettenreiches Konstrukt, das Glaube, Prak-
tiken und Rituale umfasst, die im Zusammenhang stehen mit
etwas Heiligem, Übernatürlichem, Mystischem bzw. Gott. Ein
Konzept, das essenzielle Dimensionen der Religiosität umfasst,
ist das der Zentralität der Religiosität (vgl. Huber/Huber, 2012).
Es erfasst, wie zentral oder wichtig Religiosität im Leben einer
Person ist. Die Zentralität der Religiosität umfasst fünf Dimen-
sionen, die zusammen das religiöse Involvement widerspiegeln:
(1) Intellekt bezieht sich auf religiöses Wissen und Interesse
an religiösen Themen und zeigt an, wie häufig sich jemand mit
religiösen Themen auseinandersetzt. (2) Ideologie bezieht sich
auf nicht hinterfragte Überzeugungen und insbesondere auf
den Glauben daran, dass eine übernatürliche Realität existiert.
(3) Öffentliche Praxis spiegelt eine soziale Verankerung der
Religiosität wider und betrifft das Ausüben von religiösen Prak-
tiken innerhalb einer Gemeinschaft in der Öffentlichkeit (z.B.
Gottesdienstbesuche). (4) Private Praxis hingegen bezeichnet
das Ausüben religiöser Praktiken im privaten Umfeld. (5) Er-
fahrung bezieht sich auf religiöse Wahrnehmungsmuster und
tatsächliche religiöse Erlebnisse, die man als direkten Kontakt
zum Übernatürlichen bezeichnen kann.
und (geringen) beruflichen Belohnungen. Ein solches Un-
gleichgewicht (= Gratifikationskrise) ruft negative Emotionen
hervor, die den Körper und das Gehirn in Stress versetzen und
dadurch körperliche und/oder psychische Gesundheitsbeein-
trächtigungen nach sich ziehen.
Zusätzlich umfasst die Theorie die übersteigerte Verausga-
bungsneigung, die ein persönliches Motivations- und Bewälti-
gungsmuster bezeichnet, das durch die Tendenz charakterisiert
ist, sich über die eigenen Kräfte hinaus zu verausgaben und
für die Arbeit zu engagieren, verbunden mit einem überhöhten
Bedürfnis nach Kontrolle und Bestätigung. Sowohl die Theorie
als auch empirische Untersuchungen sprechen dafür, dass eine
übersteigerte Verausgabungsneigung zum einen negative Aus-
wirkungen der Gratifikationskrise verstärkt und zum anderen
als eigenständiger Risikofaktor wirkt, der auch für sich genom-
men physische und/oder psychische Beeinträchtigungen nach
sich ziehen kann (vgl. Siegrist et al., 2004, S. 1485; van Vegchel
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 1:
Zusammenhang zwischen Verausgabungs
neigung, Gratifikationskrise und Religiosität
Gratifikations-
krise
übersteigerte
Verausgabungsneigung
psychische
Beanspruchung
H4 (-)
Religiosität
a) Intellekt
b) Ideologie
c) öffentliche Praxis
d) private Praxis
e) Erfahrung
„ –“ = Es wird ein negativer Zusammenhang zwischen den Variablen vermutet
(„Je mehr, desto weniger”)
„+“= Es wird ein positiver Zusammenhang zwischen den Variablen vermutet
(„Je mehr, desto mehr“)
H2 (+)
H3 (+)
H1 (+)