PERSONALquarterly 2/2017 - page 55

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fen, wenn man die Entstehung von Führung betrachtet. In einer
Studie von Brunell und Kollegen (2008) wurden Studierende in
Diskussionsgruppen eingeteilt und es wurde untersucht, wel-
che Personen die Führungsrolle übernehmen. Erwartungsge-
mäß war Narzissmus prädiktiv: Narzissten ergriffen häufiger
die Führung – und zwar sowohl laut Selbsteinschätzung als
auch laut Einschätzung der anderen Gruppenmitglieder. Zu-
demwar Narzissmus anderen Prädiktoren wie Geschlecht oder
Selbstwertgefühl überlegen. In einer weiteren Studie mit Ma-
nagern ergab sich dasselbe Bild. Die besonders narzisstischen
Manager entwickelten sich in Gruppendiskussionen häufiger
zur Führungsperson, in diesem Fall nach Einschätzung von
externen Experten.
Eine Metaanalyse fasste die bisherige Forschung kürzlich
zusammen. Grijalva und Kollegen (2015) fanden bei 18 Stich-
proben und über 3.100 Versuchspersonen einen Gesamtzusam-
menhang zwischen Narzissmus und Leadership Emergence
von r = .12 (siehe Abb. 2). Für diesen Zusammenhang machen
die Autoren vor allem die Verbindung von Narzissmus zu Ext­
raversion verantwortlich. Gleichzeitig identifizierte diese Me-
taanalyse eine wichtige Einschränkung: Der Zusammenhang
zwischen Narzissmus und Leadership Emergence war stärker,
wenn sich die Mitglieder des Arbeitsteams erst neu kennen-
lernten. Auch Ong und Kollegen (2016) fanden einen positiven
Zusammenhang zwischen Narzissmus und Führungspotenzial
vorrangig bei einander unbekannten Personen, und auch nur
zu Beginn einer gemeinsamen Arbeitsbeziehung. Sobald die
Personen sich länger kannten oder länger miteinander arbei-
teten, war Narzissmus teils sogar mit weniger Führungsüber-
nahme verbunden. Für die Unternehmenspraxis bedeutet das:
Narzissten gelingt es vor allem auf den ersten Blick, andere
von ihrem vermeintlichen Führungspotenzial zu überzeugen.
Führen Narzissten erfolgreicher?
Da Narzissten besonders häufig Führungspositionen errei-
chen, ist die zweite wichtige Frage: Sind Narzissten denn
auch besonders erfolgreich im Führen? Eine klare Hypothese
fällt hierbei schwer. Schließlich geht Narzissmus mit Verhal-
tensweisen einher, die Führungserfolg potenziell sowohl be-
günstigen als auch gefährden (siehe Abb. 1). Die erwähnte
Metaanalyse von Grijalva und Kollegen (2015) hat sich auch
dieser Frage angenommen und 26 Stichproben mit über 4.100
Personen zusammengefasst. Insgesamt ergab sich dabei ein
Null-Zusammenhang zwischen Narzissmus und Führungs­
erfolg (r = .02): Narzissten führen demnach nicht erfolgreicher
(aber auch nicht weniger erfolgreich) als Nicht-Narzissten.
Dieses Ergebnis gilt mit zwei wichtigen Einschränkungen.
Erstens kommt es darauf an, wer den Führungserfolg beurteilt.
Es verwundert wenig, dass die narzisstischen Führungskräfte
laut Selbsteinschätzung sehr wohl besonders erfolgreich wa-
ren. Und auch in der Einschätzung durch die Mitarbeiter ergab
sich ein leicht positiver Zusammenhang zwischen Narzissmus
und Führungserfolg. Bei unvoreingenommenen Beurteilern
zeigte sich dagegen der besagte Null-Effekt (siehe Abb. 2).
Zweitens konnten die Autoren der Metaanalyse einen kleinen,
umgekehrt u-förmigen Effekt identifizieren (mittlere quadra-
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 1:
Was macht Narzissmus aus? Typische narzisstische Motive, Ziele und Verhaltensweisen
Motive
Ziele
Verhaltensweisen
• Selbstaufwertung (grandioses
Selbstbild und Überschätzung
der eigenen Fähigkeiten und
Kompetenzen)
• Fremdabwertung (niedriges
Fremdbild und Geringschätzung
der Fähigkeiten und Kompe-
tenzen anderer)
• Hohes Selbstwertgefühl
• Macht und Kontrolle über
andere
• Bewunderung durch andere
• Hoher gesellschaftlicher Status
• Befriedigung des eigenen
Anspruchsdenkens
• Einzigartigkeit
• Materieller Reichtum
• Potenziell führungsförderlich
- Hohe Extraversion (Geselligkeit)
- Charismatisches Auftreten, besonders auf den ersten Blick
- Selbstsicherheit auch in unsicheren Kontexten
- Große Tatkraft und Energiegeladenheit
- Leichtigkeit beim Schließen neuer sozialer Kontakte
- Starkes Streben nach Erfolgen
• Potenziell führungsneutral
- Dominantes Auftreten
- Hohe Risikobereitschaft
- Bereitwilligkeit, im gesellschaftlichen Rampenlicht zu stehen
• Potenziell führungsgefährdend
- Arrogantes, abschätziges Auftreten
- Geringe Kritikfähigkeit
- Harsche Reaktionen auf Kritik, bis hin zu offener Aggressivität
- Egoistisches, rücksichtsloses Handeln, was auf den eigenen Vorteil bedacht ist
- Unvermögen, enge und vertrauensvolle zwischenmenschliche Beziehungen aufrechtzuerhalten
- Geringes Streben danach, Misserfolge oder Fehler zu vermeiden
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