PERSONALquarterly 4/2017 - page 42

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PERSONALquarterly 04/17
NEUE FORSCHUNG
_GENDER
O
bwohl der Frauenanteil an den Erwerbstätigen
wächst, bleibt der Anteil von Frauen in Vorständen
und Geschäftsführungen mit ungefähr 6% weiterhin
gering. Unternehmen sind bemüht, den Frauenan-
teil insgesamt zu erhöhen, um schlussendlich auch den Frau-
enanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Ein wesentliches
Instrument zur Erhöhung der Anzahl der Bewerberinnen ist
die Stellenanzeige. Außerdem versuchen Unternehmen, den
Frauenanteil insb. in den sog. MINT-Berufen zu erhöhen, um
u.a. auch dem wachsenden Fachkräftemangel zu begegnen.
Dennoch entscheiden sich viele weibliche Studierende aus dem
MINT-Bereich gegen eine Karriere im Unternehmen: So lag
bspw. der Frauenanteil der Technik-Erstabsolventen in 2007
bei knapp 23%, aber nur 11% der Frauen ergriffen tatsächlich
einen technischen Beruf. In anderen Bereichen ist die Diffe-
renz noch größer. Neben anderen Ursachen, wie fehlenden Teil-
zeitmöglichkeiten und schlechten Aufstiegschancen, sind insb.
gesellschaftliche Genderstereotypen und männlich-dominierte
Berufsbilder ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung
(vgl. Eagly & Karau, 2002; Heilman, 2012; Solga & Pfahl, 2009).
Frauen und Männer nehmen innerhalb einer Gesellschaft
bestimmte Rollen ein und aus diesen wahrgenommenen Rollen
wird auf die notwendigen Eigenschaften und Kompetenzen ge-
schlossen, die der Inhaber dieser Rolle benötigt, um erfolgreich
zu sein (Eagly, 1987). Aus diesen sozialen Rollen entstehen
Genderstereotypen, die sowohl deskriptiven als auch präskrip-
tiven Charakter besitzen, d.h. sie beschreiben zum einen, wie
Männer und Frauen sind, und zum anderen, wie Männer und
Frauen sein sollten (Heilman, 2012). Genderstereotypen sind
gleichermaßen mit bestimmten Eigenschaften verbunden.
Während Frauen eher feminine bzw. kommunale Eigenschaften
(Hilfsbereitschaft, soziale Kompetenz, Empathie) zugeschrieben
werden, gehören zu Männern eher maskuline bzw. agentische
Eigenschaften (Macht und Einfluss, Durchsetzungsvermögen,
Individualismus) (Bakan, 1966; Bem, 1974; Eagly, 1987).
Bisherige Forschung hat bereits gezeigt, dass bestimmte
Worte oder Begriffe in Stellenanzeigen eher einem männli-
chen oder weiblichen Stereotyp zugeordnet werden (z.B.
Gaucher, Friesen, & Kay, 2011). Trotz der unterschiedlichen
Einteilung der Eigenschaften in maskulin und feminin (Bem,
Männer gesucht? Maskuline Wortstämme
in Stellenausschreibungen
Von
Prof. Dr. Katharina Simbeck
(HTW Berlin),
Dr. Marius Wehner
(Universität Paderborn),
Prof. Dr. Frank Bensberg
(Hochschule Osna-
brück) und
Gandalf Buscher
(HfT Leipzig)
1974) oder agentisch und kommunal (Bakan, 1966) zeigen sich
überwiegend ähnliche Genderstereotypen. So werden Eigen-
schaften wie „analytisch“, „durchsetzungsstark“ oder „indivi-
dualistisch“ sowohl als eher maskulin als auch eher agentisch
wahrgenommen, sie entsprechen damit eher dem männlichen
Stereotyp. Gleiches gilt für feminin bzw. kommunal wahrge-
nommene Eigenschaften und der Assoziation mit einem weib-
lichen Stereotyp. Im Folgenden fokussieren wir uns lediglich
auf die maskulinen Eigenschaften in Stellenausschreibungen,
da bisherige Forschung gezeigt hat, dass Frauen sensibel auf
die Verwendung maskuliner Eigenschaften und Begriffe in
Stellenanzeigen reagieren (Gaucher et al., 2011). Insbesondere
Frauen entscheiden sehr selbstkritisch, ob sie die geforderten
Eigenschaften und Fähigkeiten tatsächlich besitzen, bevor sie
sich auf eine bestimmte Stelle bewerben (Mohr, 2014).
Es ist bekannt, dass das Interesse von potenziellen Bewer-
berinnen und Bewerbern stark vom Unternehmensimage
abhängt und sich dieses Unternehmensimage durch Stellenan-
zeigen beeinflussen lässt. Darüber hinaus ist bekannt, dass die
Online-Stellenbörsen von Unternehmen die Unternehmenskul-
tur, auch im Hinblick auf Diversität, signalisieren. Das heißt,
die Bewerberinnen und Bewerber schließen aus Aufbau, Texten
und Bildern in Unternehmensstellenbörsen auf die Kultur im
Unternehmen (Braddy, Meade, & Kroustalis, 2006).
Wir gehen in dieser Untersuchung deshalb davon aus, dass
sich das maskuline Genderstereotyp in der Verwendung von
maskulinen Begriffen und Eigenschaften deutscher Stellenaus-
schreibungen widerspiegelt. Wir wollen damit der Frage nach-
gehen, wie maskulin-konnotiert die Wortwahl in deutschen
Stellenausschreibungen derzeit ist. Des Weiteren wollen wir
die Stellenausschreibung von zwei Berufsfeldern miteinan-
der vergleichen: den Personalbereich (HR) und den Bereich
der Software-Entwicklung (SE). Während der HR-Bereich in
Deutschland und im europäischen Vergleich einen hohen Frau-
enanteil aufweist (Reichel, Brandl, & Mayrhofer, 2010), gilt der
SE-Bereich als ein typisch männlich-dominiertes Berufsfeld
(Diekman, Brown, Johnston, & Clark, 2010). Wir untersuchen
daher, ob es einen Unterschied in den geforderten Eigenschaf-
ten für HR und SE in Stellenausschreibungen gibt. Zuletzt
wollen wir untersuchen, ob es möglicherweise Unterschiede
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