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PERSONALquarterly 02/18
SCHWERPUNKT
_GESUNDHEIT
V
ielfach wird in den Medien darüber berichtet, dass
Fehltage aufgrund von Stress und psychischen Be-
schwerden zunehmen und damit sowohl für Organi-
sationen als auch für die Gesellschaft enorme Kosten
verursachen (Badura/Ducki/Schröder/Klose/Meyer, 2017).
Auch wenn Stress bei der Arbeit nicht zu Fehltagen führt, sind
die meisten Arbeitstätigen mit den negativen Konsequenzen
für Gesundheit und Leistung vertraut und suchen nach We-
gen, sowohl den Stress im Vorfeld zu vermeiden als auch mit
negativen Konsequenzen besser umgehen zu können. Eine Re-
generation der durch Stress angeschlagenen Kräfte findet vor
allem in der privaten Zeit statt, auch wenn Arbeitstätige privat
durch diverse Verpflichtungen und Aufgaben gefordert sind,
z.B. wenn Kinder im Haushalt leben. Oft wird betont, dass eine
gute Work-Life-Balance vor allem langfristig für den Umgang
mit Stress, Gesundheit und Leistungsfähigkeit entscheidend
ist. In der Wissenschaft wird der Begriff Work-Life-Balance
kaum gebraucht, da inhaltlich für die meisten Menschen keine
exakte Balance (z.B. im Hinblick auf zeitliche Ausgeglichen-
heit) für ein glückliches Leben notwendig ist, sondern die
subjektive Zufriedenheit mit dem Leben bzw. das subjektive
Wohlbefinden entscheidend ist (vgl. Barber/Grawitch/Malo-
ney/Ballard, 2016). In diesem Sinne wird in diesem Beitrag der
Begriff Work-Life-Balance als Sammelbegriff für Indikatoren
benutzt, welche psychische Gesundheit und spezifische Erho-
lungsprozesse umfassen.
Erholung von Arbeitsstress ist definiert als der Prozess, der
die negativen Konsequenzen von Stress umkehrt (Meijman/
Mulder, 1998) und wird im Alltag oft als Wiederaufladen der
Akkus beschrieben. Geurts und Sonnentag (2006) argumentie-
ren, dass (mangelnde) Erholung der erklärende Mechanismus
ist, warum manche Menschen durch Arbeitsstress ernsthafte
gesundheitliche Schäden davontragen, während andere weitge-
hend gesund bleiben: Wenn Arbeitstätige es schaffen, zeitnah
die negativen Konsequenzen von Stress durch ausreichend Er-
holung umzukehren, sollte es nicht zu langfristigen Schäden
kommen.
Entscheidend ist folglich die Frage, was eine erfolgreiche
Erholung ausmacht. Diesbezüglich zeigt die Forschung, dass
Erholung nicht per se von der Aktivität abhängt (d.h. was man
Die Rolle von Führungskräften
für die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter
Von
Prof. Dr. Carmen Binnewies
(Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
macht), sondern wie diese Freizeit erlebt wird (Sonnentag/
Fritz, 2007). Die zwei wichtigsten Merkmale umfassen das
mentale Abschalten von der Arbeit sowie Entspannung (Son-
nentag/Fritz, 2007) und beide hängen sowohl kurz- als auch
längerfristig mit einer besseren psychischen Gesundheit zu-
sammen. Im Einklang mit dieser Forschung fokussiert diese
Arbeit neben verschiedenen Indikatoren für psychische Ge-
sundheit auf die beiden Erholungsprozesse Abschalten von
der Arbeit und Entspannung als Indikatoren der Work-Life-
Balance.
Die Rolle von Führungskräften für die Work-Life-Balance
von Mitarbeitern
Obwohl die Rolle einer guten Erholung und der (psychischen)
Gesundheit von Mitarbeitern für die langfristige Gesundheit
und Leistungsfähigkeit bei der Arbeit gut dokumentiert ist, gibt
es bislang kaum Forschung dazu, welche konkreten Faktoren
in Organisationen für eine gute Work-Life-Balance bzw. Erho-
lungsprozesse eine Rolle spielen. Obwohl bei der Diskussion
der Implikationen oft die zentrale Rolle von Führungskräften
für ein erholungsfreundliches Organisationsklima und als Vor-
bild für Mitarbeiterverhalten diskutiert wird, blieb bislang un-
klar, ob Führungskräfteverhalten überhaupt eine Rolle spielt
und welche Verhaltensweisen mit der Work-Life-Balance von
Mitarbeitern zusammenhängen. Diese Arbeit berichtet die Er-
gebnisse von zwei Untersuchungen, die diese Fragestellung
mit unterschiedlichem Fokus untersucht haben und zum Ziel
haben, Empfehlungen abzuleiten, wie die Work-Life-Balance
von Mitarbeitern in Organisationen gefördert werden kann.
Bei der Beantwortung dieser Frage ist wichtig, dass es nicht
darum geht, die Führungskräfte für die Work-Life-Balance ih-
rer Mitarbeiter verantwortlich zu machen, sondern zu zeigen,
wie verschiedene Verhaltensweisen von Führungskräften auch
unbeabsichtigt bzw. als Nebenwirkung mit der Erholung und
Gesundheit von Mitarbeitern zusammenhängen.
Die Vorbildrolle von Führungskräfteverhalten für
Mitarbeitererholung und Mitarbeitergesundheit
Koch und Binnewies (2015) untersuchten in ihrer Studie
die Vorbildrolle von Führungskräften im Bereich Work-Life-