PERSONALquarterly 4/2017 - page 52

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 04/17
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rbeit und Familie lassen sich nicht voneinander tren-
nen. Zahlreiche Studien zeigen, dass sich Stress bei
der Arbeit negativ auf das Familienleben auswirken
kann und vice versa. Der Großteil der bisherigen
Studien basiert jedoch auf querschnittlichen Daten. Es ist
wenig über langfristige Auswirkungen bekannt. Die amerika-
nischen Forscher Lavner und Clark untersuchten nun, ob die
Belastung am Arbeitsplatz die Zufriedenheit mit der Ehe zu
einem späteren Zeitpunkt vorhersagen kann. Für ihre Studie
begleiteten die Autoren 172 frisch verheiratete, heterosexuel-
le Ehepaare über einen Zeitraum von vier Jahren. Alle sechs
Monate wurden die Ehepartner zu ihrer Arbeitsbelastung und
Ehezufriedenheit befragt. Zu Beginn der Studie waren die
Paare kinderlos, es handelte sich um ihre erste Ehe.
Konkret unterschieden die Autoren Spillover- und Cross­
over-Effekte. Spillover bedeutet, dass sich die eigene Arbeits-
belastung negativ auf die wahrgenommene Ehezufriedenheit
auswirkt. Crossover-Effekte beziehen sich hingegen auf die
Arbeitsbelastung des Ehepartners und den Effekt auf die Be-
wertung der eigenen Ehezufriedenheit. Die Ergebnisse zeigten
ein interessantes Muster: Es gab Crossover-, aber keine Spill-
over-Effekte. Das heißt, Personen, deren Ehepartner zu einem
Zeitpunkt eine höhere Arbeitsbelastung angaben, berichteten
ein halbes Jahr später, dass sie unzufriedener mit ihrer Ehe
seien. Die eigene Arbeitsbelastung hat die Ehezufriedenheit
nicht vorhersagen können. Geschlecht und Kinder haben die
Ergebnisse nicht beeinflusst. Insgesamt zeigte sich außerdem
eine lineare Abnahme der Ehezufriedenheit über die vier ers­
ten Jahre der Ehe.
Für die organisationale Praxis verdeutlichen die Ergebnisse
abermals die hohe Stellung der Work-Family-Balance. Fami-
lienfreundliche Maßnahmen, z.B. zur Arbeitszeitgestaltung,
könnten dabei helfen, negative Auswirkungen zu schmälern
oder zu verhindern. Ebenso machen die Ergebnisse deutlich,
dass sich die eigene Arbeitsbelastung auf den Ehepartner aus-
wirkt. Es ist also stets die ganze Familie im Blick zu behalten
und nicht nur die individuelle Sicht.
Besprochen von
Annika L. Meinecke
, Lehrstuhl für Arbeits-,
Organisations- und Sozialpsychologie, Technische Universität
Braunschweig
Arbeitsbelastung und
Ehezufriedenheit
J. A. Lavner & M. A. Clark
(University of Georgia): Workload
and marital satisfaction over time: Testing lagged spillover and
crossover effects during the newlywed years. Journal of Voca-
tional Behavior, 2017, Vol. 101, pp. 67-76.
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nders als die meiste bisherige Forschung haben in
den letzten Jahren einige Studien gezeigt, dass es für
einige Arbeitnehmergruppen (u.a. CEOs) Ausnah-
men von der viel zitierten „Gender Pay Gap“ gibt.
Frauen sind in höheren Managementpositionen (Director- und
Top-Executive-Level) weiterhin stark unterrepräsentiert (im
Gegensatz zu niedrigeren), weshalb weibliche High Potentials
knapp und stark nachgefragt sind. Leslie und Kollegen ge-
hen daher davon aus, dass Manager dem Impetus nach mehr
Gender-Diversität mit der gezielten Förderung weiblicher High
Potentials folgen, um diese an das Unternehmen zu binden,
und sie sogar gegenüber ihren männlichen Gegenstücken be-
vorzugen (d.h. besser entlohnen und stärker fördern).
In einer Studie mit 1.331 Professionals und Managern eines
bereits mehrfach für seine Diversitäts-Bemühungen ausge-
zeichneten Unternehmens fanden Leslie und Kolleginnen ih-
re Haupthypothese bestätigt: (Nur) weibliche High Potentials
verdienen mehr als ihre männlichen Gegenstücke. In drei wei-
teren Studien konnten sie überdies zeigen, dass dieser Gehalts-
unterschied je nach Bedeutung von Gender-Diversität als Ziel
einer Organisation variiert. Weibliche Arbeitnehmer werden
nur dann für die Erreichung der Gender-Diversitäts-Ziele als
förderlich betrachtet werden, wenn ihnen Potenzial für höhere
Positionen zugeschrieben wird, was wiederum zu der Überzeu-
gung unter Managern führt, von ihnen werde die Förderung
weiblicher High Potentials erwartet.
Ob diese ironische Konsequenz der Förderung von Gender-Di-
versität nun positiv (imDurchschnitt verdienen Frauen dennoch
weniger) oder negativ (unfaire Behandlung) zu sehen ist, liegt im
Auge des Betrachters. Wichtig für die Praxis ist, bei Vergütungs-
audits genau nach dem hierarchischen Level und der Einschät-
zung des Potenzials für höhere Positionen zu differenzieren.
Außerdem müssen sich das Top-Management und HR darüber
bewusst sein, dass Manager auch ohne explizit kommuniziertes
Gender-Diversity-Statement davon ausgehen, Maßnahmen zur
Steigerung der Gender-Diversität seien erwünscht.
Besprochen von
Benjamin P. Krebs
, Lehrstuhl International
Business, Universität Paderborn
Die Zeiten ändern sich –
aber nur für die Elite
Lisa M. Leslie
(New York University),
Colleen F. Manchester
(University of Minnesota), &
Patricia C. Dahm
(California Poly-
technic State University): Why and when does the gender gap
reverse? Diversity goals and the pay premium for high potential
women. Academy of Management Journal, 2017, Vol. 60, No. 2,
pp. 402-432.
1...,42,43,44,45,46,47,48,49,50,51 53,54,55,56,57,58,59,60
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