PERSONALquarterly 4/2015 - page 44

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PERSONALquarterly 04/15
NEUE FORSCHUNG
_ZUSAMMENARBEIT
S
tetige Veränderungen von Strukturen und Prozessen
in Unternehmen stellen auch für das Personalmanage-
ment eine Herausforderung dar. So berichten viele Be-
schäftigte in Zeiten elektronischer Medien von einer
kaum zu bewältigenden Flut an Informationen, die täglich auf
sie einstürzt (Klausegger/Sinkovics/Zou, 2007). Dieses Gros
an Information setzt die Betroffenen oftmals unter Druck und
kann in der Folge zu Stress und Müdigkeit führen (Bawden/
Robinson, 2009). Sowohl von einzelnen Mitarbeitenden, insbe-
sondere aber auch von Teams, wird in diesem Zusammenhang
erwartet, dass sie selbstständig Lösungen für die Bewältigung
dieser täglichen Informationsflut finden und geeignete Metho-
den der Kommunikation im Team entwickeln. Für Personalab-
teilungen bietet sich hier die Chance, ihre Mitarbeitenden in
diesem Prozess zu unterstützen.
Bis vor Kurzem wurde auf der Basis von Forschungsergeb-
nissen sowohl für face to face als auch für virtuelle Teamarbeit
empfohlen, alle verfügbaren und erhaltenen Informationen
stets allen Teammitgliedern weiterzuleiten (Mesmer-Magnus/
DeChurch, 2009), da sich so die besten Entscheidungen tref-
fen ließen. Dabei wurde allerdings außer Acht gelassen, dass
damit die Informationsflut weiter erhöht wird. Die Forschung
beschäftigt sich deshalb zunehmend auch mit den negativen
Konsequenzen dieser Informationsüberflutung (information
overload, IO; Eppler/Mengis, 2004).
Information overload kommt einerseits dadurch zustande,
dass zu viel Information verarbeitet werden muss. Dies be-
deutet konkret, dass z.B. zu viele E-Mails die Mailbox füllen.
Andererseits führt auch die Art und die Darbietungsform zur
Wahrnehmung von Informationsflut: E-Mails, bei denen unklar
ist, ob sie für den Empfänger/die Empfängerin relevant sind,
E-Mails, die unstrukturiert formuliert sind, die zu viel oder
wenig relevante Information erhalten, oder auch lange Diskus-
sionsstränge, bei denen der Fokus verloren geht. Dieses Gefühl
der Informationsüberflutung findet sich besonders in vielen
Teams mit einem hohen Anteil von Mediennutzung wieder.
Ist der Informationsaustausch in Teams suboptimal, gefährdet
dies die erfolgreiche Bewältigung der Teamaufgabe. Bei hoch
Die Kraft mentaler Modelle:
Informationsüberflutung in Teams besiegen
Von
Dr. Christian Happ, Prof. Dr. Oliver Rack, Prof. Dr. Andrea Gurtner
und
Prof. Dr. Thomas Ellwart
1
virtueller Zusammenarbeit verstärken sich die Effekte: einer-
seits ist die Gefahr von Informationsüberflutung größer, ande-
rerseits ist der Teamerfolg bei suboptimaler Kommunikation
stärker gefährdet. Es muss somit nach Wegen gesucht werden,
die Menge der Information zu verringern und gleichzeitig die
Qualität zu erhöhen.
Während bisherige Lösungsansätze sich eher auf die Ver-
meidung von Informationsüberflutung durch technische
Lösungen oder Ansätze auf individueller Ebene (z.B. Medi-
enkompetenztrainings) konzentriert haben (vgl. Details bei
Rack/Tschaut/Giesser/Clases, 2011), setzt der hier präsen-
tierte Ansatz auf der kognitiven Ebene an, d.h. am Aufga-
ben- und Prozesswissen der einzelnen Teammitglieder und
des ganzen Teams. Um der Informationsüberflutung zu begeg-
nen, wurde eine strukturierte Online-Intervention entwickelt
und getestet, die das Bewusstsein von Teammitgliedern über
Rollen, Wissen und Aufgaben der anderen Teammitglieder
schärft und dadurch ermöglicht, gezielter, also weniger und
besser, zu kommunizieren. Die Intervention wurde im Hin-
blick auf die Reduktion von Informationsüberflutung über-
prüft. Der Ansatz lässt sich aber ohne Weiteres auf andere
Bereiche der Prozessoptimierung oder Anpassung übertragen,
in denen Mitarbeitende oder Teams durch ein gemeinsames
Verständnis von Aufgaben, Prozessen oder Strukturen ihre
Zusammenarbeit verbessern können.
Mentale Modelle im Team: Wenn alle dasselbe wissen
Bei der von uns vorgeschlagenen strukturierten Online-Inter-
vention stehen die Vorstellungen, die einzelne Teammitglie-
der von der gemeinsamen Aufgabe, den Prozessen und den
Rollen der anderen Teammitglieder haben, im Mittelpunkt.
Diese Vorstellungen oder Kognitionen innerhalb eines Teams
werden in der Forschung teambezogene mentale Modelle
(team mental models; TMM) genannt. Mentale Modelle in
Teams können sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob die
Teammitglieder (1) über ausreichend Wissen verfügen (Qua-
lität des Wissens) und (2) ob das Wissen bei allen Teammit-
gliedern gleichermaßen repräsentiert ist (Ähnlichkeit des
Wissens). Wenn Teammitglieder über ein ausreichendes und
von allen geteiltes Wissen über die Teamaufgabe und ihre je-
1 Diese Arbeit wurde gefördert von der Swiss National Science Foundation
[grant 1000114M_144378/1].
1...,34,35,36,37,38,39,40,41,42,43 45,46,47,48,49,50,51,52,53,54,...68
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