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          PERSONALquarterly  03/18
        
        
          
            SCHWERPUNKT
          
        
        
          _AGILE UNTERNEHMENSFÜHRUNG
        
        
          W
        
        
          ir leben in einer komplexen Umwelt mit schnel-
        
        
          len und tief greifenden Veränderungen. Ein we-
        
        
          sentlicher Treiber dieser Veränderungen ist die
        
        
          exponentielle technologische Entwicklung. Die
        
        
          berühmte, im Jahr 1965 von Intel-Gründer Gordon Moore aufge-
        
        
          stellte These, dass sich die Leistungsfähigkeit von Siliziumchips
        
        
          alle 18 bis 24 Monate verdoppeln würde, hat sich nicht nur für
        
        
          diese Halbleiter bestätigt (weshalb von Moore‘s Law gesprochen
        
        
          wird), sondern zeigt sich ähnlich auch für Computerleistung,
        
        
          Kommunikationstechnologie, Datenspeicherung und Software.
        
        
          Was ein solches exponentielles Wachstum bedeutet, hat der
        
        
          Google-Futurist Ray Kurzweil sehr anschaulich beschrieben:
        
        
          „Wenn ich 30 Schritte linear mache – 1, 2, 3, 4, 5 und so weiter
        
        
          – bin ich bei 30. Mache ich sie aber exponentiell – 1, 2, 4, 8, 16
        
        
          und so weiter – komme ich auf eine Milliarde.“ Weil sich die
        
        
          technologischen Möglichkeiten exponentiell entwickeln und
        
        
          Gesellschaft wie auch Märkte dem folgen, spricht Kurzweil
        
        
          passend von einem „Zeitalter der Beschleunigung“.
        
        
          Diese Beschleunigung gilt auch für Geschäftsmodelle. Es
        
        
          entstehen in immer kürzeren Abständen neue bzw. optimierte
        
        
          Geschäftsmodelle und die Halbwertzeit von etablierten Ge-
        
        
          schäften reduziert sich (Aronowitz et al., 2015). Die Misser-
        
        
          folgsgeschichten von Kodak, Grundig oder Nokia dürften
        
        
          genauso bekannt sein wie die Erfolgsgeschichten von Apple,
        
        
          Facebook, Netflix, Spotify, Airbnb oder Uber. Basierend auf
        
        
          diesen Erfahrungen von ehemals sehr erfolgreichen Unterneh-
        
        
          men, die trotz hervorragender Marktposition erheblich an Be-
        
        
          deutung verloren, und neuen Wettbewerbern, die bestehende
        
        
          Märkte innerhalb kurzer Zeit tief greifend veränderten, hat
        
        
          sich in den USA folgender Leitspruch etabliert: „Uber yourself
        
        
          before you get Kodak’ed.“
        
        
          Grundsätzlich ist diese Thematik nicht neu, sondern wurde
        
        
          bereits vom österreichischen Nationalökonom Joseph Schum-
        
        
          peter im Jahr 1942 mit dem Ausdruck „schöpferische Zerstö-
        
        
          rung“ beschrieben. In der Wirtschaftsgeschichte gab es immer
        
        
          schon Phasen der Veränderung, in denen bestehende Markt-
        
        
          strukturen zerstört und bisher erfolgreiche Unternehmen von
        
        
          neu geschaffenen Leistungen und neuen Marktteilnehmern
        
        
          verdrängt wurden. Aber die Veränderungsgeschwindigkeit hat
        
        
          sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Mit Blick in die
        
        
          Agile Führung als Antwort auf eine
        
        
          VUCA-Umwelt
        
        
          Von
        
        
          
            Prof. Dr. Thorsten Petry
          
        
        
          kommenden Jahre ist kaum zu prognostizieren, welche tech-
        
        
          nologischen Neuerungen uns wann erwarten. Es dürfte aber
        
        
          ziemlich sicher sein, dass es in absehbarer Zeit weitere dis-
        
        
          ruptive technologische Veränderungen geben wird und diese
        
        
          als Enabler für neue bzw. weiterentwickelte Geschäftsmodelle
        
        
          wirken (Brynjolfsson/McAfee, 2014).
        
        
          
            VUCA-Umwelt erfordert Agilität
          
        
        
          Vor diesem Hintergrund kann die heutige Umweltsituation
        
        
          treffend als VUCA-Umwelt bezeichnet werden. Das ursprüng-
        
        
          lich aus dem amerikanischen Militärjargon stammende und
        
        
          für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity stehende
        
        
          Akronym hat sich in den letzten Jahren in der Management
        
        
          literatur etabliert (Bennett/Lemoine, 2014). Unsere Umwelt ist
        
        
          geprägt von häufigen Veränderungen und sprunghaften Ent-
        
        
          wicklungen (Volatility), wobei kaum vorhersehbar ist, wann
        
        
          welche Veränderungen auftreten (Uncertainty). Gleichzeitig
        
        
          wirken viele bzw. vielfältige Elemente ineinander (Complexity)
        
        
          und Mehrdeutigkeiten bzw. gar Widersprüche – beispielsweise
        
        
          im Umgang mit persönlichen Daten – nehmen zu (Ambiguity).
        
        
          Eine solche VUCA-Umwelt bedeutet insbesondere, dass Ge-
        
        
          schäftsentwicklungen immer weniger vorhersehbar und dem-
        
        
          entsprechend schwieriger planbar werden. Dies erfordert ein
        
        
          flexibles Vorgehen und schnelles (Re-)Agieren. In einem Zeital-
        
        
          ter der Beschleunigung müssen Manager häufig mit mehreren
        
        
          Optionen „jonglieren“ und „auf Sicht fahren“. Ein pragmatisches
        
        
          Ausprobieren und Lernen ist oft – aber natürlich nicht immer
        
        
          – erfolgreicher als detaillierte Analyse und Planung. Führung
        
        
          verlangt demnach immer häufiger danach, zwar eine grundsätz-
        
        
          liche Richtung vorzugeben, aber in Szenarien zu denken, sich
        
        
          mehrere Optionen offenzuhalten, schwache Signale frühzeitig
        
        
          aufzunehmen, mit Lösungsansätzen zu experimentieren und
        
        
          sehr schnell aus den gemachten Erfahrungen – dies beinhaltet
        
        
          ganz bewusst auch Fehler – zu lernen. All dies lässt sich unter
        
        
          dem Oberbegriff agile Führung subsumieren (Petry, 2016).
        
        
          
            Kernaspekte von Agilität
          
        
        
          Der Begriff Agilität steht im Kern zunächst einmal für Anpas-
        
        
          sungsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, sich schnell an Verände-
        
        
          rungen anzupassen – und das nicht nur reaktiv, sondern auch