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PERSONALquarterly 01/18
SCHWERPUNKT
_DIVERSITY
ten Verhandlungsstil verfolgen, da dieses Verhalten von dem
Verhandlungspartner als Ausdruck hoher Limitationen inter-
pretiert wird und dazu führt, eher Konzessionen einzugehen,
als keine Einigung zu finden (van Kleef/De Dreu/Pietroni/
Manstead, 2006).
Interkulturelle Unterschiede beim Einsatz von Vorgesprächen
Da kulturelle Unterschiede bereits in vielen Bereichen der
Verhandlungsführung, insbesondere auch im Vergleich
westlicher und asiatischer Kulturen, aufgedeckt wurden
(z.B. Chuah/Hoffmann/Larner, 2014), sind solche auch in
der Durchführung von Vorgesprächen zu vermuten. Bei der
Betrachtung von Kulturen sind die Kulturdimensionen nach
Geert Hofstede ein gängiger und häufig angewandter Ansatz
zur Erklärung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten (Hof-
stede, 2011). In seinem Modell unterteilt Hofstede Kulturen in
sechs Dimensionen: Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung,
Individualismus, Maskulinität, langfristige Ausrichtung und
Nachgiebigkeit. Untersuchungen zeigen hierbei, dass sich
Deutsche und Chinesen in den Dimensionen Machtdistanz,
Individualismus und Unsicherheitsvermeidung signifikant
unterscheiden (vgl. Abb. 2).
ImVerhandlungskontext ist zunächst die Dimension Indivi-
dualismus vs. Kollektivismus interessant. In einer individua-
listischen Kultur liegt der Fokus auf dem Individuum. Jeder
Angehörige einer als individualistisch geltenden Kultur folgt
seinen persönlichen Ansichten und Zielen. In einer kollekti-
vistischen Kultur hingegen tritt das Individuum in den Hin-
tergrund, während Ansichten und Ziele der Gruppe höchsten
Stellenwert haben (Hofstede/Jonker/Verwaart, 2010). Charak-
teristisch für solche Kulturen sind das ausgeprägte Harmonie-
bedürfnis und die starke Beziehungsorientierung (Hofstede,
2011). Während Deutsche als individualistisch gelten, sind
Chinesen ein typisches Beispiel für eine kollektivistische
Kultur. Werden diese Annahmen auf eine Verhandlungssitu-
ation übertragen, bedeutet dies, dass für einen Chinesen der
Aufbau einer Geschäftsbeziehung von sehr großer Bedeutung
und somit auch wichtiger als der Vertragsabschluss selbst ist.
Das Harmoniebedürfnis sollte sich auch in der Kommunikati-
on innerhalb der Vorgespräche durch Verwendung positiver
Argumente, die den Aufbau einer Beziehung begünstigen,
widerspiegeln. Deutsche Verhandlungsführende hingegen
werden in Anlehnung an die Theorie weniger auf die Har-
monie mit ihrem Verhandlungspartner achten und vielmehr
zielstrebig eine Lösung des Konflikts verfolgen. Ein solches
Verhalten würde für weniger positive Argumente sprechen
und für die vermehrte Verwendung von negativen Reakti-
onen oder der Zurückweisung von Argumenten, wenn der
Verhandlungsverlauf von der Einigung abweicht. Folglich
ist anzunehmen, dass Chinesen in Vorgesprächen häufiger
positive Kommunikationselemente als Deutsche einsetzen,
während deutsche Verhandlungsführende vermehrt negative
Kommunikationselemente verwenden (H1).
Die Dimension der Unsicherheitsvermeidung bezieht sich
nach Hofstede (2011) darauf, wie gut Personen mit unvor-
hersehbaren Situationen umgehen können und wie stark
das Leben im Allgemeinen reglementiert ist. Eine Kultur mit
schwacher Unsicherheitsvermeidung kommt mit wenigen Vor-
schriften und Gesetzen aus. Personen, die einer solchen Kultur
angehören, zeichnen sich dadurch aus, dass sie gut mit chao-
tischen Situationen umgehen können und unvoreingenommen
an Neues herangehen. Eine Kultur mit einem hohen Maß an
Unsicherheitsvermeidung braucht hingegen klare Strukturen
und Regeln. Personen eines solchen Kulturkreises fühlen sich
nur dann wohl, wenn sie wissen, was auf sie zukommt und sie
nicht mit unvorhersehbaren Situationen konfrontiert werden.
Hofstede gibt den Wert der Unsicherheitsvermeidung bei der
deutschen Kultur doppelt so hoch an wie bei der chinesischen.
Einhergehend mit der Akzeptanz von unvorhersehbaren Situ-
ationen geht auch, dass diese Personen in einer Verhandlung
kompromissbereiter sind und mehr Risiken eingehen (Faure,
1998). Die Übertragung dieser Ausprägung auf eine Verhand-
lungssituation ließe vermuten, dass Chinesen mit neuen Situ-
ationen flexibler umgehen, sich diesen anpassen können und
dadurch auch kompromissbereiter sind. Für deutsche Verhand-
lungsführende sollte der Umgang mit Unstimmigkeiten oder
neuen Ideen, die in einer Verhandlung geäußert werden, hinge-
gen schwieriger sein und die Kompromissbereitschaft senken.
Eine Abweichung vom Plan könnte Nervosität hervorrufen und
Ausdruck in Drohungen finden. Diese Überlegungen sprechen
dafür, dass Chinesen häufiger Kompromissbereitschaft zum
Ausdruck bringen, während Deutsche direkter sind, sich stär-
ker an ihre Regeln halten und aus diesem Grund häufiger Dro-
hungen aussprechen (H2).
Die Kulturdimensionen legen nahe, dass Chinesen Vorge-
spräche nutzen, um eine Beziehung mit ihrem Verhandlungs-
partner aufzubauen, u.a. indem sie ein harmonisches Umfeld
schaffen. Deutsche hingegen fokussieren sich auf die Verhand-
lung selbst und legen weniger Wert auf Harmonie und die
Beziehung mit ihrem Verhandlungspartner. Angewandt auf
die Theorie des Framings deutet dies darauf hin, dass das
Verhalten der Chinesen eher einen positiven Rahmen für die
Verhandlung schafft als das Verhalten der Deutschen. Da ein
positiver Rahmen gemäß erster Erkenntnisse schlussendlich
zu einer höheren Anzahl an Vertragsabschlüssen in einer Ver-
handlung führt, sollten Chinesen erfolgreicher als Deutsche
sein und am Ende der Vorgespräche häufiger eine Einigung
über die Fortsetzung in Form einer Verhandlung erzielen (H3).
Methodisches Vorgehen und Ergebnisse
Um das Kommunikationsverhalten innerhalb von Vorgesprä-
chen zu untersuchen, wurde ein Verhandlungsexperiment mit