PERSONALquarterly 3/2018 - page 27

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dies zu erkennen und diese Mitarbeitenden nach Möglichkeit
gezielt weiterzuentwickeln. Einige der interviewten Führungs-
kräfte betonen in diesem Zusammenhang, dass Mitarbeitende
in agilen Organisationen zu einer selbstverantwortlichen Ar-
beitsweise und transparenten Strukturen bereit sein müssen.
Andere Führungskräfte wiederum hinterfragen diese Annah-
me. Sie stellen fest, dass es in (zunehmend) agilen Organisati-
onen durch die hohe Transparenz für den einzelnen Menschen
keinen Rückzugsraum mehr gebe. Zwar müssten Mitarbeiten-
de im agilen Kontext bereit sein, sich zu hinterfragen und wei-
terzuentwickeln. Es müsse dennoch legitim bleiben, weniger
Freiheit und Verantwortung übernehmen zu wollen.
Im Hinblick auf den Umgang mit konkreten, oft standar-
disierten Personalinstrumenten benennen die interviewten
Führungskräfte Herausforderungen und Änderungsbedarf.
Demnach bestehen in vielen Organisationen Vorgaben zu „klas-
sischen“ Mitarbeitergesprächen zwischen Führungskraft und
Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin, die zunehmend schwierig zu
erfüllen seien: So sei die Führungskraft in neuen Teamstruk-
turen gar nicht mehr aussagefähig imHinblick auf die Leistung
von Mitarbeitenden und fachliche Ziele. Entsprechend eng ver-
knüpft wird die Thematik Ziele bzw. Zielvereinbarungen von
den Interviewten benannt. Klassische individuelle (und oft
fachliche) Ziele müssen demnach durch Teamziele ersetzt wer-
den. Als Teamziele werden beispielsweise Netzwerkbildung
und Kommunikation (innerhalb und außerhalb des Unterneh-
mens) genannt. Führungskräfte insbesondere in größeren Or-
ganisationen nutzen die Rahmenbedingungen standardisierter
Personalinstrumente kreativ: Dies geschieht etwa durch die
Verankerung von Teamzielen durch die Hintertür, indem bei-
spielsweise Weiterbildung als Ziel auf Ebene jedes Teammit-
glieds vereinbart wird. Insgesamt wird von den interviewten
Führungskräften konstatiert, dass diese Personalinstrumente
wesentlich stärker als bisher den Einbezug des Teams erfor-
dern. In einigen der Fallunternehmen wurden und werden ent-
sprechende Team-Feedbackprozesse entwickelt.
Was Führungskräften helfen kann
Für die oben skizzierten Herausforderungen für Führungskräf-
te in (zunehmend) agilen Organisationen wünschen sich einige
der Führungskräfte Unterstützung und Beratung durch das
Personalmanagement (HR), konkret insbesondere im Hinblick
auf die Weiterentwicklung von und den Umgang mit Personal-
instrumenten.
Führung in agilen Unternehmen benötigt nach Ansicht der
interviewten Führungskräfte zudem insgesamt einen gewissen
unterstützenden Rahmen. Hierzu werden zum einen Organisa-
tionsstrukturen und zum anderen kulturelle Aspekte benannt.
Tendenziell sind in den (zunehmend) agilen Organisationen
eher flache Hierarchien zu finden. Verbunden damit wird die
Notwendigkeit gesehen, klassische Karrierewege (Führungslauf-
bahn) weiterzuentwickeln. Als wichtiger Aspekt lassen sich un-
abhängig von klassischen Aufstiegsmöglichkeiten (permanente)
Weiterentwicklungsmöglichkeiten identifizieren. Idealerweise
sei die Kultur der gesamten Organisation von Vertrauen und
Transparenz geprägt, hierauf gelte es hinzuarbeiten. Hier wird
insbesondere eine veränderte, positive Fehlerkultur – in dem
Sinne, dass Fehler positiv als Lernanlässe gerahmt werden –
angegeben, ohne die agiles Arbeiten ohnehin nur schwer mög-
lich sei. Die Interviewten benennen in diesem Zusammenhang
die Etablierung von Reflexions- und Feedbackrunden, bei denen
Führungskräfte und Teams oder Teammitglieder in Dialog treten.
Ganz grundsätzlich betonen die Interviewten aus ihrer War-
te, dass das Thema Agilität den Rückhalt der Führungskräfte
bis hin zur Geschäftsleitung benötigt. Sie konstatieren, dass
zunehmende Agilität mit Ängsten und Unsicherheiten nicht
nur bei Mitarbeitenden, sondern gerade auch bei den Füh-
rungskräften selbst behaftet sein kann – da dies, wie oben
bereits angeklungen, oft mit Machtverlust und demVerlust von
Statussymbolen gleichgesetzt wird.
Diskussion
Die eingangs skizzierten Ansätze ermächtigende Führung und
geteilte bzw. verteilte Führung spiegeln sich in unseren Daten
wider. Da der Fokus der Untersuchung nicht auf Teams lag,
sind Aspekte der geteilten bzw. verteilten Führung jedoch we-
sentlich weniger deutlich präsent. Dynamische Aspekte sowie
multiple Rollen und Führungsverantwortlichkeiten klingen je-
doch an, wenn die interviewten Führungskräfte Probleme mit
klassischen, standardisierten Personalinstrumenten wie dem
Mitarbeitergespräch oder Zielvereinbarungen erläutern. Zu
beachten ist, dass unsere Interviewstudie notwendigerweise
Aussagen auf Basis berichteten Führungsverhaltens etc. trifft,
da keine Beobachtung des Führungsverhaltens stattfand.
Abb. 1:
Handlungsfelder für Führungskräfte in agilen
Organisationen
Quelle: Eigene Darstellung
• Wertschätzender Umgang
• Begleitung (coachen)
• Vorbild sein
• Transparenz
• Vertrauen
• Verantwortung abgeben
• Selbstreflexion
• Feedback geben
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