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01/18 PERSONALquarterly
tretbar ist es eigentlich, wenn sich zwei in einer Sprache unter-
halten, die der eigentlich Betroffene nicht versteht? Und wenn
er sie versteht, dann könnte man ebenso im Klartext reden.
Das aber wird nie passieren. Das zeigen alle bewertenden Ins-
trumente in der Personalarbeit. Die Angst vor Konflikten und
juristischem Streit führt oft zu Schönfärberei. Was also bleibt?
Wir favorisieren einen gänzlichen Verzicht auf Bewertungen
im Arbeitszeugnis, also auf das qualifizierte Zeugnis. Es sollte
durch ein deutlich ausgeweitetes einfaches Arbeitszeugnis er-
setzt werden. Verlässlich zu wissen
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was konkret,
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auf welchem inhaltlichen Niveau,
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unter welchen Situationsbedingungen,
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wie lange,
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mit welchem relativen Zeitanteil und
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mit welchen (objektiv) beschreibbaren Ergebnissen
ein Mitarbeiter während seiner Zeit im Unternehmen gemacht
hat, stellt bei der Personalauswahl die wichtigste (und objek-
tivste) Information dar. Unternehmen und arbeitgebernahe
Institutionen sollten diesen neuen rechtlichen Rahmen massiv
beim Gesetzgeber einfordern.
Vertritt man eine weniger veränderungspessimistische Posi-
tion, dann bieten sich folgende Maßnahmen zur Optimierung
der Zeugnispraxis an:
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Zeugniserstellung/-analyse sollte als Spezialistenmaterie
bei möglichst wenigen Mitarbeitern angesiedelt sein. Dies
schafft höhere Fachexpertise, bessere Vergleichbarkeit der
Dokumente/Bewertungen und einheitliche Einbindungsrou-
tinen der Vorgesetzten bei der Zeugniserstellung.
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Alle mit der Zeugniserstellung/-analyse betrauten Mitarbei-
ter sollten systematisch geschult sein. Die häufige Praxis des
„Arbeitszeugnis kann jeder“ muss beendet werden. Refresher-
Kurse sichern den Überblick zu aktueller Rechtsprechung und
ermöglichen eine kritische Reflexion der eigenen Zeugnis
praxis.
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Zeugnisanalyse sollte ein Standardmodul der Führungskräf-
tequalifizierung sein, um diese auf ihre Rolle als Beurteiler
von Bewerbungsunterlagen vorzubereiten.
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Direkte Vorgesetzte des Mitarbeiters haben den besten Über-
blick zu ausgeführten Aufgaben und (Leistungs-)Verhalten
des Mitarbeiters. Sie sind über einheitliche Abfrageroutinen
mithilfe strukturierter Formblätter (vorzugsweise digital)
oder Interviewleitfäden einzubinden (siehe z.B. Weuster/
Scheer (2015), S. 201ff.).
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Vor dem Hintergrund der z.T. eklatanten Lücken in Personal
akten muss auch der Mitarbeiter zur Frage der ausgeübten
Tätigkeiten strukturiert eingebunden werden. Keinesfalls
darf sich diese Einbindung zur Vermeidung eines „ori-
entalischen Teppichhandels“ auf Fragen der Leistungs-/
Verhaltensbewertung erstrecken. Zeugnisentwürfe durch
Mitarbeiter müssen tabu sein.
STEFFI GRAU M.A.
Ehemalige Masterstudentin am Fachbereich
Betriebswirtschaft
Ernst-Abbe-Hochschule Jena;
jetzt Personalreferentin in der Medizintech
nikbranche
E-Mail:
PROF. DR. KLAUS WATZKA
Professur für Allgemeine Betriebswirtschaft,
insb. Personalwirtschaft am Fachbereich
Betriebswirtschaft
Ernst-Abbe-Hochschule Jena
E-Mail:
LITERATURVERZEICHNIS
Backer, A. (2008): Arbeitszeugnisse: Entschlüsseln und mitgestalten, München
Grau, S./Watzka, K. (2016): Arbeitszeugnisse in Deutschland: Kritische Ana
lysen zu ihrer Erstellung und Nutzung in der Personalauswahl, Wiesbaden
Haufe-Lexware GmbH & Co. KG (Hrsg.) (2013): Haufe Zeugnis Manager
Professional, Freiburg
Huesmann, M. (2008): Arbeitszeugnisse aus personalpolitischer Perspektive,
Wiesbaden
Nasemann, A. (2005): Arbeitszeugnisse: Beurteilungen verlangen, For
mulierung durchschauen, Mitwirkung erzielen, Berichtigungen durchsetzen,
München
Watzka, K. (2013): Arbeitszeugnisse - mehr als nur ein sinnfreies Ritual? In:
Personalführung, H. 3/2013, S. 18-26.
Weuster, A./Scheer, B. (2015): Arbeitszeugnisse in Textbausteinen, 13. Aufl.,
Stuttgart
SUMMARY
Research question:
How are job references set up in Germany?
How are job references used for the selection process? Which
practical significance do they have?
Methodology:
The basis are own critical considerations about the
creation and analysis of job references. In a field study, 97 writers
and 89 users of job references were asked in separate ques
tionnaires. Data were analyzed descriptively.
Practical implications:
The findings suggest to give up this se
lection instrument: Its informative value is doubtable. At least the
process of writing job references should be changed considerably.