60
ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 02/17
W
eniger ist mehr – das gilt auch bei der Personal-
auswahl. Die Frage, welche Informationsquellen
bei Einstellungsentscheidungen zur Verfügung
stehen sollten und welche nicht, beantworten die
Ergebnisse der Studie von Kausel und Kollegen. Die Empfeh-
lung, ausschließlich Methoden zu nutzen, für die Meta-Analy-
sen hohe Korrelationen mit der tatsächlichen Job Performance
von Bewerbern nach Einstellung ergeben haben, mag zwar
trivial klingen. Studien zur Research-Practice-Gap im HR-Be-
reich zeigen jedoch, dass bspw. Intelligenztests zu wenig und
unstrukturierten Interviews zu viel Vorhersagekraft für die
spätere Job Performance zugetraut wird. Noch gravierender ist,
dass selbst dann, wenn hochvalide Informationen zur Verfü-
gung stehen, eine geringe Treffsicherheit von Entscheidern in
Verbindung mit (übermäßigem) Vertrauen in die eigene Treff-
sicherheit resultieren kann – nämlich wenn zusätzlich wenig
valide Informationen zur Verfügung stehen. Nicht das Mehr
an Informationen (kognitive Überbeanspruchung) ist dabei
entscheidend, sondern dass Informationen mit hoher Vorher-
sagekraft zu wenig und solchen mit niedriger Vorhersagekraft
zu viel Gewicht bei der Entscheidungsfindung zugeschrieben
wird. Dies fanden Kausel und Kollegen mittels experimenteller
Studien heraus: In Einstellungsentscheidungen erfahrene Ver-
suchspersonen bewerteten jeweils mehrere Paare von realen
Bewerbern einer Airline für eine Position als Ticketverkäufer,
deren Job Performance durch den Vorgesetzten drei Monate
nach Einstellung evaluiert wurde. Manipuliert wurde, welche
Informationen zusätzlich zur Verfügung stehen: Informationen
mit hoher (Test-Scores zu den allgemeinen geistigen Fähigkei-
ten sowie der Gewissenhaftigkeit eines Bewerbers) vs. nied-
riger Vorhersagekraft (Rating auf Basis eines unstrukturierten
Interviews). Die Befunde legen nahe, im Zweifelsfall gänzlich
auf Methoden zu verzichten, die wenig Vorhersagekraft haben.
Das Mehr an Information mag zwar das Vertrauen in die eigene
Treffsicherheit positiv beeinflussen – es ist aber ein übermä-
ßiges Vertrauen (overconfidence bias): Die spätere Job Perfor-
mance wird häufiger überbewertet (höhere Gehälter) und/oder
Einstellungsrunden werden zu früh abgebrochen.
Besprochen von
Benjamin P. Krebs
, Lehrstuhl International
Business, Universität Paderborn
Weniger ist mehr
Edgar E. Kausel
(Universidad de Chile),
Satoris S. Culbertson
(University of Portland) &
Hector P. Madrid
(Universidad de
Chile): Overconfidence in personnel selection: When and why
unstructured interview information can hurt hiring decisions.
Organizational Behavior & Human Decision Processes, Vol. 137,
pp. 27-44.
E
ine transparente Informationspolitik und offene
Kommunikation innerhalb von Unternehmen wer-
den meist mit höherer Mitarbeitermotivation und
Unternehmenserfolgen assoziiert. Während die Kom-
munikation erfreulicher Unternehmensentwicklungen einen
positiven Einfluss auf die allgemeine Arbeitshaltung der Mit-
arbeiter hat, ist unklar, wie sich unerfreuliche Nachrichten auf
die Arbeitsmotivation der Betroffenen auswirken.
Die Frage, ob es für Unternehmen vorteilhaft ist, auch
schlechte Nachrichten zu kommunizieren oder ob diese bes-
ser zurückgehalten werden sollten, untersuchten die Wissen-
schaftler in einem Feldexperiment. Mitarbeiter bekamen eine
Aufgabe. Die Wissenschaftler variierten anschließend die Be-
deutung der Aufgabe für das Unternehmen und erfassten die
Leistung derselben Mitarbeiter in einer zweiten Aufgabe.
Die erste Aufgabe bestand darin, Business-Reports für ein
Unternehmensarchiv zu inventarisieren. Kurz nach Abschluss
der Arbeiten beschloss der Archivdirektor wegen der vollstän-
digen Online-Verfügbarkeit aller Reports, das Archiv aufzu-
lösen. Während die Kontrollgruppe nicht davon erfuhr, wurde
der zweiten Gruppe mitgeteilt, dass ihre Arbeit größtenteils
vergebens war. Bei der dritten Gruppe wurde die Bedeutung
verändert, d.h. sie wurde darüber informiert, dass das Archiv
zwar aufgelöst werde, aber die während ihrer Arbeit gesammel-
ten Daten wissenschaftlich von Bedeutung seien. Die Forscher
erfassten anschließend die Produktivität der Mitarbeiter in ei-
ner zweiten unabhängigen Arbeitsaufgabe.
Das Ergebnis: Diejenigen Mitarbeiter, die über den Be-
deutungsverlust ihrer Aufgabe informiert wurden, brachen
anschließend in ihrer Arbeitsleistung stark ein. Allerdings
konnte dieser negative Effekt durch eine glaubhafte alterna-
tive Bedeutung komplett kompensiert werden. Die Forscher
ziehen daraus den Schluss, dass Vorgesetzte sorgfältig abwä-
gen sollten, wie sie Informationen über die Bedeutung bereits
abgeschlossener Aufgaben an die Mitarbeiter kommunizieren.
Sollte sich diese im Nachhinein als hinfällig erweisen, emp-
fehlen sie möglichst eine alternative Bedeutung zu finden, um
negative Effekte auf die Mitarbeitermotivation zu verhindern.
Besprochen von
Katharina Laske
, Seminar für ABWL und
Personalwirtschaftslehre, Universität zu Köln
Die Bedeutung der Arbeit
Adrian Chadi
&
Sabrina Jeworrek
(Institute for Labour Law and
Industrial Relations in the European Union, Trier University) und
Vanessa Mertins
(University of Vechta): When the Meaning of
Work has Disappeared: Experimental Evidence on Employees’
Performance and Emotions. Management Science, forthcoming