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er demografische Wandel der Gesellschaft schreitet
kontinuierlich voranund stellt nicht nur die Sozialsys­
teme, sondern auch Unternehmen vor zunehmende
Herausforderungen. Als Konsequenz steigt nicht
nur das Durchschnittsalter vieler Belegschaften deutlich an,
sondern auch die Altersvielfalt nimmt in vielen Unternehmen
deutlich zu. Eine Situation wie im Jahr 2001, als noch 50 % der
deutschen Betriebe keinen Mitarbeiter über 50 Jahre beschäf­
tigten (vgl. Bellmann et al. 2003), gehört durch den deutlichen
Anstieg der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer (50 bis
65 Jahre) schon lange der Vergangenheit an.
Der vorliegende Beitrag wird sich mit dieser Thematik aus
der Sicht des Personalmanagements und der Führungskräfte
in Unternehmen beschäftigen. Konkret geht es darum, den ak­
tuellen Stand der Managementforschung zu diesem Themen­
bereich zusammenzufassen und im zweiten Schritt konkrete
Praxisimplikationen für Entscheidungsträger in Unternehmen
zur positiven Gestaltung von Altersdiversität abzuleiten.
In der Management- und organisationspsychologischen
Forschung bezeichnet Altersdiversität oder Altersvielfalt die
Heterogenität einer Gruppe oder eines Teams in Bezug auf das
Alter der einzelnen Gruppenmitglieder. Die wissenschaftliche
Forschung in diesemBereich zeichnet bisher kein einheitliches
Bild: Metaanalysen, welche die zahlreichen Studien in diesem
Forschungsbereich zusammenfassen, zeigen, dass Altersdiver­
sität im Durchschnitt einen schwachen negativen (Joshi/Roh,
2009) oder Null-Effekt (van Dijk et al., 2012) auf die Teamleis­
tung hat und einzelne Studien zum Teil auch positive Effekte
berichten. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche Erklä­
rungen es für diese unterschiedlichen Ergebnisse gibt, die es
ermöglichen, Altersvielfalt als Potenzial oder Herausforderung
für Teams und Organisationen zu betrachten.
Potenziale von Altersdiversität in Arbeitsteams
Aus einer positiven Perspektive kann Altersvielfalt zu einer
verbesserten Entscheidungsfindung und Leistungsfähigkeit in
Arbeitsgruppen genutzt werden. Gruppenmitglieder verschie­
dener Altersgruppen oder Generationen haben unterschied­
liche Erfahrungshintergründe und Kompetenzen. Im Idealfall
zeigt die Forschung, dass diese Ressourcen komplementär ein­
Altersdiversität in Teams und Unternehmen –
Fluch oder Segen?
Von
Prof. Dr. Florian Kunze
(Universität Konstanz)
gesetzt werden können, um eine bessere Informationsverarbei­
tung im Team zu erreichen, die sich letztendlich positiv auf die
Teamleistung auswirkt. So belegen einige empirische Studien,
dass Altersdiversität positive Auswirkungen auf die Informa­
tionsverarbeitung, Entscheidungsprozesse, Problemlösefähig­
keiten sowie auf das Lernverhalten von Arbeitsgruppen und
deren Leistungen imAllgemeinen haben kann (für eine Zusam­
menfassung siehe van Knippenberg/Schippers 2007). Gerade
in Zeiten von zunehmendem Wandel im Zuge der Digitalisie­
rung kann es sehr sinnvoll sein, dass jüngere Mitarbeitende
mit hohen digitalen Fähigkeiten und ältere Mitarbeitende mit
hohem internem Erfahrungs- und Prozesswissen zusammen­
arbeiten, um von den komplementären Fähigkeiten wechsel­
seitig zu profitieren.
Herausforderungen von Altersdiversität in Arbeitsteams
Aus einer eher pessimistischen Perspektive kann Altersvielfalt
aber auch als eine Herausforderung für die Funktionsfähigkeit
und Produktivität von Arbeitsteams gesehen werden. Als Er­
klärung können hier die Ansätze der Sozialen Identität und
Sozialen Kategorisierung verwendet werden (vgl. Tajfel/Tur­
ner, 1986). Diese klassischen sozialpsychologischen Theorien
beschreiben, dass sich Individuen aufgrund bestimmter Merk­
male (z. B. Alter einer Person) zu einer bestimmten Subgruppe
innerhalb eines Teams zugehörig fühlen. Personen jüngeren,
mittleren und älteren Alters innerhalb einer Arbeitsgruppe
befinden sich häufig in ähnlichen Lebens- und Karrierephasen
und finden deshalb besonders Personen ähnlichen Alters at­
traktiv. Deshalb ist es äußerst wahrscheinlich, dass sich in
altersgemischten Teams altersbasierte Subgruppen bilden. Um
die Zugehörigkeit in einer dieser Subgruppen aufzuwerten,
werden häufig Vorurteile gegenüber anderen Altersgruppen
gebildet. Ältere Mitarbeitende können z. B. jüngeren Mitar­
beitenden die Erfahrung für wichtige Arbeitsprozesse abspre­
chen und jüngere Mitarbeitende können eine im Durchschnitt
höhere Bezahlung von älteren Mitarbeitenden als ungerecht
empfinden. Solche Vorurteile können schnell zu einem gestei­
gerten Konfliktpotenzial, einer reduzierten Kommunikation
und auch einer altersbasierten Diskriminierung führen, die
letztendlich der Teamleistung schaden. Auch wenn natürlich
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