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02/18 PERSONALquarterly
Führungskraft, die selbst kleine Kinder in der Familie hat, für
sich eine Arbeitszeitregelung getroffen haben, dass sie nach-
mittags Zeit mit den Kindern verbringt und dafür später am
Abend arbeitet. Ähnlich könnte sich eine Führungskraft be-
wusst dafür entschieden haben, am Wochenende einige Stun-
den zu arbeiten, um die Belastung in der Woche zu reduzieren
und in der Woche Arbeit und Privatleben besser vereinba-
ren zu können. Mitarbeiter, die diese Flexibilisierungsmaß-
nahmen ihrer Führungskräfte nicht kennen, ziehen eventuell
falsche Schlüsse über das Verhalten und die Erwartungen
ihrer Führungskräfte. Diese Ausführungen machen deutlich,
dass Implikationen nicht immer auf eine Änderung des Füh-
rungskräfteverhaltens abzielen müssen und sollten, sondern
vor allem sollte eine offene Kommunikation in Organisationen
über Verhaltensweisen und Erwartungen (z.B. im Hinblick auf
E-Mail-Kommunikation) angestoßen werden, um allen Beteilig
ten zu ermöglichen, weitestgehend nach den eigenen Bedürf-
nissen und Präferenzen arbeiten zu können. Trotzdem könnten
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass das Kommunikati-
onsverhalten von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbei-
tern für deren Work-Life-Balance eine Rolle spielt – allerdings
trifft dies nur für die Fremdwahrnehmung dieses Verhaltens
durch die Mitarbeiter zu und nicht auf die Selbsteinschätzung
des Verhaltens durch die Führungskräfte. Die Tatsache, dass
das selbstberichtete Kommunikationsverhalten der Betreuer
nur geringfügig mit der Wahrnehmung der Doktoranden zu-
sammenhing, ist ein wichtiger Befund, da dies zeigt, dass es
offensichtlich starke Unterschiede in der Wahrnehmung von
Kommunikationsverhalten und den damit verbundenen Erwar-
tungen (z.B. wann zu antworten ist) zwischen Vorgesetzen und
ihren Mitarbeitern gibt. Hier sollten zukünftige Studien objek-
tive Maße der Kommunikation (tatsächliche E-Mails, Anrufe
etc.) klären, inwiefern Selbst- und Fremdwahrnehmungen ver-
zerrt sind, um festzustellen, ob stärker das tatsächliche Verhal-
ten und Erwartungen von Führungskräften verändert werden
sollten oder ob stärker an der Einschätzung der Mitarbeiter ge-
arbeitet werden sollte, die das Verhalten und die Erwartungen
ihrer Führungskraft falsch einschätzen. In jedem Fall zeigt
auch diese Studie, dass eine intensive Diskussion und Erwar-
tungsklärung in Bezug auf Kommunikationsnormen zwischen
Mitarbeitern und Führungskräften hilfreich sein sollte, um
mögliche negative Effekte für die Work-Life-Balance aufzuzei-
gen und durch selbst festgelegte Regeln zu vermeiden.
Fazit
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der beiden vorgestellten Stu-
dien, dass das Führungskräfteverhalten, konkret das eigene
Trennungsverhalten von Arbeit und Privatleben sowie freizeit
intrusives Kommunikationsverhalten auch über die Arbeit
hinaus, eine Rolle spielt für die Work-Life-Balance von Mitar-
beitern. Dabei scheint die Vorbildfunktion von Führungskräf-
ten eine entscheidende Rolle zu spielen.
Organisationen sollten demnach ihre Führungskräfte für
diese Zusammenhänge sensibilisieren, eine offene Diskussi-
onskultur und die Aushandlung individueller Absprachen (z.B.
Kommunikationsregeln auf Teamebene) unterstützen, da es
aufgrund verschiedener Präferenzen und Bedürfnisse nicht
möglich ist, für alle Mitarbeiter passende feststehende Normen
vorzugeben. Vielen Führungskräften ist die Rolle des eigenen
Work-Life-Balance-Verhaltens als Vorbild für ihre Mitarbeiter
nicht bewusst. Ebenso ist Führungskräften auch nicht immer
bewusst, wie ihr Kommunikationsverhalten (z.B. das Schrei-
ben von E-Mails spät abends) auf ihre Mitarbeiter wirkt und
welche angenommenen Erwartungen (z.B. wann Antworten
erwartet werden) Mitarbeiter daraus ableiten. Umgekehrt ist
aber auch den meisten Mitarbeitern nicht klar, welche Grün-
de Führungskräfte für ihr Verhalten haben und sie haben oft
nie direkt über Erwartungen hinsichtlich Erreichbarkeit und
Kommunikation in der Freizeit gesprochen. Z.B. könnte eine
Abb. 3:
Items der Skala freizeitintrusives
Kommunikationsverhalten
1.
Mein Betreuer/meine Betreuerin schreibt mir spät abends
E-Mails.
2.
Mein Betreuer/meine Betreuerin schreibt mir am Wochenende
E-Mails.
3.
Mein Betreuer/meine Betreuerin erwartet von mir, dass ich spät
abends E-Mails beantworte.
4.
Mein Betreuer/meine Betreuerin erwartet von mir, dass ich am
Wochenende E-Mails beantworte.
5.
Mein Betreuer/meine Betreuerin erwartet von mir, dass ich sofort
auf E-Mails und Anrufe antworte, wenn ich nicht im Büro bin.
6.
Mein Betreuer/meine Betreuerin erwartet von mir, spät abends
zu arbeiten, um Arbeit fertigzustellen.
7.
Mein Betreuer/meine Betreuerin erwartet von mir, am Wochen-
ende zu arbeiten, um Arbeit fertigzustellen.
8.
Mein Betreuer/meine Betreuerin setzt Deadlines, die ich nur ein-
halten kann, wenn ich spät abends oder am Wochenende arbeite.
9.
Um den Erwartungen meines Betreuers/meiner Betreuerin ge-
recht zu werden, muss ich am Wochenende arbeiten.