PERSONALquarterly 2/2017 - page 49

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02/17 PERSONALquarterly
Aus Arbeitgebersicht ist besonders interessant zu erfahren,
ob die Tatsache, dass ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte
überhaupt an Weiterbildung teilgenommen hat, die Bindung
erhöht. Erwartet werden kann, dass die Bindung tendenziell
durch die Weiterbildung gestärkt wird, da der Nutzen, wie
erwähnt, im Bereich der spezifischen Weiterbildung am höchs­
ten war. Allerdings ist ein Effekt auf die kalkulative Bindung
unklar, weil die Weiterbildung die Chancen der teilnehmenden
Beschäftigten auf dem externen Arbeitsmarkt erhöht. Effekte
des sozialen Tauschs dürften jedoch die affektive Bindung
(Hypothese 4b) und die normative Bindung (Hypothese 4c)
erhöhen. Diese Frage kann durch einen Vergleich zwischen
den Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden beantwortet
werden. Allerdings ist dabei der reine Bindungseffekt von
einem Selektionseffekt zu unterscheiden. Der Selektionseffekt
besteht darin, dass Beschäftigte, die an der Weiterbildung teil­
nehmen, durch Merkmale charakterisiert sind, die auch etwas
mit der Bindung zu tun haben. Vor allem ist es wahrscheinlich,
dass sich Beschäftigte, die sich für den externen Arbeitsmarkt
qualifizieren möchten, umWeiterbildung bemühen. Dieser Se­
lektionseffekt dürfte dafür sorgen, dass ein möglicher positiver
Effekt der Weiterbildungserfahrung – der reine Bindungsef­
fekt – unterschätzt wird. Warum aber sollte es einen reinen
Bindungseffekt geben? Die affektive und normative Facette
dürften steigen, da die Beschäftigten das großzügige Quali­
fizierungsprogramm als organisationale Unterstützung und
als Erfüllung des psychologischen Vertrags wahrnehmen. Der
reine Bindungseffekt wird allerdings nur dann sichtbar, wenn
der Selektionseffekt kontrolliert wird.
Ablauf und Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung
Die Hypothesen wurden mithilfe einer schriftlichen Beschäf­
tigtenbefragung beantwortet. Das Industrieunternehmen, das
in der Krise in den Jahren 2008/2009 Kurzarbeit mit Qualifi­
zierungsmaßnahmen kombinierte, bot 230 Schulungsmodule
an, die ein breites Spektrum an Qualifizierungsthemen ab­
deckten (z.B. Fremdsprachen, MS Office, Recht, Schweißen,
Führung und Kommunikation, betriebswirtschaftliche The­
men). Die Schulungen wurden im Sinne der Richtlinien zu den
Fördersätzen von der lokalen Agentur für Arbeit als allgemein
zertifiziert, allerdings hausintern und anhand unternehmens­
naher Beispiele vermittelt.
Die Befragung fand im Herbst 2010 statt, nach Abschluss
des Qualifizierungsprogramms. Von den an drei Standorten
tätigen 2.084 Beschäftigten eines Geschäftsbereichs wurden
800 (von denen die Hälfte an einer Weiterbildung teilgenom­
men hatte) für eine schriftliche Befragung ausgewählt. Von
ihnen sandten 358 Beschäftigte einen verwertbaren Fragebo­
gen zurück. Unter diesen haben 220 an Qualifizierungsmaß­
nahmen teilgenommen. Die Facetten der Mitarbeiterbindung
wurden in Anlehnung an die etablierten Skalen von Meyer et
al. (1993) verwendet (vgl. Abb. 2). Die insgesamt 18 englischen
Fragen wurden teilweise selbst übersetzt, teilweise konnte auf
vorhandene Übersetzungen zurückgegriffen werden. Zur Er­
fassung der Weiterbildungsinhalte wurden die Beschäftigten
gefragt, inwieweit sie die neu erworbenen Kenntnisse (1) im
Abb. 4:
Weiterbildungsteilnahme nach verschiedenen
Merkmalen (Angaben in Prozent)
Lehre/Ausbildung
< 26 Jahre
26-35 Jahre
36-45 Jahre
Produktion
Verwaltung
46-55 Jahre
> 55 Jahre
Techniker/
Meister
Fachhochschule
Universität
keine Berufs-
ausbildung
61
8
7
15
9
Ausbildung
Altersgruppen
Arbeitsbereich
Quelle: Eigene Darstellung
5
66
21
31
34
6
35
1...,39,40,41,42,43,44,45,46,47,48 50,51,52,53,54,55,56,57,58,59,...68
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