36
PERSONALquarterly 03/18
NEUE FORSCHUNG
_HR-CONTROLLING
S
eit den 1990er Jahren ist das Personalcontrolling be-
reits ein wichtiger Bestandteil moderner Personal-
arbeit (Gerlach/Armutat, 2013, S. 279). Wie Studien
zeigen, sind im Rahmen des Personalcontrollings
Kennzahlen die am häufigsten eingesetzten Instrumente zur
Bewertung der Personalarbeit bzw. der Identifikation von
Wertschöpfungspotenzialen im Personalbereich (Jäger/Wi-
ckel-Kirsch, 2016, S. 13). Es fehlen jedoch empirisch beleg-
bare Erkenntnisse darüber, wie Unternehmen bei der Auswahl
relevanter HR-Kennzahlen erfolgreich vorgehen und welche
Probleme hierbei auftreten. Auf Basis einer Expertenbefra-
gung sowie einer deutschlandweiten standardisierten Online-
Befragung zielt diese Studie darauf ab aufzuzeigen, wie die
Art des Auswahlprozesses der HR-Kennzahlen bzw. das Vor-
handensein bestimmter Probleme im Auswahlprozess den
wahrgenommenen Erfolg des Personalcontrollings beeinflus-
sen. Erfolgreich ist das Personalcontrolling nämlich gemäß
der aus der Praxis und Literatur abgeleiteten Definition der
Autoren, wenn es mit einer überschaubaren Anzahl relevanter
Kennzahlen Erkenntnisse zu wichtigen unternehmerischen
Entscheidungen beisteuert und von den unternehmerischen
Anspruchsgruppen akzeptiert und für seine Arbeit geschätzt
wird.
Der Status quo
Das Personalcontrolling baut auf der Personalstrategie auf, die
aus der Unternehmensstrategie abgeleitet wird. Ein wesent-
liches Ziel des Personalcontrollings ist es, die Erreichung der
Unternehmens- und Personalmanagementziele zu unterstüt-
zen und damit einhergehend die Unternehmens- und Personal-
prozesse effizient zu gestalten (Armutat, 2013, S. 23).
Aus theoretischer Sicht, z.B. auf Basis des ressourcenori-
entierten Ansatzes nach Barney (1991), erfüllt das Personal-
controlling hierbei die Funktion, wertvolle unternehmerische
Personalressourcen mittels Kennzahlen aufzudecken und somit
zum Gegenstand von Steuerung, Kontrolle, Erhalt und Optimie-
rung zu machen, um dem Unternehmen einen Wettbewerbs-
vorteil zu sichern. Das Unternehmen kann nur von solchen
Ressourcen profitieren, die ihm bekannt sind. Mit den richtigen
Kennzahlen können somit Optimierungspotenziale, z.B. in der
Wie die Kennzahlauswahl den Erfolg des
HR-Controllings beeinflusst
Von
Torben Liedtke
und
Prof. Dr. Lothar Winnen
(FOM Hochschule für Oekonomie und Management)
Belegschaft, aufgezeigt werden: Durch das regelmäßige Erfassen
von Indikatoren wie Zufriedenheit, Motivation oder Fluktuation
kann – besser als nur durch das reine Bauchgefühl einiger Vorge-
setzter – aufgezeigt werden, ob einWissens- und Effizienzverlust
bei dieser Personengruppe droht. Unternehmen sollten die für
sie relevanten Kennzahlen auswählen, d.h. solche Kennzahlen,
die gemäß der unternehmerischen und personalwirtschaftlichen
Ziele und Maßnahmen relevant sind. Die beschriebene Relevanz
von Kennzahlen verdeutlicht, wie wichtig eine systematische
Auswahl von HR-Kennzahlen ist. Dies stellt in der Praxis eine
große Herausforderung dar (Winnen/Lübbers, 2013). Grundsätz-
lich muss hierbei der individuelle Charakter eines Unterneh-
mens berücksichtigt werden (Bouabba, 2007, S. 87).
Der in der Literatur beschriebene systematische Auswahlpro-
zess von Kennzahlen kann auf sieben relevante Schritte zusam-
mengefasst werden. Im Folgenden werden diese dargestellt.
Der Auswahlprozess von HR-Kennzahlen startet mit der Defi-
nition und Gewichtung der personalwirtschaftlichen Ziele, die
an der Unternehmensstrategie orientiert sind (Hafner/Polans
ki, 2015, S. 41).
Im zweiten Schritt erfolgt eine Ist-Analyse des aktuellen HR-
Systems. Auf Basis dieser Analyse erfolgt die Festlegung von
vorläufigen Basiskennzahlen, die an standardisierten Kennzah-
lensystemen orientiert sein kann (Winnen/Knorr, 2015, S. 43).
Bei der Definition und Festlegung von Kennzahlen sollten we-
sentliche Eigenschaften von Kennzahlen wie der Zweck oder die
Berechnung einer Kennzahl in Kennzahlenblättern festgelegt
werden (Hafner/Polanski, 2015, S. 41; Holtbrügge, 2013, S. 268).
Anschließend erfolgt eine strukturierte Befragung der Kenn-
zahlenempfänger mit dem Ziel, die Erwartungen und Wünsche
in Bezug auf die relevanten HR-Kennzahlen zu erheben. Auf Ba-
sis dieser Befragung werden die entwickelten Basiskennzahlen
nochmals kritisch reflektiert und weitere unternehmensspezi-
fische Kennzahlen unter Einbezug der Unternehmensstrategie
(strategieorientiert), der Kernprozesse (prozessorientiert) oder
bestehender Probleme (problemorientiert) erstellt (Winnen/
Knorr, 2015, S. 44). Es folgt ein Workshop mit den Vertretern
der relevanten Bereiche. Ziel ist die Präsentation, Diskussion
und ggf. die Anpassung der Kennzahlen sowie die Schulung
der Kennzahlenempfänger und Mitarbeiter, die für die Kenn-