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SERVICE
_FORSCHERPORTRÄT
PERSONALquarterly 02 /17
Als Grenzgängerin unterwegs
Professorin Yasmin Mei-Yee Weiß will Wissenschaft mit Wirtschaft und Politik verei-
nen. Denn für die Personalmanagerin und -forscherin gelingt Zukunft nur gemeinsam.
Ruth Lemmer,
Freie Wirtschaftsjournalistin, Düsseldorf
I
nterdisziplinär. Divers. Innovativ. Diese drei Stichwörter
begleiten Yasmin Mei-Yee Weiß als Personalmanagerin
und Aufsichtsrätin, als Forscherin und Hochschullehre-
rin, als Förderin deutsch-chinesischer Beziehungen und
Politikberaterin. Die 38-Jährige pendelt zwischen Nürnberg,
München und Berlin. In der fränkischen Großstadt lehrt die
Professorin seit 2011 Personal und Organisation an der Tech-
nischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und bringt
seit 2013 ihr Wissen in den Aufsichtsrat des Leistungselekt
ronikherstellers Semikron International ein, dessen Elekt
ronikkomponenten und -systeme in Nutzfahrzeugen wie in
Windrädern stecken. In München ist sie Geschäftsführende
Direktorin und Gesellschafterin des von ihr gegründeten Ins
tituts für deutsch-chinesische Zusammenarbeit (IDCZ). Und
in der Hauptstadt vertritt sie an der Technischen Universität
Berlin seit 2015 als Visiting Professor das Lehrgebiet Diversity
Management. Außerdem hat Weiß imRegierungsviertel zu tun:
2014 berief der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel
sie wegen ihres internationalen Know-hows in den Außenwirt-
schaftsbeirat und Bundeskanzlerin Angela Merkel holte die
vielseitige Betriebswirtin in den Innovationssteuerkreis der
Bundesregierung.
Professorin Weiß nennt sich selbst eine „Grenzgängerin
zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“. Sie arbeitet
kontinuierlich und mit Power daran, den Wissenstransfer zwi-
schen diesen zu oft kontaktarm nebeneinander existierenden
Bereichen zu fördern. „Meine Karriere ist kein Unfall“, scherzt
Yasmin Mei-Yee Weiß und erklärt: „Ich bin ganz bewusst nicht
sequenziell, sondern parallel in den drei Sektoren unterwegs.“
Die schnelle Denkerin und lebhafte Rednerin wuchs in einem
Bonner Akademikerhaushalt mit chinesischer Mutter, deut-
schem Vater und zwei Geschwistern auf. Nach dem Abitur
entschied sie sich für ein Betriebswirtschaftsstudium an der
Katholischen Universität Eichstätt, wo sie nach einem lehr-
reichen Ausflug an die Ecole Supérieure de Commerce in Niz-
za ihr Wirtschaftsdiplom machte. Schon damals faszinierten
die Studentin zukunftsorientierte Personalthemen. 2004 pro-
movierte Yasmin Weiß – damals noch unter ihrem Geburts
familiennamen Fargel – über das strategische Placement von
Mitarbeitern.
Wenn die 38-Jährige heute auf ihre Dissertation zurückblickt,
dann kann sie an ihrer Arbeit und ihren späteren Forschungs-
projekten genau ablesen, wie stark die Dynamik von Perso-
nalthemen zugenommen hat. „Der rote Faden ist geblieben“,
sagt die Professorin. „Aber die digitale Transformation bringt
für Personalmanager und Personalforscher revolutionäre Brü-
che. Die Dynamik und Komplexität der Veränderungen haben
erheblich zugenommen.“ Im Mittelpunkt der Personalarbeit
steht heute die Frage, wie Belegschaften proaktiv auf die Ver-
änderungen, etwa neue Kompetenzanforderungen im Zuge der
Digitalisierung, vorbereitet werden können.
Die Verschiebung begann schon, als Yasmin Weiß beim
internationalen Management-Beratungsunternehmen Ac-
centure personalstrategische Projekte voranbrachte. Dem
zukunftsorientierten Strategiethema blieb sie 2006 auch
beim Energieversorger Eon treu – und nahm ihre zielgerich-
teten Personalentwicklungsideen und -konzepte mit zur BMW
Group. Acht Jahre lang bis Anfang 2014 übernahm Weiß bei
demMünchener Autobauer Positionen in der Personalstrategie
und -politik, in der strategischen Personalentwicklung sowie
im Personalmanagement für BMW China. Ihre Veröffentli-
chungen zeigen, dass sie ihren Bezug zur wissenschaftlichen
Theorie während des Eintauchens in die Praxis durchgehend
behielt: Ob Talente managen oder Mitarbeiter binden, Netz-
werke knüpfen oder Projektteams erfolgreich führen – Yasmin
Mei-Yee Weiß brachte den BMW-Kollegen und Lesern außer-
halb des Unternehmens die chinesische Arbeitskultur nahe.
Ihr Fokus lag auf der Optimierung der Führungsarbeit und der
Förderung der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit.
Kompetenzmonitoring für junge Talente
Gleichzeitig – und seit der Übernahme der Professur in
Nürnberg – beschäftigte sich die Wissenschaftlerin mit dem
Mismatch zwischen Arbeitskräfteangebot und dem Mitarbei-
terbedarf von Unternehmen in Deutschland. Denn gefragt sind
schon jetzt und erst recht in den kommenden Jahren digitale
Talente und Digital Leaders. Von einer genügend großen An-
zahl technologie-infizierter Mitarbeiter hängt der Erfolg der
deutschen Wirtschaft ab. In der Studie „Zukunft der Arbeit
im Zuge der digitalen Transformation“ entwarf das Team um