PERSONALquarterly 3/2018 - page 12

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PERSONALquarterly 03/18
SCHWERPUNKT
_AGILE UNTERNEHMENSFÜHRUNG
A
gilität gilt aktuell als wesentliche Voraussetzung von
Unternehmen, um sich in einer durch kontinuier-
liche Veränderung und zunehmende Unsicherheit
gekennzeichneten Umwelt behaupten zu können.
Damit steht das Konzept der Agilität in einer langen Tradition
organisationstheoretischer Ansätze zur Flexibilisierung von
Unternehmen. Trotz aller Unschärfe des Begriffs lassen sich
Anpassungsfähigkeit sowie -geschwindigkeit, konsequente
Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen und Flexibilität als
gemeinsame Elemente identifizieren: „Agility can be defined
as the state or quality of being able to move quickly and in an
easy fashion. An agile enterprise can therefore adjust to any
unexpected or sudden changes in the environment both rapidly
and efficiently“ (vgl. Ganguly et al., 2009, S. 410). Wie viele
innovative Organisations- und Führungskonzepte zuvor läuft
auch Agilität Gefahr, zur Managementmode zu verkommen,
wenn eine Reduktion auf einfache Tools oder „Quick Fixes“
(vgl. Briner, 2007) erfolgt. Ziel des vorliegenden Beitrags ist
es zu untersuchen, inwieweit Agilität von Unternehmen durch
nachhaltige Managementpraktiken und/oder die Umsetzung
agiler Tools gekennzeichnet ist.
Managementpraktiken und agile Tools als Einflussfaktoren
agiler Unternehmensführung
Das gegenwärtige Interesse an Agilität resultiert aus zwei un-
terschiedlichen Strömungen. Zum einen haben sich Projektma-
nagementtechniken unter dem Begriff Scrum insbesondere in
der Softwareentwicklung bewährt (vgl. z. B. Beck et al., 2001).
Scrum bildet das Gegenstück zu traditionellen Methoden des
Projektmanagements und lässt sich durch agile Prinzipien
wie iteratives Vorgehen, selbstorganisierte Teams und direkte
Kommunikation kennzeichnen. Neben Scrum haben sich wei-
tere Techniken und Tools, wie z.B. Design Thinking, etabliert,
die in der Praxis auch unter dem Begriff Agilität subsumiert
werden. Dieser techniken- oder toolorientierte Ansatz wurde
in der Folgezeit auf gesamte Unternehmen und die Unterneh-
mensführung übertragen.
Die zweite Strömung fußt auf der organisationstheoretischen
Flexibilisierungstradition und zielt auf die Anpassungsfä-
higkeit der Gesamtorganisation durch fundamentale Verän-
Agile Unternehmensführung – Der Einfluss
von Managementpraktiken und agilen Tools
Von
Prof. Dr. Heiko Weckmüller
(Hochschule Koblenz),
Kai Anderson
(Promerit),
Joachim Rotzinger
(Haufe Group)
derungen von Kultur, Führung und Managementpraktiken.
Entscheidungsspielräume für Mitarbeiter und Teams, weitge-
hende Hierarchiefreiheit sowie umfassende Transparenz sind
Kennzeichen agiler Organisationen. Davon ist die strategische
Führung der Unternehmen ebenso betroffen wie die perso-
nalstrategischen Handlungsfelder. Hier knüpft die personal-
wirtschaftliche Literatur an die Tradition der Forschung zu
Personalpraktiken (High Performance Work Practices), deren
Bündelung (HR Bundles) und Ausrichtung an der spezifischen
Unternehmensstrategie (Best Practice versus Best Fit) zur För-
derung der organisationalen Effektivität an. Dyer und Shafer
(1998) entwickeln in diesem Zusammenhang ein Modell der
agilen Organisation, in dem „agile people“ den Kern der per-
sonalstrategischen Betrachtung ausmachen. Im Fokus stehen
hier umfassende Management- und Personalpraktiken sowie
deren Bündelung, um dadurch nachhaltige Wettbewerbsvor-
teile zu erzielen.
Ausgehend von diesen Überlegungen lassen sich die fol-
genden Hypothesen formulieren:
H1:
Der Einsatz von agilitätsorientierten Managementprak-
tiken erhöht die Einschätzung des Agilitätsgrads der Un-
ternehmen durch die Beschäftigten.
H2:
Der Einsatz von agilen Tools erhöht die Einschätzung des
Agilitätsgrads der Unternehmen durch die Beschäftigten.
Studiendesign und Operationalisierung
Die Ergebnisse basieren auf einer Telefonbefragung, die TNS
Infratest im April und Mai 2017 durchgeführt hat. Befragt wur-
den insgesamt 2.818 Personen, wovon 1.812 Mitarbeiter ohne
Führungsverantwortung und 1.006 Führungskräfte waren.
Die Ergebnisse sind repräsentativ für privatwirtschaftliche
Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern in der Region
DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz). Die Studie baut auf
einer Anfang 2016 durchgeführten Befragung auf. Zielsetzung
der Studie ist es, die Transformation in Richtung agiler Un-
ternehmen im Zeitverlauf nachzuzeichnen und wichtige Ein-
flussfaktoren auf die Agilitätseinschätzung zu identifizieren
(eine detailliertere Darstellung von Studiendesign, Fragebo-
genkonzeption und deskriptiven Ergebnissen findet sich in
Weckmüller et al., 2017).
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