PERSONALquarterly 1/2016 - page 13

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die Geschäftsführung autorisiert, bevor es dann mithilfe eines
Balanced-Scorecard-Konzepts in konkrete Ziele, Kennzahlen,
Sollwerte und Maßnahmen umgesetzt wird, und zwar gesondert
für die Mitarbeiter-, Kunden-, Prozess- und Finanzperspektive.
Zwischen den beiden Extremszenarios „keine HR-Strategie“
auf der einen Seite und „systematisch geplante, schriftlich aus-
formulierte HR-Strategie“ auf der anderen Seite ist eine große
Zahl von Übergangsformen möglich; sie fallen unter die von
Henry Mintzberg entdeckten „emergenten Strategien“ und sind
in der Praxis in vielfältigen Erscheinungsformen verbreitet. Sel-
ten wird die HR-Strategietransformation von einem völlig stra-
tegielosen Zustand ohne jegliche Regeln und Grundsätze für
die Personalarbeit ausgehen. Realistischer ist eine Ausgangssi-
tuation mit vorherrschend „emergenten“ HR-Strategien, die im
Zuge der HR-Transformation schrittweise oder auch mit einem
Sprung vorwärts in Richtung auf eine schriftlich ausgearbeitete
HR-Planstrategie fortentwickelt wird. Damit erhöhen sich die
Chancen für einen erhöhten Wertschöpfungsbeitrag.
Die empirische HR-Strategieforschung liefert Antworten auf
die Frage: Wie viele Unternehmen haben eine HR-Strategie
entwickelt? (vgl. Abb. 3)
Trotz weitgehender Übereinstimmung der Studien bzgl. Ver-
breitung der HR-Strategien im klassischen Sinn gibt es kei-
nen Hinweis, wie gut bzw. schlecht eine Abstimmung mit der
Unternehmensstrategie erfolgt ist und ob die geplanten HR-
Strategien auch wirklich in Maßnahmen umgesetzt wurden.
Kritisch anzumerken bleibt, dass beim Fehlen dieser Voraus-
setzungen nicht ohne Weiteres von einem positiven Einfluss
auf die betriebliche Wertschöpfung ausgegangen werden kann.
Schließlich ist es möglich und denkbar, mit großem strate-
gischen Aufwand in die falsche Richtung zu steuern.
Einführung des Drei-Säulen-Modells der Personalorganisati-
on im HR-Transformationskonzept
Neben der Rollentransformation ist die Organisationstransfor-
mation hin zum „Drei-Säulen-Modell“, gelegentlich auch „HR
Service Delivery Model“ genannt, die wohl bekannteste Stell-
schraube im HR-Transformationskonzept. Die Umsetzung der
Leitidee, operative Standardaufgaben der Personalarbeit von
strategisch ausgerichteten Personalaufgaben organisatorisch
zu trennen, führt zu einem speziellen Center-Konzept, beste-
hend aus „Service Centers“ und „Centers of Expertise“ (vgl.
Ulrich, 1997, S. 96 ff; Ulrich et al., 2009, S. 58 ff):
(1) In „Service Centers“, häufig „Shared Service Centers“ ge-
nannt, sollen administrative Routineaufgaben gebündelt wer-
den wie z.B. Lohn- und Gehaltsabrechnung, Gewährung von
Sozialleistungen, Buchung von Qualifizierungsmaßnahmen
und Seminarverwaltung, Bewerbermanagement, laufende
Personalstatistik etc. Die genannten Dienstleistungen sollen
dadurch mit erhöhter Effizienz (kostengünstiger), Qualität
(besser) und Schnelligkeit erbracht werden können als bisher.
(2) „Centers of Expertise“ sind demgegenüber gedacht als
Sammelstellen von qualifizierten HR-Experten, die schwer-
wiegende, zukunftsweisende Gestaltungsaufgaben zu er-
füllen haben wie z.B. die Erarbeitung von Konzepten für
Personalmarketing, Personalentwicklung, Vergütung, inter-
ne Kommunikation, Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehungen,
Work-Life-Balance, betriebliches Gesundheitsmanagement,
Arbeitssicherheit etc.
Das Ergebnis ist eine dramatische Abkehr von der traditi-
onellen HR-Organisation, allerdings ohne viel weitergehende
Entwürfe für HR-Reorganisationen wie z.B. das „Profit Center
Personal“ oder die „Virtuelle Personalabteilung“ zu berück-
sichtigen (vgl. z.B. Ackermann et al., 1998).
(3) Das Zwei-Säulen-Modell wird zum Drei-Säulen-Modell
der transformierten HR-Organisation durch HR-Professionals,
die in den Fachbereichen direkt mit den Linienmanagern unter
verschiedenen Titeln (HR-Beziehungsmanager, HR-Business
Partner, HR-Generalisten) zusammenarbeiten (vgl. Ulrich et
al., 2009, S. 69 ff.). In einer DGFP-Studie zur Organisation
des Personalmanagements wird diese Position als „Key Ac-
count – Personalmanagement“ bezeichnet und ihre Aufgabe
zusammenfassend mit Beratung, operativer Steuerung sowie
operativer Umsetzung von Richtlinien und Durchführung von
Arbeitsabläufen umschrieben (vgl. Armutat et al., 2007, S. 48).
Ihre besondere Bedeutung im Rahmen des Drei-Säulen-Mo-
dells haben neuerdings Claßen/Kern hervorgehoben. Unter
der Bezeichnung „Business Partner“ wird diesem die Funkti-
on eines Spielmachers, Bindeglieds und Vermittlers zwischen
dem Personalbereich und den Fachbereichen zugewiesen (vgl.
Claßen/Kern, 2010).
Abb. 4:
Verbreitung des Drei-Säulen-Modells der
HR-Organisation
Drei-Säulen-Modell der HR-Organisation
Nennungshäufigkeit
(1) HR Centers of Expertise
60%
(2) HR Service Centers (Shared Service Opera-
tions)
52%
(3) HR Business Partners, die an Leiter der
jeweiligen Business Units (52%) und/oder
an die zentrale Konzern-/Unternehmens-/
Personalleitung (51%) berichten
52% bzw. 51%
Quelle: Mercer 2010, S. 17
n = 500 Unternehmen in EMEA
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