PERSONALquarterly 1/2016 - page 6

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SCHWERPUNKT
_INTERVIEW
PERSONALquarterly 01/16
PERSONALquarterly:
Wie definieren Sie Innovationskultur in Wirt-
schaft und Gesellschaft?
Marion A. Weissenberger-Eibl:
Nun, es gibt viele Facetten von In-
novationskultur. Dazu gehört neben Kreativitäts- und Lern-
kultur etwa eine konstruktive Fehlerkultur, welche erkannte
Schwächen und Mankos nicht ignoriert oder sogar vertuscht,
sondern vielmehr zur Weiterentwicklung und Optimierung
nutzt. Ein solches Lernen basiert auf dem offenen Umgang
mit Fehlern, deren Analyse und dem strukturierten Ableiten
von Verbesserungspotenzialen. Für mich persönlich ist eine
Kultur der Neugier besonders wichtig. Denn nur das Interesse
an unserer Umwelt und stetiges (Hinter-)Fragen können Inno-
vationen hervorbringen. Dabei sind die gesellschaftlichen Rah-
menbedingungen von Bedeutung, wie etwa die Bereitschaft der
Bürger, neue Technologien aufzunehmen – was ein gewisses
Maß an Offenheit erfordert. Ein inspirierendes und offenes
Umfeld fördert also das Hervorbringen von Innovationen. Auf
diese Weise entstehen aus der erfolgreichen Umsetzung von
Ideen und neuen technischen Lösungen neue Prozesse, neue
Dienstleistungen oder neue Organisationsformen. Umgekehrt
tragen Innovationen erheblich zu wirtschaftlichem Wachstum
und gesellschaftlichem Wohlstand bei.
PERSONALquarterly:
Was gehört unabdingbar zur Innovations-
kultur in Unternehmen? Welche Verantwortung und Aufgaben
übernehmen Personalmanager?
Marion A. Weissenberger-Eibl:
Aus meiner Sicht haben Personal-
manager eine wesentliche Rolle im Unternehmen. Sie un-
terstützen die Führungskräfte hinsichtlich der Entwicklung
und Umsetzung neuer Personal- und Organisationskonzepte
sowie bei der Auswahl der hierfür geeigneten Mitarbeiter. Im
Zentrum stehen die Ausschöpfung der Kreativität und der In-
novationskraft aller Beschäftigten. Spitzenleistung wird insbe-
sondere dann erreicht, wenn das Unternehmen für möglichst
heterogene Teams sorgt. Inzwischen wissen wir, dass diese
sich durch einen größeren Ideenreichtum und mehr Kreativität
in Forschung und Entwicklung auszeichnen, was eine verbes-
serte Innovationsfähigkeit und Qualität der Forschung bewirkt.
Heterogenität meint hier sowohl die (wissenschaftliche) Aus-
bildung wie auch Persönlichkeit oder Geschlechts- und Alters-
Persönlichen Gestaltungsspielraum ausbauen
Das Interview mit Fraunhofer ISI-Chefin
Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl
führte
Ruth Lemmer
struktur. Auch soziale Diversität wird zunehmend als positiver
Faktor in der Arbeitswelt erkannt. Neben der Vielfalt der Ge-
schlechter werden darunter auch die Vielfalt der Kulturen und
Lebensstile sowie die der Lebensalter verstanden. Studien des
Fraunhofer ISI haben gezeigt, dass gerade gemischte Teams
besonders erfolgreich zusammenarbeiten. Nicht zuletzt kann
Vielfalt auch dazu beitragen, Team- und Führungskulturen zu
verändern und einen sozialeren Umgang miteinander zu för-
dern. Angesichts des demografischen Wandels und neuer He-
rausforderungen im Zuge globalisierter Innovationsprozesse
ist eine stärkere Beteiligung von älteren Beschäftigten, Mi-
granten und Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft geboten.
PERSONALquarterly:
Und welche Rolle spielen Führungskräfte?
Marion A. Weissenberger-Eibl:
Führungskräfte sollten die Innovati-
onsfähigkeit ihrer Mitarbeiter im Interesse des Unternehmens
optimal fördern. Dabei sind verschiedene Entwicklungen zu
beobachten und Werkzeuge an die Hand zu geben. Schon heute
ist es so, dass Führungskräfte immer weniger Befehlsgeber
sind. Die Umstände der heutigen Arbeitswelt erfordern viel-
mehr eine Art Coach, der für seine Mitarbeiter die Rahmen-
bedingungen schafft, in denen diese optimal arbeiten können.
Dieser Trend wird sich fortsetzen. Da Mitarbeiter besonders
dann sehr gute Leistungen erzielen, wenn Handlungs- und
Gestaltungsspielräume groß sind, sollten Führungskräfte sich
genau dies zunutze machen. Der Grad der Selbstbestimmung
spielt hier eine bedeutende Rolle: Je weiter der persönliche
Gestaltungsraum ist, desto größer ist auch die Motivation,
was wiederum zu einem besseren Arbeitsergebnis führt. Um
eine erfolgreiche Unternehmenskultur zu schaffen, müssen
Führungskräfte und Mitarbeiter ihren Anteil zu einer Ver-
trauenskultur beitragen. Diese schafft die Grundlage, Neues
auszuprobieren und sich stetig zu verbessern. Auf der Ebene
der Teamprozesse und Organisationsentwicklung lassen sich
weitere Beispiele identifizieren. In erster Linie zählen dazu
Initiativen, die ein offenes und unterstützendes Arbeitsum-
feld ermöglichen. Auch die Anwendung von Meilensteinen und
Zielvereinbarungen sowie explizite Freiräume für Beschäftigte
sollten Führungskräfte standardmäßig nutzen, um eine hö-
here Motivation zu erzielen. Natürlich stellen die veränderten
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