PERSONALquarterly 4/2017 - page 36

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PERSONALquarterly 04/17
NEUE FORSCHUNG
_TALENT MANAGEMENT
kette, systematisch anzuwenden, dann müssen HR-Manager
in der Lage sein, den Wert von fakten- bzw. evidenzbasierten
Talententscheidungen zu vermitteln. Sie müssen auch Mana-
ger davon überzeugen können, diese Modelle und Analysen
gezielt zu nutzen, um ihr unternehmerisches Handeln abzulei-
ten und zu begründen (Boudreau, 2012). Boudreau empfiehlt
dafür eine ebenso strikt regelorientierte Herangehensweise,
wie sie in anderen Unternehmensbereichen üblich ist. Als
Datenquellen eignen sich hierfür Stammdaten, Ergebnisse von
Leistungsmanagementprozessen und von Auswahl- oder Po-
tenzialdiagnostik, (Mitarbeiter-)Befragungen, Interviews, Pro-
tokollierungsdaten von Unternehmensprozessen und weitere
Informationsquellen qualitativer und quantitativer Art. Auch
bei der Auswertung dieser Daten lässt sich die gesamte Metho-
denvielfalt moderner statistischer Verfahren, Forschungsme-
thoden und Strategietools nutzen.
Einsatz von Talent Analytics in Unternehmen
Empirisch zeigt sich, dass erfolgreiche Unternehmen Talent­
analysen doppelt so häufig nutzen wie weniger erfolgreiche,
um strategische Entscheidungen zu treffen. Die bislang umfas-
sendste Studie wurde 2013 bei 220 Fortune-1000-Unternehmen
durchgeführt (Falletta, 2013). Mehr als 75% der Unternehmen
gaben an, eine Funktion zu haben, die sich mit HR-Forschung
und -Analysen beschäftigt, wobei die Nutzung unterschiedlich
intensiv und ausgereift ist. Das wichtigste Ergebnis war, dass
innerhalb der Stichprobe ein Viertel der Fortune-100-Unter-
nehmen den höchsten Reifegrad der Nutzung praktizieren, d.h.
HR-Analytics spielen eine zentrale Rolle bei der Formulierung
und Umsetzung der HR-Strategie. Hingegen wiesen nur 14% al-
ler befragten Unternehmen diesen Reifegrad auf. Dieses Ergeb-
nis, dass gerade die großen und erfolgreichsten Unternehmen
Talentanalysen für sich nutzen, ist zwar in sich nicht kausal
interpretierbar, zeigt aber den Stellenwert von Talent Analytics
bei den erfolgreichsten Unternehmen.
Zu den sog. „analytical competitors“ zählen bspw. Proctor &
Gamble, O2, Barclays Bank, Astra Zeneca, Fedex, Amazon, Ebay
und Google. Aus deren Sicht ist das Potenzial von Talent Analytics
groß, den Beitrag des HRM zur Wertschöpfung von Unternehmen
transparent zu machen. Gleichwohl ist der Einsatz von Talent
Analytics auf den US-amerikanischen Bereich konzentriert.
Da den Autoren für den deutschsprachigen Raumkeine Studi-
en zum Einsatz von Talent Analytics bekannt sind, war das Ziel,
durch eine Befragung verschiedener Stakeholdergruppen in
Unternehmen den Status von Talentanalysen im deutschspra-
chigen Raum zu erheben. Zudem soll die Diskrepanz zwischen
ihrer Nutzung im deutschsprachigen Raum und dem Stand der
Erkenntnis in der Forschung einerseits sowie – wo möglich –
der Nutzung der Methode in den USA anderseits aufgezeigt
werden. Die Ergebnisse können Unternehmen dabei unterstüt-
zen, das Potenzial von Talentanalysen korrekt einzuschätzen
und mögliche Schwierigkeiten als genereller (hohe Kosten im
Vergleich zum erwarteten Nutzen) oder unternehmensspezi-
fischer Art (z.B. fehlendes Know-how im HRM) einzuordnen.
In unserer Studie wurde entsprechend erhoben, in wel-
chem Umfang Talentanalysen im deutschsprachigen Raum
genutzt werden und um welche Art der Nutzung es über-
wiegend geht. Es sollte ferner der Reifegrad der Anwendung
ermittelt werden. Dafür sollten jene Bereiche bzw. Personen-
gruppen in Organisationen adressiert werden, die maßgeb-
lich in das Thema involviert sind, d.h. Geschäftsführung,
Personalabteilungen, Führungskräfte, IT-Abteilungen und
Arbeitnehmervertretung. Um möglichst viele Unternehmen
zu erreichen, wurde die Studie über den auf HR-Themen bezo-
genen Kundenverteiler des Projektpartners Oracle sowie über
berufsorientierte soziale Netzwerke verbreitet. 120 Vertreter
verschiedener Unternehmen haben online an der Befragung
teilgenommen. Gemessen an den über 7.000 kontaktierten
Personen stellt dies eine sehr geringe Rücklaufquote dar, die
sich bereits als ein Indikator für das aktuell noch geringere
Interesse für das Thema im deutschsprachigen Raum inter-
pretieren lässt. Da sich die Perspektiven der verschiedenen
Subgruppen in Unternehmen auf Talentanalysen deutlich
unterscheiden können, wurden die Befragten gebeten, ih-
re Perspektive anzugeben. Mit einem Anteil von 44% sind
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 2:
Nutzung verschiedener Formen von Talent
Intelligence im deutschsprachigen Raum
Im größten Umfang werden genutzt
Automatische Ermittlung von relevanten Kennzahlen für das Talent
Management
Automatische Auswertungen auf Individual- und Gruppenebene, die
Handlungs- oder Entscheidungsbedarf im Leistungsmanagement zeigen
Automatische Erstellung von Visualisierungen, die es Führungskräften
erleichtern, große Mengen personalbezogener Daten zu überblicken
und richtig einzuordnen
Im geringsten Umfang werden genutzt
Analysemodelle, um zukünftige Talent-Ressourcen und Bedarfe
anhand unterschiedlicher Szenarien durchzuspielen
Tools, um systematisch den Einfluss von bestimmten Programmen,
Projekten und Trainings im Unternehmen auf den finanziellen Unter­
nehmenserfolg zu quantifizieren
Tools, um für einzelne Personen alternative/optimale Einsatzbe­
reiche zu identifizieren
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