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PERSONALquarterly 03/18
NEUE FORSCHUNG
_REKRUTIERUNG
D
er Begriff der Nachhaltigkeit gilt als Leitbild für eine
zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung, die unter
gleichwertiger Beachtung wirtschaftlicher, ökolo-
gischer und sozialer Aspekte gestaltet werden soll.
Für Unternehmen spielt dieses Leitbild eine zunehmend grö-
ßere Rolle, was sich allein aus der Tatsache ableiten lässt, dass
mittlerweile in Deutschland nahezu jedes Unternehmen einen
Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Dies geschieht einerseits
aufgrund des Drucks externer Gruppen wie z.B. NGOs
1
, aber
auch, weil Investoren sich zunehmend für die „Corporate Social
Responsibility“
2
eines Unternehmens interessieren.
Nachhaltiges Personalmanagement
„Unter nachhaltigem Personalmanagement werden insbeson-
dere diejenigen Denk- und Handlungsansätze verstanden, wel-
che die langfristige, sozial verantwortliche und wirtschaftlich
zweckmäßige Gewinnung, Entwicklung, Erhaltung und Frei-
stellung von Mitarbeitenden zum Ziel haben.“ (Zaug et al., 2001,
S. 1) Somit spielt in der Entwicklung und Umsetzung von nach-
haltigen Unternehmensmodellen das Personalmanagement ei-
ne Schlüsselrolle (Wirtenberg et al., 2007, S. 8). Die Kernpunkte
und relevanten Aktivitäten des nachhaltigen Personalwesens
lassen sich durch drei übergeordnete Ziele definieren. Diese
umfassen zum einen die Orientierung an nachhaltig geprägten
Werten und die erinnernde und unterstützende Funktion des
Personalmanagements gegenüber dem Vorstand. Wesentlich
hierbei ist die Sicherstellung, dass Nachhaltigkeit als zentrale
Komponente bei der Entwicklung von Unternehmensstrate-
gien einfließt. Auch die Implementierung von Prozessen und
Unternehmensstrukturen, die nachhaltig geprägte Ziele in der
operationalen Umsetzung vereinfachen, sind, neben einem
ganzheitlichen und unternehmensübergreifenden Ansatz, der
verschiedene Interessengruppen integriert (z.B. Prozess zur
Definition von komplementären Zielen, wie die Reduktion von
Produktionsabfall, was Auswirkungen auf finanzrelevante, pla-
nungstechnische und produktionsspezifische Abteilungen hat
und gleichzeitig verschiedene Stakeholder, wie den Gläubiger,
Staat oder auch umweltbewusste Kunden einschließt), als Kern-
Das Nachhaltigkeitskonzept in HR – Im
Rekrutierungsverfahren kaum von Bedeutung
Von
Prof. Dr. Erika Graf
(Frankfurt University of Applied Sciences) und
Thars Selvanathan
(Universitat Politècnica de Catalunya)
kompetenzen eines nachhaltigen Personalmanagements zu ver-
stehen (Wirtenberg et al., 2007). Hierbei ist die Präsenz des
Personalmanagements bei der Sensibilisierung und Vorberei-
tung der Mitarbeiter für ökologische, ökonomische und soziale
Veränderungen von großer Bedeutung (Dubios/Dubios, 2012).
Nachhaltig wirkende Denk- und Handlungsansätze sind im
Human Resources Management heute weder ausreichend un-
tersucht, noch gelangen sie verbreitet zum Einsatz. Vielfach
wird unter nachhaltigem Personalmanagement die Ausrich-
tung der Personalarbeit an langfristigen Zielen verstanden.
Versteht sich das Personalmanagement jedoch als strategischer
Partner der Unternehmensleitung und des Managements und
weniger als eine Administrativfunktion, muss auf die Verän-
derung von externen Rahmenbedingungen reagiert werden
(Weissenrieder, 2010, S. 11).
Dieses weitergehende Verständnis impliziert auch die lang-
fristige Ausrichtung der Personalarbeit, um den Erwartungen
aller internen Stakeholdergruppen (z.B. Mitarbeiter, Eigentü-
mer) und externen Interessengruppen (z.B. Kunden, Gesell-
schaft) des Unternehmens gerecht zu werden.
Abbildung 1 zeigt die Bedeutung des Personalmanagements
für die Umsetzung von nachhaltigen Zielen aus verschiedenen
Perspektiven. Gesamtorganisatorisch nachhaltige Verände-
rungen haben ihren Anfang in der Entwicklung von nachhal-
tigen Visionen und Strategien, die ihren Ursprung in einem
veränderten Denk- und Arbeitsprozess haben. Die veränderte
Haltung wird in erster Linie durch klassische Personalarbeit
wie Trainings, Talent Management und Organisationsentwick-
lung induziert (Dubois/Dubois, 2012).
Die zentrale Position des Personalmanagements kann als
einzige Disziplin Einfluss auf alle Organisationsbereiche und
Mitarbeiter nehmen. Diese Zentralität kann interne und externe
Nachhaltigkeitsstrukturen absichern, indemMitarbeiterengage-
ment gefördert und koordiniert wird, um insbesondere externe
Blockaden mit Stakeholdern zu besprechen und aufzulösen.
Somit erstreckt sich die Reichweite des Personalmanagements
sowohl vertikal in der strategischen Unternehmensausrichtung
als auch horizontal über alle Abteilungen und Funktionen. So
können holistische Entwicklungsprozesse implementiert wer-
den, die insbesondere durch die Rekrutierung von gut aus-
1 NGO = Non-Governmental-Organization = Nichtregierungsorganisation
2 Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen