PERSONALquarterly 4/2017 - page 39

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dass Talent Intelligence zu einer höheren Qualität von Ent-
scheidungen, zur Verkürzung von Entscheidungszeiten und zu
einer höheren Sicherheit bei der Entscheidungsfindung führt,
unterscheiden sich die Einschätzungen von Nutzern und Nicht-
nutzern signifikant (p < .05), bzgl. der übrigen Aussagen ledig-
lich deskriptiv (vgl. Abb. 3).
Auch der von den Befragten wahrgenommene Wertbeitrag,
den das HRM zum Unternehmenserfolg leistet, hängt offen-
bar damit zusammen, ob Talent Intelligence genutzt wird oder
nicht. In allen abgefragten Aspekten wird der Beitrag von
Nutzern höher eingeschätzt als von Nichtnutzern (vgl. Abb.
4). Besonders wichtig erscheint dabei die deutlich stärkere
Ausrichtung der Personalstrategie an der Unternehmensstra-
tegie in Unternehmen, die Talentanalysen nutzen, dass das
Personalmanagement eng mit den Bereichsleitungen zusam-
menarbeitet und offene Positionen im Unternehmen immer
zeitnah mit qualifizierten Personen besetzt werden können (p
< .05). Der Zusammenhang zwischen der Nutzung von Talent
Intelligence und dem wahrgenommene Wertbeitrag von HRM
bleibt auch signifikant, wenn die Branche, Mitarbeiterzahl der
Unternehmen und die Funktion der Befragten (z.B. Manage-
ment, HR oder IT) kontrolliert wird (b
TI-N
utzung
= .43, p < .05)
Da die Befragten die Bedeutung von Talent Analytics bestäti-
gen, gleichzeitig deren Verbreitung aber gering ist, ist die Frage
nach den Hindernissen für deren Einführung von besonderem
Interesse. Insgesamt sehen Nichtnutzer höhere Hürden als Ta-
lent-Intelligence-Nutzer (vgl. Abb. 5). Als Haupthindernis nen-
nen beiden Gruppen die hohen Kosten. Andere Argumente sind
Mangel an Zeit und an Know-how. Auch fehlende Unterstützung
durch das Topmanagement, geringe Akzeptanz bei Arbeitneh-
mervertretung und Führungskräften sowie das Fehlen eines
passenden IT-Anbieters werden angeführt, wenn auch nachran-
gig. Bemerkenswert ist, dass die größten Unterschiede in der
Einschätzung der Hindernisse durch Nutzer und Nicht-Nutzer
in der (fehlenden) Unterstützung durch das Topmanagement
und dem Mangel an Zeit gesehen wurden (p < .05).
Diskussion
Die hier berichteten Ergebnisse zu Talent Analytics stimmen
in vielen Aspekten mit denen anderer Studien überein, zeigen
aber auch deutliche Unterschiede: Ihr Einsatz ist im deutsch-
sprachigen Raum bislang gering, was auch für die USA gilt.
Hier wie dort sind die meisten Unternehmen demnach noch
weit davon entfernt, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, was
häufig zu suboptimalen Entscheidungen führt (Vaiman et al.,
2012). Gerade in komplexeren Analysen könnte aber für Un-
ternehmen der größte Mehrwert von Talent Intelligence liegen
(vgl. Davenport/Harris/Shapiro, 2010). Die Tatsache, dass die
Befragten alle HR-Prozesse bzw. -funktionen außer Gesund-
heitsmanagement als wichtig einschätzen, aber gleichzeitig
lediglich den Personalauswahl- und administrativen Prozessen
eine gute Qualität attestiert wird, weist auf ein deutliches Opti-
mierungspotenzial bzgl. der Qualität hin, um dadurch die Vor-
aussetzungen für den effektiven Einsatz von Talentanalysen zu
schaffen. Ansatzpunkte für Verbesserungen lassen sich auf der
Grundlage von Talentanalysen identifizieren. Eine wichtige Be-
dingung dafür ist allerdings die Unterstützung der HR-Prozes-
se durch entsprechende IT-Systeme, die es erlauben, relevante
und konsistente Daten zur Verfügung zu stellen und diese zu
integrieren, um bedeutsame Kennzahlen zu generieren. Nach
den Ergebnissen der aktuellen Studie ist diese Voraussetzung
bei vielen Unternehmen nicht erfüllt und es sind nicht durch-
gängig für alle HR-Prozesse Kennzahlen verfügbar. Dazu passt
auch das Ergebnis, dass die berichteten Formen von Talent­
analysen wenig komplex und damit den unteren beiden Stufen
(vgl. Abb. 1) zuzuordnen sind, was auch US-amerikanische
Studien zeigen.
Die Vorteile von Talentanalysen werden von jenen, die sie
bereits einsetzen, speziell bzgl. der Sicherheit, der Qualität und
der Geschwindigkeit von Entscheidungen größer eingeschätzt
als von Nichtnutzern (vgl. Abb. 3). Allerdings zeigen die Ergeb-
nisse auch, dass selbst die Nutzer offenbar nicht voll von den
Vorteilen überzeugt sind. Gleichwohl schätzen zumindest die
Nutzer von Talentanalysen auch denWertbeitrag, den das HRM
zumUnternehmenserfolg leistet, höher ein als die Nichtnutzer.
Kritischer Erfolgsfaktor für die Einführung von Talent Ana-
lytics ist das Top-Management als Treiber für die Gestaltung
einer faktenbasierten Unternehmenskultur, in der Leistungs-
beiträge zur Erreichung der Unternehmensziele konsequent
belohnt werden (z.B. Davenport/Harris, 2007, Harris et al.,
2011). Das ist offenbar auch im deutschsprachigen Raum ein
wichtiger Aspekt: Befragte, deren Unternehmen Talent Intel-
ligence einsetzen, berichten auch von starker Unterstützung
durch die Geschäftsleitung. Die in der Literatur genannten Hin-
dernisse für die Implementierung sind fehlende Kompatibilität
der im Unternehmen genutzten Software, uneinheitliche Defi-
nition und Nutzung von Kennzahlen sowie geringe Erfahrung
mit derartigen Analysen. Softwareprobleme lassen sich in der
aktuellen Studie ebenfalls erkennen. So weist die geringe Ver-
breitung von integrierten Standard-IT-Systemen (wie z.B. SAP)
darauf hin, dass ein Hindernis im technischen Bereich liegen
könnte. Fehlendes Know-how sehen Nutzer wie Nichtnutzer
als Einschränkung. Als größtes Hindernis zeigen sich in dieser
Erhebung die hohen Kosten, die in bisherigen Studien nicht
erwähnt wurden. Das könnte darauf hinweisen, dass kein über-
zeugender Business Case vorgelegt werden kann, der die Un-
ternehmensleitung vom Nutzen der Investition überzeugt, was
wiederum durch fehlendes Know-how bedingt sein könnte. Das
Argument „Zeitmangel“ der Nichtnutzer könnte ein Indiz dafür
sein, dass sich das HRM – wie vielfach kritisiert – zu stark mit
Aktivitäten aufhält, die weniger wichtig für den Geschäftser-
folg sind oder mit anderen erfolgsrelevanten Aufgaben.
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