PERSONALquarterly 4/2017 - page 34

34
PERSONALquarterly 04/17
NEUE FORSCHUNG
_TALENT MANAGEMENT
I
n Zeiten des steigenden Anteils von Dienstleistungen am
Sozialprodukt und der Verschiebung zur wissensbasier-
ten Wirtschaft gelten die Kompetenzen von Mitarbeiten-
den als entscheidende erneuerbare Ressource, die vom
Wettbewerb nicht einfach imitiert werden kann. Der Talent-
markt ist daher neben Kapital- und Konsumentenmarkt das
wichtigste Gebiet, auf dem Unternehmen miteinander konkur-
rieren (Boudreau/Ramstad, 2002).
Der Begriff Talente bezieht sich im weiteren Verständnis auf
alle Mitglieder der Belegschaft und impliziert die Auffassung,
dass jede Person Fähigkeiten hat, die es zu beachten und zu
fördern gilt. In einer engeren Auffassung beschränkt sich der
Begriff der Talente auf Mitarbeitende, die als besonders leis-
tungsstark gelten und durch ihr Engagement in hohem Maß
zumUnternehmenserfolg beitragen. Letztere machen nur einen
kleinen Anteil der Belegschaft aus, sind aber knapp und es hätte
deutliche negative Folgen, wenn sie die Organisation verließen.
Talent Management hat sich zu einem rasch wachsenden Be-
reich der Managementforschung entwickelt (Collings/Scullion/
Vaiman, 2015). Nach der engeren Auffassung von Talenten um-
fasst es alle Aktivitäten, die dazu dienen, die besten Mitarbei-
tenden für die weltweit strategisch bedeutsamen Positionen im
Unternehmen anzuwerben, auszuwählen, zu entwickeln und
zu binden. Es gilt, ihr Potenzial zum Nutzen des Unternehmens
auszuschöpfen und sie im Gegenzug entsprechend zu fördern
und zu belohnen. Um das zu realisieren, werden Talent Ana-
lytics bzw. Talent Intelligence, häufig auch HR-Analytics, Work-
force Analytics oder HR-Intelligence genannt (Falletta, 2013),
eingesetzt. Der Begriff steht für die Erfassung und Analyse
von personalbezogenen Daten und deren Nutzung für Entschei-
dungen zugunsten einer optimalen Unternehmensstrategiepla-
nung und Geschäftstätigkeit (Lohaus/Müller, 2015). Dabei wird
häufig der Fokus auf Talente im engeren Sinn gerichtet; er ist
allerdings nicht auf sie beschränkt, d.h. je nach Fragestellung
wird die Datengrundlage für die Analyse gewählt.
Ziele und Bedeutung von Talent Analytics
Stärker als je zuvor hängt die Leistungsfähigkeit von Orga-
nisationen davon ab, wie gut es gelingt, Talent Management,
Kompetenzentwicklung, Wissensmanagement und Change
Talent Analytics – Optimierung des Beitrags
von HRM zum Unternehmenserfolg
Von
Prof. Dr. Daniela Lohaus
(Hochschule Darmstadt)
, Prof. Dr. Patrick Müller
und
Alexandra Wallemann
(Hochschule für Technik Stutt­
gart)
, Ann-Kristin Graumann
(Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt)
Management zu adressieren. Gleichwohl gelingt es noch zu
wenigen Unternehmen, Talente effizient zu managen. Die Nut-
zung von Talent Analytics ist eine wesentliche Voraussetzung
dafür. Mit Talentanalysen wird angestrebt, Erklärungs- und
Vorhersagemodelle beruflicher Leistung zu generieren (Da-
venport/Harris, 2007). Diese Modelle werden im Rahmen der
zentralen, auf Talent Management bezogenen HR-Prozesse,
wie Personalplanung, -marketing und -auswahl, Leistungsbe-
wertung, Personalentwicklung und Vergütung, genutzt, um
die Zielgruppe an die Organisation zu binden. Auf der Basis
von Hypothesen über kausale Zusammenhänge zwischen mit-
arbeiterbezogenen Daten und Variablen des Geschäftserfolgs
werden Kennzahlen ermittelt. Diese Kennzahlen werden zur
Gestaltung von HR-Maßnahmen genutzt und können so auf-
zeigen, welche HR-Maßnahmen in welchem Ausmaß zum Ge-
schäftserfolg beitragen. Damit gibt Talent Analytics dem HRM
die Möglichkeit, aktiv auf die Geschäftsstrategie einzuwirken.
Bspw. kann so gezeigt werden, wie sich verschiedene neue
Formen der Leistungsvergütung in den Bereichen ausgewirkt
haben, in denen sie pilotiert wurden. Damit kann abgeschätzt
werden, in welchem Umfang die jeweiligen Maßnahmen auf
Unternehmensebene zu einer Leistungssteigerung führen wür-
den, welche Einsparpotenziale sich durch gesenkte Fluktuati-
onskosten bei den Rekrutierungskosten ergeben würden und
in welcher Relation diese Ergebnisse zu möglichen Mehrausga-
ben für die Implementierung der jeweiligen Maßnahme stehen.
Welche HR-Kennzahlen relevant sind, um den Beitrag von
HR-Maßnahmen zum Geschäftserfolg deutlich zu machen, ist
dabei nicht immer augenfällig. Das zeigt folgendes Beispiel (vgl.
Harris/Craig/Light 2011): Eine Organisation, die Unternehmen
weltweit HR-Dienstleistungen anbot, hatte Probleme mit ho-
her freiwilliger Fluktuation. Mit der statistischen Methode der
Conjoint Analyse, die es erlaubt, Präferenzen für Kombinati-
onen von Merkmalen zu identifizieren, fand sie heraus, dass
Kündigungen weniger wahrscheinlich waren, wenn die Mitar-
beitenden ihre jährlichen Gehaltserhöhungen (bei gleichblei-
bendem Gesamtbetrag) halbjährlich anstatt jährlich erhielten.
Auch war in jeder Niederlassung eine andere Kombination von
Zusatzleistungen zum Gehalt besonders wirksam, um Fluktu-
ation zu vermeiden. Während der administrative Aufwand für
1...,24,25,26,27,28,29,30,31,32,33 35,36,37,38,39,40,41,42,43,44,...60
Powered by FlippingBook