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PERSONALquarterly 04/15
NEUE FORSCHUNG
_ZUSAMMENARBEIT
mentalen Modelle. Diese Effekte waren sowohl kurz- als auch
langfristig zu beobachten. STROTA hat zudem die Anzahl der
empfangenen E-Mails reduziert, was auf einen klareren und
koordinierteren Informationsaustausch schließen lässt. Auch
die von den Teammitgliedern subjektiv empfundene Informati-
onsüberflutung reduzierte sich umso stärker, je mehr Schritte
von STROTA durchlaufen worden waren.
Die vermittelnde und bedeutende Rolle von geteilten men-
talen Modellen bei der Wirkung der STROTA-Intervention auf
Informationsüberflutung konnte ebenfalls bestätigt werden.
Nur wenn sich die mentalen Modelle der Teammitglieder über
die Aufgabe und die jeweiligen Rollen der Teammitglieder ver-
bessern, d.h. sowohl zutreffender als auch übereinstimmender
werden, reduziert sich auch die Informationsüberflutung der
Teammitglieder. Damit reihen sich unsere Befunde einerseits
in die bisherige Forschung ein, die zeigen konnte, dass gute
und geteilte mentale Modelle über Rollen und Expertise in
(virtuellen) Teams einen positiven Einfluss auf Teamprozesse
und den Informationsaustausch haben (Ellwart et al., 2014;
Gurtner et al., 2007). Darüber hinaus können wir zeigen, dass
durch eine kurze und einfach umzusetzende Intervention das
Verständnis der Teammitglieder von Teamaufgaben und Rollen
vertieft werden und damit die Informationsüberflutung wirk-
sam reduziert werden kann. Damit postulieren wir zusätzlich
neue theoretische Annahmen zur Rolle von Teamwissen im
Kontext kollektiver Teamprozesse.
Kritische Reflexion
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse lässt sich einschrän-
kend feststellen, dass es sich bei diesem Experiment um eine
Studie mit lediglich studentischer Stichprobe und mit künst-
lichen Zeitvorgaben handelt. Dies bezieht sich sowohl auf die
STROTA-Intervention (3 x 5 Minuten für drei Adaptations-
schritte) als auch auf die Abfolge aus Arbeitsphasen und Inter-
ventionsphase (2 x 15 Minuten Arbeitsphase mit 15 Minuten
Unterbrechung). Solche standardisierten Vergleichsbedingun-
gen sind meist nur in Laborräumen möglich. In weiteren Stu-
dien soll STROTA deshalb auch im wirtschaftlichen Kontext
mit realen statt konstruierten Arbeitsaufträgen erprobt wer-
den. Damit wäre es dann auch möglich, die Performanz der
Teams zu vergleichen, die in dieser Untersuchung keine Rolle
spielte. Zurzeit werden die Ergebnisse um qualitative Studien
erweitert, um die Lern- und Adaptationsprozesse der einzel-
nen Teams besser zu verstehen.
Praktische Implikationen
Die vorliegende Studie bestätigt die Bedeutung von Teamwis-
sen (d.h. geteilten mentalen Modellen) für die Qualität des
Informationsaustauschs und somit für die Vermeidung von
Informationsüberflutung in Unternehmen. Insbesondere für
Teams, die medial miteinander kommunizieren, ist es zentral,
gut aufeinander abgestimmte und adäquate mentale Modelle
von der Aufgabe und dem Wissen der anderen Teammitglie-
der zu haben, um ihr Kommunikationsverhalten entsprechend
anzupassen. Dadurch könnte sich Informationsüberflutung
mitsamt den entsprechenden Konsequenzen, wie Stress und
Müdigkeit, vermeiden oder zumindest reduzieren lassen.
Darüber hinaus bietet das Konzept von STROTA die Mög-
lichkeit, Informationsüberflutung nicht nur mit individuellen
Strategien oder durch den Einsatz von technischen Mitteln
und Tools zu begegnen, wie bisher oft von der Forschung und
in Empfehlungen für Praktiker vorgeschlagen wurde. Stattdes-
sen erlaubt STROTA Unternehmen eine gezielte Entwicklung
ähnlicher Interventionen für unterschiedliche Schulungs-Kon-
texte. Analoge Interventionen sind gut geeignet, um im Unter-
nehmen Prozesse in Teams zu optimieren und die Entwicklung
von Teams zu unterstützen. Wichtig ist es dann natürlich, die
Intervention den Gegebenheiten und Bedürfnissen des (virtu-
ellen) Teams genau anzupassen (Ellwart et al., 2014).
Während Informationsüberflutung zunehmend im Kontext
virtueller Teams berichtet wird (Eppler & Mengis, 2004; Rack
et al., 2011), bietet STROTA Mitarbeitern in Unternehmen eine
Möglichkeit, die Verarbeitung der eingehenden Information
zu optimieren, ohne direkt auf den Umgang mit der Infor-
mation Einfluss zu nehmen. Verbindliche Maßnahmen zum
„technischen“ Umgang mit Informationen, wie z.B. Filter zu
setzen oder E-Mails nur einmal pro Tag zu lesen, könnten von
Mitarbeitenden als Eingriff in ihre Autonomie wahrgenommen
werden. STROTA hingegen sensibilisiert Teammitglieder für
Informationsüberflutung und ermutigt zur offensiven Diskus-
sion und Bearbeitung der Probleme in einer Reflexionsphase
außerhalb der eigentlichen Teamarbeit, aber ohne großen Zeit-
bedarf. Gemäß dem Modell der Team Adaptation (Burke et al.,
2006) ist eine solche Phase notwendig, um auch weitere Team-
prozesse zu optimieren. Die STROTA-Intervention ist deshalb
ein vielversprechendes Rahmenmodell im Bereich der Team-
forschung und der Personalpraxis und unterstreicht die Be-
deutung von Teamwissen als Grundlage effektiver Teamarbeit.