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Analyse der Ursache-Wirkung-Mechanismen und sollte – was
sehr selten geschieht – an verschiedenen Stellen angesetzt
werden.“ Die Psychologin, auch Lehrbeauftragte für Diagnos-
tik, Sozial- und Persönlichkeitspsychologie amWiener Campus
der österreichischen Privatuniversität Schloss Seeburg, nennt
die Schwächen: „ZumAnlass einer Befragung findet man kaum
Informationen, schon dadurch wird ein direkter Vergleich zwi-
schen verschiedenen Studien deutlich eingeschränkt.“ Und:
„In einem Unternehmen gehört die Mitarbeiterbefragung zu
einer Routinemaßnahme, die Zielsetzung bleibt jedoch unklar,
in einem anderen geht es konkret um die Reaktion der Mitar-
beiter auf die Regelung zum Duzen.“
Für sie stellt eine Mitarbeiterbefragung eine Form der Ak-
tionsforschung dar, die mehrere Kennzahlen analysiert und
bei der Umsetzung von Veränderungsmaßnahmen eingesetzt
wird. „Die Rahmenbedingungen bestimmen über die Effizienz
der gewählten Methode“, sagt Seibt. Dazu gehören die Kom-
munikation der Befragungsergebnisse und die Umsetzung
von Maßnahmen. Schon die Ankündigung einer Mitarbeiter-
befragung signalisiere die Bereitschaft zur Veränderung. Das
aktiviere Erwartungen bei den Mitarbeitern. „Bleiben die Kon-
sequenzen aus, kommt es zu einem Vertrauensbruch“, so die
Forscherin. „In der nächsten Befragung kann man das nicht
nur an den Werten, sondern auch an der sinkenden Rücklauf-
quote erkennen.“
Professor Karsten Müller, Arbeits- und Organisationspsycho-
loge an der Universität Osnabrück, favorisiert frische Variati-
onen des „Flaggschiffs Mitarbeiterbefragung“. Es gehe nicht
mehr nur darum, alle zwei Jahre in aller Breite Antworten
über die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter zu
gewinnen. Vielmehr müsse man mit unterschiedlichen Befra-
gungsformaten Impulse setzen, damit sich Mitarbeiter äußern
können. „Feedbacksysteme werden relevanter, wenn das Ar-
beiten in Unternehmen volatiler wird“, sagt der Wirtschafts-
psychologe. „Befragungsergebnisse können als Eisbrecher für
einen entwicklungsförderlichen Dialog genutzt werden.“ Für
Müller ist der Dialog das Ziel, denn gerade wenn Stabilität
und planbare Sicherheit abhandenkommen wie in der digitali-
sierten Wirtschaft, entstehen bei Mitarbeitern und Managern
Spannungen. Die werden zu oft negativ erlebt. „Dabei zeigen
Spannungen zunächst einmal nur, dass eine Organisation lebt
– und das ist nur zuträglich, wenn sie in positiv erlebte Energie
verwandelt werden können.“
Mithilfe moderner Erhebungs- und Datenauswertungstech-
nik steigen die Möglichkeiten, Befragungsinstrumente attrak-
tiv einzusetzen. Gamification, also der Einbau spielerischer
Elemente in die Befragung, lockert auf. Feedback-on-the-fly
gibt Stimmungen wieder, wenn im Vorbeigehen zu einer Frage
auf dem Bildschirm von Grün über Gelb bis Rot angetippt wird.
Die Question-of-the-day kann in der interaktiven App qualitativ
vertieft werden, etwa wenn beim Stichwort Unzufriedenheit
das Warum eine Rolle spielt. Zu bestimmten Themen können
Communities zusammengebracht werden – innerhalb eines
Bereichs, einer Abteilung oder eines Teams oder auch über
Bereichsgrenzen hinweg. „So wird das, was herauskommt,
spezifischer“, meint Karsten Müller. Allerdings unter einer
Voraussetzung: „Das definierte Ziel ist nicht, Daten für Stabs-
stellen zu sammeln und Handlungsempfehlungen für Vorge-
setzte zu schaffen, sondern Aushandlungsprozesse anzustoßen
und das soziale Gebilde weiter entwickeln zu wollen.“
Ergebnisoffen müsste der Dialog sein. Dafür bedürfe es ge-
schickter Workshop-Formate und Dialogplattformen. Ob klei-
ne Befragungen zum Onboarding oder zum Development, ob
360-Grad-Feedback oder die Analyse der Teamarbeit – variierte
Systeme verhindern, dass es bei den Mitarbeitern zu einer
Befragungsmüdigkeit kommt. Professor Müller rät: „Die Befra-
gungstools und die Dialoge müssen gut orchestriert werden,
dann funktionieren die Instrumente.“
V.l.n.r.: Prof. Dr. Stefan Süß (Universität Düsseldorf), Prof. Dr. Tatjana Seibt (FHAM München),
Prof. Dr. Karsten Müller (Universität Osnabrück).
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