PERSONALquarterly 3/2018 - page 15

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03/18 PERSONALquarterly
Die eingesetzten Managementpraktiken (MP) als erklä-
rende Variablen sind durch zwei strategieorientierte Fragen
bezüglich des Anpassungsverhaltens der Zielsysteme („Wir
arbeiten mit unterjährigen Zwischenzielen, die kontinuierlich
hinterfragt und angepasst werden.“) und der Veränderungs-
fähigkeit der Strategie erfasst. Als eher personalpolitische
Managementpraktiken wurden Mitgestaltungsmöglich-
keiten, Fehlerkultur, Vertrauenskultur und Entscheidungs-
spielräume berücksichtigt. Agilität ist ein relativ junges
Forschungsobjekt. Insofern ist nicht a priori klar, ob die
Managementpraktiken agile Unternehmensführung umfas-
send abbilden. Ergänzend wurde deshalb eine Frage nach
der übergreifenden Führungskultur ausgewertet. Bezüglich
der Führungskultur (FK) sollten die Befragten zwischen drei
Modellen auswählen: einem hierarchisch-autoritären Modell,
einem nicht hierarchisch partizipativem Modell oder einem
agilen Modell, welches durch weitgehende Hierarchiefreiheit
und Arbeiten in agilen Netzwerken charakterisiert ist. Agile
Techniken (AT) wurden mithilfe ihrer Verbreitung bei den
Mitarbeitern operationalisiert, wobei unterstützend bei der
Befragung agile Methoden als „Scrum, Design Thinking oder
Ähnliches“ beschrieben wurden.
Um die Befragungsdauer akzeptabel zu gestalten, sollte
die Anzahl an Kontrollvariablen gering gehalten werden. Da-
zu wurde beispielsweise die zentrale abhängige Variable zur
Agilitätseinschätzung des eigenen Unternehmens mit Bezug
zum Branchenwettbewerb formuliert („Für wie agil halten
Sie Ihr Unternehmen im Vergleich zu den wichtigsten Wett-
bewerbern?“). Erwartungsgemäß zeigen sich deshalb keine
substanziellen Unterschiede der Agilitätseinschätzung im
Branchenvergleich. Auch die Unternehmensgröße bleibt bei
den folgenden Regressionen insignifikant. Der Beschäftigten-
status wurde als Kontrollvariable aufgenommen, da Führungs-
kräfte fast durchgängig ein anderes Antwortverhalten zeigen
als Beschäftigte ohne Führungsverantwortung. Zudem wurde
als Kontrollvariable erfasst, ob sich das Unternehmen aktuell
im Wandel befindet.
Deskriptive Befunde
Die verwendeten Variablen und deren Ausprägungen (Fallzahl
N, Mittelwert MW, Standardabweichung SW, Unterschied der
Mittelwerte zwischen Führungskräften undMitarbeitern
MW
– positive Werte zeigen höhere Ausprägung bei Führungskräf-
ten –) sowie die Korrelationen sind in Abbildung 1 dargestellt.
Die Abweichung der angegebenen Fallzahlen zur Gesamt-
zahl der Befragten ergibt sich in der Regel nicht aus einer Ant-
wortverweigerung. Vielmehr trauen sich die Befragten keine
eigenständige Einschätzung zu. Dies betrifft insbesondere
den Nutzungsgrad agiler Methoden im Unternehmen. Um
daraus möglicherweise resultierende Ergebnisverzerrungen
zu vermeiden, erfolgt eine hierarchische Datenauswertung,
bei der zunächst der Einfluss der Managementpraktiken und
der Führungskultur und anschließend der Effekt der agilen
Techniken überprüft wird. Die Einschätzung der Agilität des
Unternehmens weist einen Mittelwert von 2,79 auf. Wegen
der spezifischen Formulierung der Frage mit Bezug zum
Wettbewerb wäre bei einer repräsentativen Befragung ein
Mittelwert von 2,5 zu erwarten gewesen. Die Verzerrung re-
sultiert weitgehend aus dem überdurchschnittlich positiven
Antwortverhalten der Führungskräfte, das sich durchgängig
bei allen Fragen zeigt. 18% der Befragten arbeiten aus ihrer
Sicht bereits in einer agilen Führungskultur und mehr als
zwei Drittel sehen ihr Unternehmen aktuell in einem Verän-
derungsprozess.
Ergebnisse des Hypothesentests
Die Ergebnisse desHypothesentests sind inAbbildung 2 zusam-
mengefasst. Modell 1 zeigt den Zusammenhang zwischen den
Managementpraktiken und der Agilitätseinschätzung, in Mo-
dell 2 ist die Einschätzung der Führungskultur integriert und
Modell 3 ist um den Nutzungsgrad agiler Methoden ergänzt.
Dargestellt sind die standardisierten Regressionskoeffizienten
(Beta) und die statistische Signifikanz (Irrtumswahrscheinlich-
keit, p-Wert).
Hypothese 1 wird bestätigt. Die Managementpraktiken zei-
gen einen deutlichen Zusammenhang mit der Agilitätsein-
schätzung und liefern einen substanziellen Erklärungsbeitrag
(korr. R
2
= 0,334). Dabei weist die Veränderungsfähigkeit
der Strategie den größten Einfluss auf (Beta=0,31), bei den
beschäftigtenbezogenen Praktiken sind dies die Entschei-
dungsspielräume der Mitarbeiter (Beta=0,20). Der zusätzliche
Erklärungsbeitrag einer agilen Führungskultur ist gering (Ver-
änderung des R
2
um 0,01 im Modell 2). Der konkrete Einsatz
agiler Methoden und Tools (Modell 3) wiederum ist positiv
mit der Agilitätseinschätzung verbunden (Veränderung des
R
2
um 0,06 zwischen Modell 1 und 3). Hypothese 2 ist somit
ebenfalls bestätigt. Trotz der Reduktion der Fallzahl in Modell
3 verändern sich die Ergebnisse für die weiteren Variablen
kaum, sodass die dargestellten Zusammenhänge bezüglich der
Missings durch fehlende subjektive Beurteilungsfähigkeit als
robust gelten können.
Interpretation und Handlungsempfehlungen
Die Beschäftigten der Unternehmen liefern eine differenzierte
Einschätzung der Agilität ihrer Unternehmen imWettbewerbs-
vergleich. Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung sind in
ihrer Einschätzung tendenziell realistischer als die Führungs-
kräfte, sowohl bezüglich der Agilitätseinschätzung als auch
bezüglich des Umsetzungsstands agiler Managementpraktiken
und des Nutzungsgrads von Agilitätstools (siehe Mittelwert­
unterschiede zwischen Führungskräften und Mitarbeitern
ohne Führungsverantwortung in Abbildung 1). Unternehmen
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