PERSONALquarterly 2/2018 - page 34

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PERSONALquarterly 02/18
SCHWERPUNKT
_GESUNDHEIT
sowie deren psychischer Gesundheit erklären konnte. Dies ist
ein wichtiger Befund, da den meisten Führungskräften vermut-
lich ihr Vorbildverhalten in Bezug auf Arbeitsverhalten (z.B.
Arbeitsethos) bewusst ist, aber vermutlich weniger klar ist, dass
auch ihr Verhalten in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und
Privatleben für die Mitarbeiter Vorbildcharakter hat.
In Bezug auf Implikationen ist es hier einerseits wichtig,
Führungskräfte zu sensibilisieren und im Umgang mit ih-
ren Mitarbeitern zu schulen. Führungskräfte sollten sich
aber nicht verstellen, um gegenüber ihren Mitarbeitern ein
gewisses Verhalten zu zeigen oder ein bestimmtes Bild zu
vermitteln, sondern vielmehr sollte die Kommunikation und
Erwartungsklärung gefördert werden, wie Führungskräfte und
Mitarbeiter Arbeit und Privatleben vereinbaren, um gegen-
seitiges Verständnis zu fördern und für die Zusammenarbeit
Regeln abzusprechen (z.B. in Bezug auf Kommunikationsver-
halten). Andererseits sollten aber auch Organisationen die
Führungskräfte entlasten, damit diese überhaupt in der Lage
sind, ein gutes Vorbild im Bereich Work-Life-Balance zu sein.
Wenn Führungskräfte unter zu hoher Arbeitsbelastung leiden
und dadurch ihr Privatleben leidet, ist es geradezu zynisch,
wenn Organisationen von ihren Führungskräften erwarten,
dass diese für ihre Mitarbeiter ein gutes Rollenvorbild in Bezug
auf Work-Life-Balance sein und sich um die Work-Life-Balance
ihrer Mitarbeiter kümmern sollen. Die Interessen von Füh-
rungskräften und Mitarbeitern dürfen nicht im Widerspruch
zueinander stehen, sodass seitens der Organisation gleicher-
maßen für beide Gruppen Maßnahmen zur Förderung von Ge-
sundheit und Work-Life-Balance angeboten werden müssen
(z.B. individuelle Arbeitszeitregelungen, Familienunterstüt-
zung, Gesundheitskurse).
Die Rolle von Kommunikation und Erwartungen von Füh-
rungskräften für die Work-Life-Balance von Mitarbeitern
In einer weiteren Studie habe ich untersucht, inwieweit spe-
zifisches Kommunikationsverhalten (z.B. das Verschicken von
E-Mails am Feierabend undWochenende) und Erwartungen (z.B.
die Erwartung, wie schnell auf E-Mails reagiert werden soll),
welche zusammenfassend als freizeitintrusives Kommunikati-
onsverhalten bezeichnet werden, mit der Erholung und psychi-
schen Gesundheit von Mitarbeitern zusammenhängen. Konkret
überprüfte ich in dieser Studie die Annahme, dass ein stärkeres
Ausmaß an freizeitintrusivem Kommunikationsverhalten von
Betreuern mit geringer Erholung und schlechterer psychischer
Gesundheit von Doktoranden einhergeht (vgl. Abb. 2).
Das Studienmodell wurde in einer Stichprobe von 155
US-amerikanischen Doktoranden (PhD Students) aus dem
Bereich Management und Arbeits- und Organisationspsycho-
logie und deren 131 Betreuern (PhD Advisor) überprüft. Das
Verhältnis zwischen Doktoranden und ihren Betreuern ist
zwar nicht gleichzusetzen mit dem Verhältnis zwischen Mit-
arbeitern und ihren Vorgesetzten, aber es weist zumindest
viele Ähnlichkeiten auf, da es eine formale Abhängigkeit zwi-
schen den beiden Parteien gibt und in vielen Fällen Doktoran-
den (oft als Vereinbarung im Rahmen eines Stipendiums) in
Projekten für ihre Betreuer arbeiten. Die Doktoranden schätz-
ten in einem onlinebasierten Fragebogen das freizeitintrusive
Kommunikationsverhalten (Items der neu entwickelten Skala
vgl. Abb. 3) ihres Betreuers und beantworteten Fragen zu
ihrer Erholung (psychologisches Abschalten, Entspannung)
sowie ihrer psychischen Gesundheit (Erholungsbedürfnis,
emotionale Erschöpfung). Die Betreuer schätzten in einem
onlinebasierten Fragebogen ihr Kommunikationsverhalten
gegenüber den Doktoranden ein.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Selbst- und Fremdeinschät-
zung des freizeitintrusiven Kommunikationsverhaltens nur ge-
ring zusammenhing (r = .17*). In Regressionsanalysen zeigte
sich, dass nur die Fremdeinschätzung des freizeitintrusiven
Kommunikationsverhaltens durch die Doktoranden mit deren
Erholung, d.h. mit geringerem psychologischen Abschalten von
der Arbeit und geringer Entspannung, sowie deren psychischer
Gesundheit (geringeres Erholungsbedürfnis und geringere emo-
tionale Erschöpfung) zusammenhing. Die Selbsteinschätzung
der Betreuer ihres eigenen Kommunikationsverhaltens gegen-
über den Doktoranden hing hingegen nicht mit der Erholung
und psychischen Gesundheit von Doktoranden zusammen.
Abb. 2:
Studienmodell von Studie 2
„Freizeitintrusives“
Kommunikationsverhalten
(spät abends E-Mails schreiben,
Erwartung, dass Studenten
immer gleich antworten)
PhD Student
PhD Advisor
Psychologisches
Abschalten
Entspannung
Erholungsbedürfnis
Emotionale Erschöpfung
Erholung und Gesundheit
1...,24,25,26,27,28,29,30,31,32,33 35,36,37,38,39,40,41,42,43,44,...64
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