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04/17 PERSONALquarterly
Unsere Datenbasis erlaubte auch eine Differenzierung der
Analyse nach Wortstämmen (Abb. 5). Der als maskulin ein-
zustufende Wortstamm „analyt“ bzw. „analysefähig“ wurde in
mehr als 35% der HR-Stellen bei Allianz, BMW und Lufthansa
bzw. der IT-Stellen bei Allianz, Daimler, Deutsche Bank und
Deutsche Börse gefordert. Der ebenfalls männlich konnotierte
Wortstamm „belast“ wurde bei mehr als 35% der HR-Stellen
bei Allianz, Linde und Deutsche Post sowie der IT-Stellen bei
Thyssen gefordert. Der Wortstamm „verhandlungs“ findet sich
bei mehr als 35% der HR-Stellen von BMW, Continental und VW
sowie auch in vielen IT-Stellen von BMW und Prosiebensat.1.
Diskussion und praktische Implikationen
Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich das maskuline Gender
stereotyp in Form von geforderten Persönlichkeitseigenschaften
in ca. 65% aller Stellenausschreibungen im HR- und SE-Bereich
wiederfindet, sofern mindestens ein maskulin-konnotierter
Wortstamm berücksichtigt wird. Sofern diese Eigenschaften
grundsätzliche und notwendige Anforderungen an zukünftige
Stelleninhaber sind, kann es sinnvoller sein, anstelle der gefor-
derten Eigenschaften eher ein gewünschtes Verhalten zu formu-
lieren. Solche Beschreibungen können die sonst offensichtlichen
Genderstereotypen teilweise auflösen und dazu führen, dass
sich Frauen eher auf eine Stelle bewerben, weil sie sich diese
Verhaltensweise zutrauen (Born & Taris, 2010).
Sind die geforderten maskulinen bzw. agentischen Eigen-
schaften jedoch nur optionale Eigenschaften oder ein Ergebnis
einer stilisierten, unveränderten Vorlage für eine Stellenaus-
schreibung, dann kann dies insbesondere von Frauen miss
interpretiert werden und zu ihrer Entscheidung führen, sich
nicht auf eine ausgeschriebene Stelle zu bewerben (Hentschel
& Horvath, 2015; Mohr, 2014). In manchen Unternehmen wird
zudem argumentiert, dass eine ausreichende Anzahl femininer
bzw. kommunaler Eigenschaften die maskulinen Eigenschaf-
ten aufwiegen oder kompensieren würde. Doch auch hier gilt,
dass Frauen deutlich sensibler auf diese wenigen maskulinen
Begriffe reagieren, während Männer sich davon kaum in ihrer
Bewerbungsintention beeinflussen lassen. Um die Auswirkun-
gen von gesellschaftlichen Genderstereotypen in Stellenan-
zeigen zu verringern und damit den negativen Effekt auf die
Bewerbungsintention von Frauen abzuschwächen, erscheint es
für Unternehmen sinnvoll, die Anzahl maskuliner bzw. agen-
tischer Begriffe in ihren Stellenanzeigen in Zukunft zu redu-
zieren oder, falls die Eigenschaften notwendige Anforderungen
sind, wie oben diskutiert als Verhalten zu formulieren.
Des Weiteren sind wir der Frage nachgegangen, ob Stellenan-
zeigen im SE-Bereich maskuliner sind als im HR-Bereich. Ob-
wohl sich die Anteile insgesamt kaum unterscheiden (vgl. Abb.
3), zeigen sich in der Einzelübersicht der Wortstämme kleinere
Unterschiede (vgl. Abb. 5). ImHR-Bereich werden teilweise mehr
maskulin-konnotierte Wortstämme gefordert als im SE-Bereich.
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 4:
Unternehmensvergleich nach Häufigkeit von
Anzeigen mit mind. 1 maskulinen Begriff
Unternehmen
Anzahl der
Stellen in der
Datenbasis
Anzahl der
Stellen mit
mindestens
einem männlich
konnotierten
Wortstamm
Anteil
Daimler
325
269
83%
Deutsche Post
74
61
82%
Deutsche Bank
27
22
81%
Fresenius
161
131 81%
Deutsche Lufthansa
92
72 78%
Eon
71
55 77%
Volkswagen
16
12 75%
Allianz
111
81 73%
Thyssenkrupp
158
115 73%
Prosiebensat1 Media
22
16 73%
Siemens
305
220 72%
BMW
97
69 71%
Linde
16
10 63%
Deutsche Börse
26
16 62%
Bayer
63
36 57%
BASF
79
45 57%
Deutsche Telekom
98
51 52%
Continental
110
56 51%
Infineon
43
20 47%
Münchner Rück
30
13 43%
nur für Unternehmen mit N >15
>80% der Stellenanzeigen enthalten mindes
tens eine maskulin konnotierte Eigenschaft
<60% der Stellenanzeigen enthalten mindes
tens eine maskulin konnotierte Eigenschaft