PERSONALquarterly 3/2018 - page 10

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 03/18
PERSONALquarterly:
Wie hängt Leadership 2020 mit der Unterneh-
mensstrategie zusammen?
Fischer:
Leadership 2020 ist ein fest verankerter Teil der Unter-
nehmensstrategie. Diese baut auf 5 Cs auf:
3
Core: der Fokus auf unser Kerngeschäft
3
CASE: der Fokus auf Zukunftstechnologien in den Bereichen
Connectivity, autonomes Fahren, Shared Ownership, und
Elektrifizierung
3
Culture: eine Veränderung der Führungskultur durch Lea-
dership 2020
3
Company: eine zukunftsorientierte Unternehmensorganisa-
tion mit höherer Transparenz
3
Customer: der Kunde, dessen Begeisterung für unsere Pro-
dukte und Dienstleistungen natürlich der ultimative Quali-
tätsindikator ist
Der Kulturwandel ist also eine wichtige strategische Säule im
Daimler-Konzern.
PERSONALquarterly:
Was ist gemeint mit Agilität als Führungsprin-
zip bei Leadership 2020?
Fischer:
Wir meinen damit einerseits strategische Agilität, also
eine erhöhte Sensibilität für die Veränderlichkeit strategischer
Rahmenbedingungen und Opportunitäten, verbunden mit ho-
her Flexibilität im Einsatz von Aufmerksamkeit und Ressourcen.
Hierbei können Arbeitsmethoden eine wichtige Rolle spielen.
Zusätzlich sehen wir aber auch eine Notwendigkeit darin, Lear-
ning Agility zu fördern. In Kenntnis der eigenen Gewohnheiten
und des eigenen Skill- und Kompetenzprofils wird es darum
gehen, mit Kolleginnen und Kollegen außerhalb der gelernten
Strukturen zu denken und zu arbeiten, bereichs-, hierarchie- und
regionenübergreifend zusammenzuarbeiten – und die Kriterien
für den eigenen Erfolg und Misserfolg in permanenten Innovati-
onszyklen neu zu entwickeln und zu revidieren.
PERSONALquarterly:
Wie geht die gestiegene Bedeutung von Agilität
in die Auswahl und Entwicklung von Führungskräften ein?
Fischer:
Sie spielt in beiden Bereichen eine wichtige Rolle.
Unsere Auswahlprozesse sind im Rahmen eines Best-Fit-An-
satzes entschieden kompetitiver und vor allem transparenter
geworden, und Agilität ist ein wichtiges Such- und Auswahl-
kriterium, natürlich immer mit klarem Bezug auf die jeweilige
Zielfunktion. Entsprechend gibt es Aufgaben, bei denen etwa
das Methodenspektrum eine besonders wichtige Bedeutung
hat, während für andere Aufgaben Learning Agility oder stra-
tegische Agilität wichtiger ist.
PERSONALquarterly:
Gibt es Tools, die den Führungskräften helfen,
Agilität (und andere Führungsprinzipien) im Alltag umzusetzen?
Fischer:
Der Begriff Tool suggeriert einfache technische Lö-
sungen, aber Agilität bedeutet immer auch eine nachhaltige
Änderung von Kultur, Werten, Einstellungen und Verhaltens-
weisen. Natürlich haben wir Bildungsformate zur erfah-
rungsorientierten und inhaltlich profunden Entwicklung
von Kenntnissen agiler Arbeitsmethoden und agiler Organi-
sationsformen. Wir bieten auch strategische Organisations-
entwicklungsbegleitung durch Swarm Coachs an.
PERSONALquarterly:
Wie sind Ihre ersten Erfahrungen? Gibt es
schon Reaktionen der Mitarbeiter und der Führungskräfte
auf Leadership 2020?
Fischer:
Zunächst ist Leadership 2020 ja in sich schon eine
Reaktion der Führungskräfte und Mitarbeiter, denn sie waren
von Beginn an selbst die Autoren der Entwicklung. Man kann
es aber auch ausgewählt an konkreten Zahlen festmachen.
So haben wir 2017 den ersten konzernweiten Massive Open
Online Course – Leadership 2020 Live – durchgeführt. Al-
le Führungskräfte, vom Vorstand bis zum Meister, haben in
einer vier Wochen andauernden globalen, medienbasierten
Diskussion unsere Führungsprinzipien, die Game Changer
und auch die eigenen Veränderungschancen und -herausfor-
derungen erörtert. Die üblichen Grenzen von Geografie, Zeit,
Division, Funktion oder Hierarchie spielten keine Rolle mehr.
Diese Lernformwar demKonzern völlig neu, und sie erforderte
die Nutzung digitaler Technologien und zum Zweck weitge-
hend selbstbestimmten Lernens. Wir hatten mit etwa zehn
Prozent Beteiligung gerechnet. Diese Erwartung wurde um
ein Vielfaches übertroffen, was zeigt, dass es eine sehr brei-
te Unterstützung für Leadership im Unternehmen gibt. Ein
weiterer wichtiger Indikator ist die stetig steigende Anzahl
von Swarms, also temporärer, non-hierarchischer, themenfo-
kussierter Arbeitsformen mit End-to-End-Verantwortung, und
zwar nicht nur in Stabsbereichen, sondern auch in Research &
Development oder in produktionsnahen Bereichen. Dies sind
aus meiner Sicht alles wichtige Indikatoren einer Mindset-Ver-
änderung, denn wir folgen einem viralen Verbreitungsmodus,
keiner klassischen Push- und Rollout-Logik.
PERSONALquarterly:
Welche Barrieren nehmen Sie wahr? Was
bedeutet es für die Führungskräfte, agiler zu werden, und
wollen diese es überhaupt?
Fischer:
Grundsätzlich hat der Exzellenzanspruch im Unter-
nehmen schon immer für Aufgeschlossenheit gegenüber
Neuem gesorgt, in erfolgreichen Zeiten ebenso wie bei
ökonomischen Turbulenzen und in Phasen strategischen
Umbruchs. Wenn etwa agile Arbeitsmethoden zu besseren
Arbeitsergebnissen führen, werden diese auch dankbar
aufgegriffen. Und dass eine erhöhte Wachsamkeit für er-
forderliche Kulturveränderungen besteht, sieht man auch.
Gleichzeitig gibt es eine Skepsis gegenüber Hype-Themen
– und diese Skepsis teilen wir ausdrücklich, denn agile
Arbeitsmethoden sind nicht die Lösung für jedes Problem,
und Schlagworte allein schaffen weder Sicherheit noch
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