PERSONALquarterly 4/2018 - page 7

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04/18 PERSONALquarterly
PERSONALquarterly:
Worin bestehen die kritischen Faktoren im Un-
ternehmen, die zum Gelingen der Inklusion von Menschen mit
Behinderung beitragen? Wo besteht noch Forschungsbedarf?
Böhm:
Für eine erfolgreiche Inklusion gibt es Ansatzpunkte auf
allen Ebenen. Auf der individuellen Ebene ist es wichtig, dass
sich ein Mensch mit Behinderung seiner spezifischen Stärken
und komparativen Vorteile bewusst ist und diese in einem
Beruf oder Umfeld einbringt, wo sie bestmöglich zum Tragen
kommen. Dies gilt im Übrigen auch für Menschen ohne Behin-
derung. Auf der Ebene der Führungskraft ist ein inklusives
und wertschätzendes Verhalten entscheidend, welches vorur-
teilsfrei gleiche Chancen für alle Mitarbeitenden ermöglicht.
Ferner kann durch gesundheitsfokussierte Führung für eine
möglichst gute Passung zwischen Arbeitsplatz und Mitarbei-
tendem gesorgt und das physische und psychische Wohlbefin-
den gefördert werden. Auf der Teamebene ist ein inklusives
Klima von entscheidender Bedeutung, da nur hierdurch die
Chancen von Diversität (z. B. mehr Innovation) genutzt und
gleichzeitig die Herausforderungen (z. B. mehr Konflikte) be-
wältigt werden können. Zentral ist hier die Kommunikation
zwischen den Teammitgliedern und das gegenseitige Ver-
ständnis füreinander. Schließlich gilt es auf Ebene des Gesamt­
unternehmens, diversitätsfreundliche Personalpraktiken zu
implementieren, zu denen u. a. barrierefreie Rekrutierungs-
wege oder vorurteilsfreie Beurteilungs-, Entlohnungs- und Be-
förderungssysteme gehören.
In jedem dieser Bereiche liegen erste Erkenntnisse vor, viele
Fragen sind aber noch offen. Hierzu zählt z. B. die Frage, wie
ein inklusives Teamklima erzeugt werden kann. Hier wissen
wir über dessen positive Wirkung deutlich mehr als über seine
aktive Schaffung und Förderung. Auch das Thema der gesun-
den und inklusiven Führung ist nach wie vor sehr spannend.
Hier beschäftigen wir uns u. a. mit Trainingsmaßnahmen für
Führungskräfte und analysieren, wie sich durch Trainings de-
ren Verhalten sowie mittel- und langfristig der Gesundheits­
zustand ihrer Mitarbeitenden verändert.
PERSONALquarterly:
Was sind Ihre Erfahrungen aus Kooperati-
onsprojekten mit Unternehmen? Worin bestehen die größten
Herausforderungen bei der Bewältigung von Transformations-
PROF. DR. STEPHAN BÖHM
Direktor des Center for Disability and Integration der Univer-
sität St. Gallen, Titularprofessor für Betriebswirtschaftslehre
mit besonderer Berücksichtigung des Organizational Behavior
und Disability Management, Universität St. Gallen
E-Mail:
Prof. Dr. Stephan Böhm studierte und promovierte an der
Universität St. Gallen. Von 2008 bis 2009 war er als Visiting
Research Fellow am Oxford Institute of Ageing der University of
Oxford, England, tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen
im Bereich der Mitarbeiterführung, des Personalmanagements
sowie des Diversitäts- und Change Managements. Insbesondere
beschäftigt er sich mit den Themen der beruflichen Inklusion
von Menschen mit Behinderung, der gesundheitsfokussierten
Führung sowie des Managements des demografischen Wan-
dels. Aktuell widmet er sich insbesondere dem Zusammenhang
von Digitalisierung, neuen Arbeitsformen und der Gesund-
heit von Mitarbeitenden. Stephan Böhm hat mehrere Bücher
geschrieben und herausgegeben sowie zahlreiche Artikel in
führenden internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Für
seine wissenschaftliche Tätigkeit hat er vielfältige Preise ge-
wonnen. Als Trainer und Consultant berät er Organisationen zu
Fragen des Diversity- und Change Managements, des Personal-
managements sowie der Mitarbeiterführung.
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