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PERSONALquarterly 04/17
NEUE FORSCHUNG
_TALENT MANAGEMENT
Chancen für und Anforderungen an das HRM
Die bisherigen Befunde erlauben konkrete Schlüsse für das
HRM. Kritik amHRM richtet sich meist darauf, zwar die Unter-
nehmensstrategie umzusetzen (Ulrich/Dulebohn 2015), aber
keinen Einfluss auf sie zu nehmen und keinen nachweisbaren
Wertschöpfungsbeitrag für die Organisation zu leisten. Da ge-
nügend Daten, Technik und Funktionalitäten zu ihrer Analy-
se prinzipiell verfügbar sind (Stone/Deadrick/Lukaszewski/
Johnson 2015), hängt es von der Initiative und der Kompetenz
des HRM zur Formulierung der richtigen Fragestellungen,
zur Analyse und dem Management der Daten ab, welchen
strategischen Beitrag das HRM leisten kann. Boudreau und
Ramstad (2002) sehen als nächste Entwicklungsstufe für das
HRM, eine echte Wissenschaft bzgl. talentbezogener Entschei-
dungen aufzubauen. Die Kompetenz, personalbezogene Daten
effizient zu erheben, ist meist vorhanden, hingegen fehlt es
offenbar auch im deutschsprachigen Raum an HR-Experten
mit hoher Lösungsorientierung und der Fähigkeit, kausale
Wirkungsverbindungen zu den relevanten talentbezogenen
Entscheidungen im Unternehmen herzustellen. Zusätzlich
werden HR-Analysten in Zukunft umfangreiche IT-Kenntnisse
und fortgeschrittenes forschungsmethodisches und statisti-
sches Wissen benötigen.
Der Nutzen von Talent Intelligence für den ökonomischen
Erfolg von Organisationen darf nicht den Blick auf ethische
Aspekte eines Talent Managements mithilfe statistischer Me-
thoden verstellen. Der sog. Kampf um Talente hat bereits eine
Kategorisierung von Mitarbeitenden nach ihrem Wert begüns-
tigt: Es gibt einen hoch geschätzten, aber relativ kleinen Anteil
der Mitarbeitenden, die – zumindest vermeintlich – überpro-
portional zum Geschäftserfolg beitragen, und es gibt den Rest,
für den die unausgesprochene Annahme gilt, sie seien „unta-
lentiert“ (Swailes, 2013). Diese Differenzierung kann durch
unsachgemäße Talentanalysen verstärkt werden. Allerdings
sollten sorgfältig ausgeführte Talentanalysen eher dazu beitra-
gen, dass diese oftmals stark vereinfachenden Sichtweisen in
Unternehmen hinterfragt werden.
Die optimale Nutzung von Talent Analytics setzt eine weit-
gehende Transparenz der Mitarbeitenden und Bewerbenden,
deren Bereitschaft zur Preisgabe persönlicher Information und
den Verzicht auf Anonymität voraus. Werden solche Daten me-
chanistisch ausgewertet, um die Ressource Personal optimal
zu allokieren, kann es zu „Discrimination by Algorithm“ (Fal-
letta, 2015) kommen. Ferner ist nicht nur mit Datenschutzpro-
blemen, sondern auch einer Ermüdung bei der wiederholten
Beantwortung von talentbezogenen Fragen (z.B. bei Mitarbei-
Fehlende Zeit
Hohe Kosten
Fehlendes Know-how
Fehlende Unterstützung durch das
Topmanagement
Ablehnende Haltung der Arbeitnehmervertretung
Geringe Akzeptanz bei Führungskräften
Kein passender Anbieter, der alle HR-Prozesse
angemessen abdeckt
Abb. 5:
Hindernisse bei der Implementierung aus Sicht von Nutzern und Nichtnutzern von
Talent Intelligence im deutschsprachigen Raum
Quelle: Eigene Darstellung
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
* statistisch signifikanter Unterschied zwischen Nutzern und Nichtnutzern, p < .05.
Anmerkung: Skala: 1= stimme überhaupt nicht zu – 4= stimme voll und ganz zu, N=14-20 (N), N=37-55 (NN)
*
*
2,5
2,8
2,2
2,6
2,4
2,5
3,2
2,9
2,6
2,7
2,5
3,0
2,9
2,1
Nutzer TI
Nichtnutzer TI