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PERSONALquarterly 04/17
SCHWERPUNKT
_ARBEITGEBERBEWERTUNG
des Leistungs- und Machtmotivs in Bezug auf Karrieremög
lichkeiten gezeigt werden. Ein ausgeprägtes Leistungs- und
Machtmotiv führt dazu, dass Führungskräfte eine höhere Per
formance erzielen. Insofern kann der positive Zusammenhang
zwischen Leistungs-/Machtmotiv und der Wichtigkeit von
Karrieremöglichkeiten zu einem nachgelagerten Effekt führen,
der sich in einer verbesserten Performance als Führungskraft
widerspiegelt. Dies verdeutlicht, dass die Ursache für die un
terschiedliche Bewertung spezifischer Arbeitgebermerkmale
auch in der Erfolgsaussicht auf zukünftige Performance liegen
könnte. Bewerber bewerten demnach Arbeitgebermerkmale
als bedeutsam, welche ihnen hinsichtlich ihres beruflichen
Erfolgs dienlich sein können.
Überraschenderweise konnten die angenommenen Zusam
menhänge für Gehalt und Benefits nur für das Machtmotiv
nachgewiesen werden. Machtmotivorientierten Bewerbern
sind demnach das angebotene Gehalt sowie die dazugehörigen
Benefits eines Arbeitgebers sehr wichtig. Ein ausgeprägtes
Leistungsmotiv führt hingegen dazu, dass Gehalt und Benefits
als signifikant weniger wichtig eingestuft werden. Die Ursa
che für diesen überraschenden Zusammenhang könnte darin
liegen, dass Bewerber Gehalt und Benefits gerade nicht als
Spiegel der eigenen Leistungsfähigkeit, sondern als stellen
bezogenes und leistungsunabhängiges fixes Kriterium sehen,
wodurch sich die Attraktivität einer Stelle reduzieren würde.
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass Frauen viel Wert auf ein
gutes Teamklima legen, wohingegen Männern Karrieremög
lichkeiten signifikant wichtiger sind als den weiblichen Teil
nehmern der Studie. Ähnliche Unterschiede zeigten sich bereits
in der Bewertung verschiedener Unternehmenskulturen. Män
ner bewerten eine als stark kompetitiv/wettbewerbsorientiert
beschriebene Unternehmenskultur als signifikant attraktiver.
Frauen hingegen bevorzugen eine als unterstützend/kollegi
al beschriebene Unternehmenskultur (vgl. Catanzaro et al.,
2010). Somit zeigen sowohl bisherige Erkenntnisse als auch
die Ergebnisse dieser Studie deutliche geschlechterspezifische
Unterschiede in der Bewertung von Arbeitgebermerkmalen.
Die divergierenden Ergebnisse verdeutlichen die individu
ellen Unterschiede von Bewerbern, die Konsequenzen für die
Bewertung von potenziellen Arbeitgebern haben können. Ar
beitgeber sollten daher bei der Gestaltung und Kommunikation
ihrer Anreizsysteme individuelle Unterschiede von Bewerbern
und Mitarbeitern berücksichtigen.
Allerdings unterliegt die Studie methodischen Grenzen, die
in erster Linie in der Erfassung der abhängigen Variablen zu
finden sind. Die einzelnen Arbeitgebermerkmale wurden je
weils nur mit einem Item gemessen, wodurch sich die Wahr
scheinlichkeit erhöht, dass die Teilnehmer das abgefragte
Konstrukt andersartig interpretieren. So wäre es denkbar, dass
die Befragten mit „Karrieremöglichkeiten“ unterschiedliche
Faktoren, wie z.B. „mehr Verantwortung“ oder „spannendere
Aufgaben“ assoziieren könnten. Aufgrund mangelnder Berufs
erfahrung ist es abschlussnahen Studierenden darüber hinaus
unter Umständen nicht möglich, eine realistische Einschät
zung darüber vorzunehmen, welche Wichtigkeit spezifische
Arbeitgebermerkmale in einer realen Arbeitssituation auf
weisen würden. Dies sind jedoch Einschränkungen, mit de
nen auch die Praxis konfrontiert ist, da Unternehmen in der
Phase der Aufmerksamkeitsgewinnung in Stellenanzeigen, in
Image-Anzeigen oder Werbebannern im Internet häufig auf die
Kommunikation einzelner „Buzzwörter“ zurückgreifen, welche
einen entsprechenden Interpretationsspielraum zulassen.
Zusätzlich liegt eine Einschränkung der Studie darin, dass
die Bewertung der wahrgenommenen Wichtigkeit spezifischer
Arbeitgebermerkmale nicht mit der tatsächlichen Bewerbungs
absicht gleichzusetzen ist. Ergebnisse anderer Studien zeigen
jedoch, dass die tatsächliche Handlungsabsicht ein Produkt
der subjektiven Bewertung der Wichtigkeit einer Handlungs
folge und der subjektiv wahrgenommenen Erfolgsaussicht der
Handlung sein kann (vgl. Vansteenkiste et al., 2005). Für die
vorliegende Studie bedeutet dies, dass die Bewertung der Wich
tigkeit spezifischer Arbeitgebermerkmale ein starker Prädiktor
der Bewerbungsabsicht ist, unter der Voraussetzung, dass der
Bewerber den kommunizierten Arbeitgebermerkmalen eine
realistische Eintrittswahrscheinlichkeit beimisst, welche sich
z.B. in der Glaubwürdigkeit kommunizierter Arbeitgebermerk
male ausdrücken kann.
Trotz der genannten Einschränkungen zeigen die hochsigni
fikanten Ergebnisse der Studie, dass individuelle Unterschiede
in der Persönlichkeit oder im Geschlecht die Bewertung spezi
fischer Arbeitgebermerkmale beeinflussen und Bewerber viel
sensibler als angenommen auf unterschiedliche Merkmale
eines Arbeitgebers reagieren.
Praxisimplikationen: Bewerber ist nicht gleich Bewerber –
Targeted-Recruitment-Strategien nutzen
Aus der Studie lassen sich für die Praxis einige Implikationen
ableiten:
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Arbeitgeber ziehen durch die Kommunikation spezifischer
Arbeitgebermerkmale bewusst Bewerber mit bestimmten
Persönlichkeitsausprägungen an bzw. schrecken andere
ab. Die Studienergebnisse zeigen, dass auf den ersten Blick
zunächst nicht ersichtliche Merkmale eines Bewerbers, wie
individuelle Motive, zu signifikanten Unterschieden in der
Bewertung von spezifischen Arbeitgebermerkmalen führen
können. Arbeitgeber können sich dies zunutze machen und
durch die Kommunikation spezifischer Merkmale unter
schiedliche Bewerberpersönlichkeiten adressieren.
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Für Positionen, die ein hohes Maß an Teamfähigkeit, Ver
träglichkeit und kooperativem Verhalten erfordern, bietet es
sich an, ein kollegiales Miteinander bereits in der frühen
Bewerberkommunikation zu betonen. Dadurch spricht das