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04/17 PERSONALquarterly
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iner gesunden Lebensführung wird immer mehr
Bedeutung zugeschrieben. Auch Unternehmen
investieren verstärkt in die Gesundheit und das Wohl-
befinden ihrer Mitarbeiter. Nach einer aktuellen Um-
frage sollen bis zu 90% aller amerikanischen Unternehmen ein
Gesundheitsprogramm (z.B. Ernährungsberatung, sportliche
Aktivitäten etc.) aufgesetzt haben. Einige Studien argumentie-
ren dabei, dass die Einführung von Gesundheitsprogrammen
sich positiv auf Versicherungsabgaben und Anwesenheit der
Mitarbeiter auswirkt. Was diemeisten dieser Studien allerdings
nicht betrachten, ist, dass eine Investition in die Gesundheit der
Mitarbeiter sich womöglich auch positiv auf die Produktivität
der Mitarbeiter während der Arbeitszeit auswirkt.
Die Studie von Timothy Gubler, Ian Larkin und Lamar Pierce
versucht hier den ersten kausalen Zusammenhang zwischen
einem Gesundheitsprogramm und der Produktivität der Mit-
arbeiter herzustellen. In Zusammenarbeit mit einer industriel-
len Wäscherei analysieren sie die Einführung einer jährlichen
kostenfreien biometrischen Analyse jedes Vollzeitmitarbeiters
in vier von fünf Wäschereianlagen desselben Unternehmens.
Das freiwillige Gesundheitsprogramm erhöht die Aufmerk-
samkeit für die Gesundheit durch eine personalisierte jähr-
liche Auswertung des Gesundheitsstatus. Außerdem werden
gezielte Hinweise gegeben, wie man diesen verbessern kann.
Detaillierte Gesundheitsdaten, Langzeitdaten über die tägliche
Produktionsrate sowie eine Gegenprobe durch eine Wäscherei-
anlage, die nicht an demGesundheitsprogramm teilgenommen
hat, lassen eine fast saubere Analyse des Zusammenhangs des
Programms auf die Produktivität zu.
Im Durchschnitt scheint die Produktivität eines Mitarbeiters
durch die Einführung des Gesundheitsprogramms ummehr als
4% gestiegen zu sein. Dies entspricht in etwa dem Wert eines
Arbeitstags pro Monat für jedenMitarbeiter. Detailliertere Ana-
lysen zeigen, dass jene Mitarbeiter, die als krank eingestuft
wurden, deren Gesundheit sich jedoch durch das Programm
verbessert hat, eine Produktivitätssteigerung von 10% zeigten.
Als gesund klassifizierte Mitarbeiter, die ihre Gesundheit
verbesserten, schafften sogar eine Produktivitätssteigerung
von 11%. Die Verbesserung wird hauptsächlich durch mehr
Sport, eine bessere Ernährung und andere Veränderungen im
Der Produktivitätsgewinn
gesünderer Mitarbeiter
Timothy Gubler
(University of California Riverside),
Ian Larkin
(University of California Los Angeles),
Lamar Pierce
(Washing-
ton University St. Louis): Doing Well by Making Well: The Impact
of Corporate Wellness Programs on Employee Productivity.
Management Science, forthcoming
Lebensstil erreicht. Mitarbeiter ohne Gesundheitsprobleme,
die ihre Gesundheit durch das Programm nicht verbesserten,
zeigten immerhin einen Anstieg ihrer Produktivität um 6%.
Somit hängt der Effekt des Programms auf die Produktivität
nicht ausschließlich von dem jeweiligen Gesundheitsstatus
des Mitarbeiters ab, sondern von der Verbesserung während
des Programms. Dies bedeutet, dass sich ein positiver Effekt
für alle Mitarbeiter erzielen lässt. Die Ursachen können die
Autoren zwar nicht eindeutig identifizieren, es scheint jedoch
zwei Zusammenhänge zu geben: zum einen eine höhere Mit-
arbeitermotivation durch gestiegene Mitarbeiterzufriedenheit
aufgrund des kostenfreien Gesundheitsprogramms, zum ande-
ren gesteigerte Fähigkeiten durch eine verbesserte physische
und mentale Gesundheit. Die empirischen Resultate zeigen,
dass Gesundheitsprogramme einen großen positiven Einfluss
auf die Produktivität der Mitarbeiter haben können und damit
auch auf die Profitabilität des Unternehmens. Die Kapitalren-
dite hängt hierbei jedoch, so die Autoren, stark von der Teil-
nahmerate und der Mitarbeiterfluktuation ab. Timothy Gubler
und Kollegen weisen selbstkritisch darauf hin, dass es sich
bei der hier betrachteten Firma nur um eine Fallzahl von insg.
111 Mitarbeitern handelt und die Effektgrößen unter Vorbehalt
betrachtet werden sollten. Nichtsdestotrotz sollte die Studie für
die Einführung von Gesundheitsprogrammen sprechen.
Besprochen von
Timo Vogelsang
, Seminar für ABWL und
Personalwirtschaftslehre, Universität zu Köln
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