PERSONALquarterly 4/2018 - page 14

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PERSONALquarterly 04/18
SCHWERPUNKT
_DIVERSITÄT & INKLUSION
D
ie Kombination aus geringen Geburtenraten, stei-
gender Lebenserwartung und der überproportional
großen Baby-Boomer-Generation führt in den meis­
ten westlichen Ländern zu einem substanziellen
demografischen Wandel der Bevölkerung. Dieser schlägt sich
auch in einem höheren Durchschnittsalter der Belegschaften
sowie steigender Altersdiversität in den Unternehmen nieder
(Kulik et al., 2014). So war in Deutschland im Jahr 2016 be-
reits mehr als die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig
(56%), während dies zehn Jahre früher nur auf rund 30% der
Altersgruppe zutraf (Statistisches Bundesamt, 2017). Zudem
scheint eine weitere Heraufsetzung des Regelrentenalters
wirtschaftlich geboten und langfristig unvermeidbar. Alternde
Belegschaften und Mitarbeitende mit Behinderung werden zu-
nehmend zur Normalität.
Obwohl die Gesundheit älterer Menschen heute oftmals sehr
gut ist, steigt mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit
für chronische Krankheiten und Behinderungen (WHO, 2011).
Schon heute weisen über eine Milliarde Menschen (15% der
Weltbevölkerung) eine Behinderung auf. Aufgrund der Überalte-
rung der Bevölkerung und der hohen Korrelation von Alter und
Behinderung wird diese Zahl weiter ansteigen. Hiervon werden
auch Unternehmen unmittelbar betroffen sein, da sie teilweise
nicht über genügend junge Bewerber verfügen („War for Ta-
lents“) und es zunehmend schwieriger wird, wegen gesundheit-
licher Gründe frühpensioniert zu werden (Muller-Camen et al.,
2011). Dadurch stehen Unternehmen vor der Herausforderung,
die Arbeitsfähigkeit ihrer alternden Belegschaften bestmöglich
zu erhalten (Prävention) und Mitarbeitende im Krankheitsfall
erfolgreich zu reintegrieren und weiter zu beschäftigen (Inter-
vention). Firmen, denen dies auf effiziente und für alle Seiten
gewinnbringende Weise gelingt, werden in Zeiten des demogra-
fischen Wandels einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gene-
rieren (Böhm/Baumgärtner/Dwertmann, 2013).
Leider hat die Forschung zur Alters- und Behinderungsdiver-
sität inUnternehmenergeben (vgl. u. a. Boehm/Kunze, 2015und
Boehm/Dwertmann, 2015 für einen Überblick), dass dies oft-
mals nicht besonders gut gelingt. Vielmehr zeigt eine Reihe
von Studien, dass zunehmende Altersdiversität mit einem
Rückgang der organisationalen Leistungsfähigkeit verbunden
Inklusionsklima durch HR-Praktiken:
Wertschätzung und Wertschöpfung
Von
Dr. Miriam Baumgärtner
(Universität St. Gallen) und
Prof. Dr. Stephan Böhm
(Universität St. Gallen)
ist (z.B. Kunze/Boehm/Bruch, 2011). Dies muss jedoch nicht so
sein, Unternehmen können aktiv gegensteuern. Einen Schlüs-
selfaktor zur Produktivität alters- und behinderungsdiverser
Teams und Unternehmen stellt ein organisationsweites Di-
versitätsklima dar, durch das Mitarbeitenden jeglichen Alters
oder Gesundheitszustands vermittelt wird, dass sie fair und
wertschätzend behandelt werden und keine Diskriminierung
in Bezug auf relevante organisationale Praktiken oder Prozesse
stattfindet (Boehm/Kunze/Bruch, 2014). Doch wie lässt sich ein
solches Klima erzeugen und wie wirkt es im Unternehmen?
Die Rolle des Personalmanagements für die Förderung von
Diversitätsklima und Firmenperformanz
Eine Antwort hierauf liefert das Klimamodell der Unter­
nehmensproduktivität nach Kopelman, Brief und Guzzo (1990).
Es postuliert, dass dem jeweiligen Organisationsklima im Un-
ternehmen eine zentrale Rolle zukommt und es als Vermittler
zwischen Input- und Output-Faktoren fungiert. Kopelman und
Kollegen (1990) definieren Klima dabei so, „wie Menschen ihre
Arbeitsumgebung interpretieren“ (S. 292). Stark beeinflusst
wird ein solches Klima durch die HR-Praktiken wie z. B. Rekru-
tierung, Arbeitsplatzgestaltung und -anpassung, Entlohnung,
Entwicklung sowie Beförderung. Solche HR-Praktiken senden
starke Signale in die Belegschaft und wirken als Leitlinien, die
den Beschäftigten zeigen, welche Verhaltensweisen im Unter-
nehmen erwünscht sind und belohnt werden (Den Hartog et al.,
2004). Das organisationale Klima, das heißt, die kollektive In-
terpretation der Arbeitsumgebung, wirkt sich wiederum über
kognitive und affektive Zustände, wie bspw. Arbeitsmotivation
sowie bestimmte Verhaltensweisen auf die Leistung bzw. Pro-
duktivität der Organisation aus. Somit hilft das Organisations-
klima, den positiven Zusammenhang zwischen HR-Praktiken
und organisationaler Performanz besser zu verstehen.
Aktuelle Forschungsarbeiten haben diesen generellen Zu-
sammenhang auch für das spezifischere Diversitäts- bzw.
Inklusionsklima in Unternehmen empirisch untermauern
können (z. B. Nishii, 2013). Auch im Hinblick auf das Ma-
nagement von Altersdiversität konnte gezeigt werden, dass
altersinklusive HR-Praktiken mit einem positiveren Alters­
diversitätsklima in Zusammenhang stehen, das wiederum
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