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PERSONALquarterly 01/18
NEUE FORSCHUNG
_ZEUGNISBEURTEILUNG
gen II 17,8% (89). Im gesamten Rücklauf für beide Bögen befan-
den sich 11,2% (11) Kleinunternehmen (10 bis 49 Mitarbeiter),
34,7% (34) mittlere Unternehmen (50 bis 249 Mitarbeiter)
und 54,1% (53) große Unternehmen (ab 250 Mitarbeiter). Es
werden nun deskriptive Ergebnisse vorgestellt, wobei auf die
Ergebnisse in unterschiedlichen Größenklassen nur vereinzelt
eingegangen wird (vgl. Grau/Watzka, 2016, S. 49ff.).
Daten zur Zeugniserstellung
1. Zeitaufwand: Für ein qualifiziertes Zeugnis ergab sich ein
Mittelwert von 1,2 Stunden. Dabei variierten die Angaben von
0,25 bis 8 Stunden; die Standardabweichung betrug 1 Stunde;
50% (75%) aller Unternehmen lagen bei maximal 1 (1,5) Stun-
den. Kleinunternehmen gaben mit durchschnittlich 1,7 Stun-
den den größten Zeitaufwand an, wiesen die größte Spannweite
(0,25 bis 8 Std.) und Standardabweichung (2,2 Std.) auf.
Ein Mittelwert von 1,2 Stunden für ein qualifiziertes Ar-
beitszeugnis ist sehr niedrig. In dieser Zeit ein sorgfältig
recherchiertes Arbeitszeugnis (Personalaktenauswertung,
Rücksprache mit Führungskräften) samt individualisierter
Bewertung anzufertigen, scheint eher nicht möglich.
2. Eingesetzte Hilfsmittel: Individuelle Zeugnisse kommen
im Sample kaum vor (vgl. Abb. 2). Der Trend zur Standardi-
sierung (Bausteine) oder gar Automatisierung (Zeugnisgene-
ratoren) ist unverkennbar. Damit dominieren Zeugnisse den
Arbeitsmarkt, deren Hauptmotive in der Minimierung von Er-
stellungsaufwand und Rechtsrisiken liegen. Aussagekraft und
Individualität sind offenbar keine Kernziele.
Allerdings konnten hinsichtlich der Erstellungszeiten kaum
Unterschiede zwischen individuellen (durchschnittlich 1,2
Stunden) und nicht individuellen Zeugnissen (1,1 Stunden)
festgestellt werden.
3. Informationsinput: Fünf schriftliche Unterlagen werden
bei mindestens 50% der Unternehmen verwendet:
3
Zuarbeiten der Führungskräfte auf Formblatt: 83 (86,5%)
3
Anforderungsprofile: 80 (83,3%)
3
Personalakte: 76 (79,2%)
3
Stellenbeschreibungen: 69 (71,9%)
3
frei formulierte Zuarbeiten von Führungskräften: 52 (54,2%)
Formblätter für Führungskräfte sind vor allem in Großunter-
nehmen verbreitet. Mittlere und kleinere Unternehmen nutzen
eher frei formulierte Zuarbeiten. Mit abnehmender Größe wird
auch die Personalakte etwas weniger genutzt.
95,8% setzen mehr als eins der Dokumente und 82,3% so-
gar mindestens drei ein. Die informatorische Fundierung von
Zeugnissen scheint also recht gut zu sein. Wenig überzeugend
ist der mündliche Informationsinput. Nur bei 33,3% werden
vor der Zeugniserstellung Gespräche mit den Vorgesetzten
geführt. Sie dauern im Durchschnitt 15,5 Minuten. In klei-
nen (mittleren) Unternehmen finden Vorgespräche bei 45,5%
(38,2%) statt und sie dauern im Mittel 22,5 (15,4) Minuten.
Große Unternehmen führen diese nur zu 27,5%, mit einer
Dauer von 13,3 Minuten. Geringe Einbindung der Vorgesetz-
ten bedeutet Verzicht auf Hinterfragung und Ergänzung der
schriftlichen Unterlagen.
4. Kompetenz: Nur 50,5% der Zeugnisersteller wurden ge-
schult, in kleinen (mittleren) Unternehmen sogar nur 18,2%
(34,4%). Schulungsmaßnahmen bestanden zu 53,2% in „Se-
minaren“ und zu 25,5% in einer (zufallsgesteuerten?) „Ein
arbeitung on the Job“. 14,9% griffen auf „Kenntnisse aus
Ausbildung/Studium“ zurück. Nahezu alle Geschulten stuften
die Maßnahmen als „hilfreich“ ein (95,8%). Von den Unge-
schulten wünschen sich 36,2% Qualifizierungen. 85,3% aller
Befragten haben sich schon autodidaktisch mit einschlägiger
Literatur befasst. Das signalisiert Qualifizierungsbedarf.
Trotz obiger Befunde fühlen sich 80% „sehr sicher oder si-
cher“. Eventuell bauen die Zeugnisschreiber zum Selbstwert-
schutz und zur Unsicherheitsvermeidung Kontrollillusionen
auf. Dies ist möglich, da die Tätigkeit wenig Bedrohungspoten-
zial enthält. Schlimmstenfalls bessert man das Zeugnis nach.
5. Als Hauptproblem benannten überraschenderweise 28,3%
die „Rekonstruktion des betrieblichen Lebenslaufs“. In aggre-
gierter Betrachtung stellen Formulierungsprobleme im Bewer-
tungsteil mit insgesamt 48,3% der Nennungen (18,3% + 18,3%
+ 11,7%, vgl. Abb. 3) den erwarteten Problemschwerpunkt dar.
6. Zeugnisentwürfe durch Mitarbeiter: 38,5% aller Unterneh-
men lassen zumindest „manchmal“ Mitarbeiter den Zeugnisent-
wurf anfertigen. DiesesVorgehenkommt ingroßenUnternehmen
deutlich häufiger vor (41,2%) als in kleinen (18,2%).
7. Vergleichbarkeit von Zeugnissen: Bei der Anzahl von Be-
wertungskriterien für Leistung/Verhalten existiert eine extre-
me Spannweite von 2-17 (Mittelwert: 6,9; Standardabweichung
3,7). Große (mittlere/kleine) Unternehmen setzen im Mittel
7,2 (6,7/4,5) Kriterien ein. Der Befund ist ein Indiz für stark
eingeschränkte Vergleichbarkeit von Zeugnissen.
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 2:
Hilfsmittel bei der Zeugniserstellung (n = 96)
Antwort
Häufigkeiten
Individuelle Einzelanfertigung
7,3% (7)
Selbst erstellte Textbausteine
27,1% (26)
Textbausteine Literatur/Internet
24% (23)
Zeugnisgenerator
41,7% (40)