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PERSONALquarterly 03/18
SCHWERPUNKT
_AGILE UNTERNEHMENSFÜHRUNG
sind deshalb gut beraten, die Rückmeldungen der Belegschaft
beispielsweise im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen kri-
tisch zu evaluieren. Managementpraktiken und der Einsatz
agiler Methoden und Tools liefern zusammen eine gute Erklä-
rung der Agilitätseinschätzung der Unternehmen durch die
Beschäftigten (korr. R
2
= 0,394). Die standardisierten Regressi-
onskoeffizienten „Beta“ lassen sich inhaltlich als Effektstärken
interpretieren und sind miteinander vergleichbar. Die Manage-
mentpraktiken weisen einen höheren Erklärungsbeitrag auf
als der Nutzungsgrad agiler Tools. Agile Unternehmensfüh-
rung im Sinne der Anpassungsfähigkeit an sich verändernde
Umweltbedingungen muss somit tiefer in den Systemen und
Praktiken verankert sein und entsteht nicht primär durch den
Einsatz von agilen Tools. Innerhalb der Managementpraktiken
wiederum weist die Anpassungsfähigkeit der Strategie den
größten Zusammenhang zur Agilitätseinschätzung auf. Aber
auch die direkt personalbezogenen Praktiken wie die Schaf-
fung von Entscheidungsspielräumen sind bedeutsam für die
Agilitätseinschätzung. Unternehmen sollten deshalb Agilität
ganzheitlich im Zusammenspiel zwischen Personalbereich
und Unternehmensleitung angehen. Die Korrelation zwischen
den Personalpraktiken ist durchgängig signifikant positiv bei
mittlerer bis hoher Ausprägung des Zusammenhangs (siehe
Abbildung 1). Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen eine
Bündelung der Personalpraktiken vornehmen und nicht etwa
agile Einzelstrategien.
Einschränkungen der Aussagekraft
Insgesamt liefern die vorgestellten Ergebnisse einen guten
Einblick in die Treiber agiler Unternehmensführung auf Basis
einer repräsentativen Beschäftigtenbefragung, die allerdings
methodisch bedingte Begrenzungen aufweist. Zunächst han-
delt es sich bei Befragungen immer umQuerschnittsdaten, so-
dass eine kausale Interpretation der Zusammenhänge alleine
auf Basis der Daten nicht möglich ist. Zudem stammen alle un-
tersuchten Variablen aus der gleichen Datenquelle (common
method bias), wodurch die Effektstärken tendenziell über-
schätzt werden (Podsakoff et al., 2003). Da dies vermutlich
alle Fragen in ähnlicher Weise betrifft, dürften zumindest die
relativen Vergleiche der Einflussgrößen davon nicht betrof-
fen sein. Um den Befragungsaufwand zeitlich zu begrenzen,
wurden formative Konstrukte und Single Items herangezo-
gen, die nicht umfänglich wissenschaftlich validiert, aber
im Rahmen der Vorgängerstudie oder in Form von Pretests
überprüft sind. Generell ist aus anderen Forschungsgebieten
bekannt, dass die Aussagekraft von Kurzskalen oder Single
Items nicht geringer sein muss (z.B. Gardner et al., 1998) und
formative Konstrukte durchaus eine hohe Validität aufweisen
können (ausführlicher Weckmüller/Schwarz, 2017). Lineare
Regressionen setzen u.a. metrisches Skalenniveau und Nor-
malverteilung der Variablen voraus, wobei die Ergebnisse
allerdings relativ unempfindlich auf kleinere Verletzungen
reagieren (Backhaus et al., 2016, S. 111). Für die abhängige
Variable wurde dennoch ergänzend eine Probitschätzung
durchgeführt (überdurchschnittlich agil und etwas agiler =1),
wobei die in Abbildung 2 dargestellten zentralen Ergebnisse
bezüglich Effektstärke und Signifikanz unverändert bleiben.