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03/18 PERSONALquarterly
PERSONALquarterly:
Herr Fischer, Sie leiten mit der Daimler Cor-
porate Academy eine der größten innerbetrieblichen Schulungs-
und Fortbildungsinstitutionen. In Ihrem Unternehmen entsteht
mit der Initiative Leadership 2020 eine neue, moderne Füh-
rungskultur. Welche Rolle kommt dabei der Daimler Corporate
Academy zu?
Dr. Oliver Fischer:
Grundsätzlich sind wir dafür verantwortlich,
dass sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die
Teams weiterbilden und weiterentwickeln. Wir unterstützen
Kolleginnen und Kollegen in ihrer persönlichen und fachlichen
Entwicklung in Deutschland und weltweit. Im Jahr 2017 haben
63.000 Fach- und Führungskräfte das umfangreiche Angebot
der Daimler Corporate Academy wahrgenommen.
Gerade in Zeiten der Digitalisierung mit schnellen Techno-
logiesprüngen sind wir besonders gefordert. Denn Qualifizie-
rung, Aus- und Weiterbildung sind entscheidende Schlüssel zur
Gestaltung der digitalen Transformation. Die Kenntnisse und
Fähigkeiten unserer Kolleginnen und Kollegen sichern unseren
Unternehmenserfolg. Dafür schaffen wir bei der Daimler Corpo-
rate Academy die Rahmenbedingungen und die Systeme, die zu
unserer neuen Arbeitswelt passen, den Teamerfolg stärker in
den Mittelpunkt rücken und jeden Einzelnen gezielt weiterent-
wickeln. Das gilt natürlich auch für unsere neue Führungskultur
Leadership 2020.
PERSONALquarterly:
Was sind die Kernelemente von Leadership
2020?
Fischer:
Leadership 2020 ist eine Transformation der Führungs-
kultur des Daimler-Konzerns. Wichtige Kernelemente sind da-
bei Ziel, Prozess, Inhalte und die Integrität der Initiative. Sie
muss sich an den eigenen Ansprüchen messen lassen. Das Ziel
ist es, die Führungskultur des Konzerns aus sich selbst heraus
zu erneuern, sodass Daimler die Zukunft der Mobilität weiter
von der Spitze her gestaltet. Anstelle einer konventionellen
Top-down-Logik folgt der Prozess von Leadership 2020 einem
Bottom-up-Ansatz mit viralen Verbreitungsmechanismen und
hoher Partizipation.
Dazu hatte im ersten Schritt ab Anfang 2016 eine interna-
tional zusammengesetzte Gruppe von 144 Kolleginnen und
Kollegen aller Hierarchiestufen und Altersgruppen neue Füh-
Leadership 2020 – Agilität als Führungsprinzip
bei Daimler
Das Interview mit
Dr. Oliver Fischer
führte
Prof. Dr. Torsten Biemann
rungsprinzipien und ein neues Führungsleitbild entwickelt.
Das wurde dann im nächsten Schritt mit dem Vorstand be-
sprochen. Einige dieser neuen Führungsthemen orientieren
sich an Personalthemen, wie etwa eine Stärkung der Feed-
backkultur durch multiperspektivische Rückmeldeprozesse,
neue Karrierepfade oder unterjährig rollierende Zielverein-
barungs- und -justierungsprozesse. Andere sind deutlich
stärker an der Organisation insgesamt orientiert. Hier lässt
sich die Förderung digitaler Transformationsprozesse oder
die Schaffung von Rahmenbedingungen agiler Arbeits- und
Organisationsformen nennen.
PERSONALquarterly:
Was sind die größten Veränderungen ver
glichen mit der vorherigen Führungskultur?
Fischer:
Das spielt sich auf sehr vielen Ebenen ab. Wichtige An-
sätze sind sicherlich, dass eine zukunftsfähige Unternehmens-
kultur die Initiative des Einzelnen stärker in den Vordergrund
rückt. Innovation und Gründergeist müssen noch gezielter
gefördert werden. Und wir müssen unsere eigenen Geschäfts-
logiken – auch, wenn sie jahrzehntelang erfolgreich waren –
hinterfragen.
Dafür werden Experimente – im richtigen Kontext – möglich,
Entscheidungswege werden kürzer, Rückmeldebeziehungen
offener und direkter, hierarchische Ordnungen werden fluider
und durchlässiger und weichen bei Bedarf fachlichen Belan-
gen. Bei diesen Veränderungen spielenMethodenkompetenzen
wie agile Arbeitsmethoden und auch Systeme eine unterstüt-
zende Rolle. Sie werden aber nicht zum Selbstzweck.
PERSONALquarterly:
Was sind die wichtigsten Gründe für diese Ver-
änderungen und warum werden sie gerade zu diesem Zeitpunkt
angestoßen?
Fischer:
Daimler ist als Konzern in allen Bereichen des Kernge-
schäfts stark positioniert und dabei gleichzeitig hoch innova-
tiv. Bei Leadership 2020 geht es darum, eine Führungskultur
zu fördern, die die proaktive Gestaltung einer volatileren
und weniger vorhersagbaren Zukunft aus einer Position der
Stärke heraus erleichtert, damit nicht unter plötzlich einset-
zendem Marktdruck alte Reflexe dominieren und eine Verän-
derung erschweren.