PERSONALquarterly 4/2015 - page 36

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PERSONALquarterly 04/15
NEUE FORSCHUNG
_GENERATIONENDIVERSITÄT
N
eben der Veränderung der Altersstruktur infol-
ge des demografischen Wandels zeigen sich im
Arbeitsleben auch neue Ansprüche und Vorstel-
lungen der Beschäftigten. Gerade die junge Arbeit-
nehmergruppe, die nach Ausbildung und Studium aktuell in
das Erwerbsleben eintritt, verhält sich Studien zufolge an-
ders als Mitarbeiter vorheriger Generationen (Hurrelmann &
Albrecht, 2014; Klaffke, 2014). Unterschiedliche Erwartungs-
haltungen einzelner Altersgruppen sind per se kein neues
Phänomen. Neu sind allerdings die Rahmenbedingungen,
denn durch Rückgang und Alterung der Erwerbsbevölkerung
zeichnen sich in Deutschland Kapazitätsrisiken von bislang
ungekanntem Ausmaß ab. Obgleich in der Generationenviel-
falt durchaus Konfliktpotenzial gesehen wird, hat die Förde-
rung eines produktiven Miteinanders der Generationen im
betrieblichen Alltag noch relativ niedrige Priorität (Bertels-
mann Stiftung & Mercer 2012).
Die DB Netz AG als Betreiber des rund 33.300 Kilometer lan-
gen deutschen Schienennetzes ist von den Herausforderungen
des demografischenWandels in besonderer Weise betroffen, da
sie in den nächsten zehn Jahren jeden dritten Arbeitsplatz neu
besetzen muss. Zudemwird die Rekrutierung von vornehmlich
jüngeren Nachwuchskräften zu einer ausgeprägten „Wannen“-
Demografiestruktur führen, bei der ältere und jüngere Beschäf-
tigte mit ihren jeweiligen Wünschen und Vorstellungen direkt
aufeinandertreffen. Um den damit verbundenen potenziellen
Friktionen begegnen zu können, wurde in einer Pilotstudie
untersucht, wie die DB Netz AG die intergenerative Zusam-
menarbeit produktiv gestalten kann. Ausgehend von der Be-
schreibung des Generationenzugehörigkeitsansatzes skizziert
der Beitrag die in der Studie identifizierten Reibungszonen
zwischen Beschäftigtengenerationen und schlägt praxisorien-
tiert Handlungsansätze zur Förderung der Zusammenarbeit im
Generationen-Mix vor.
Generationen als Erklärungsansatz
Zur Erklärung von Unterschieden im Erleben und Verhalten
von Menschen verschiedenen Alters werden Alterseffekte,
Lebensphaseneffekte sowie Generationeneffekte vorgeschla-
gen (Oertel, 2007; Bruch et al., 2010). Nach dem historisch-ge-
Zusammenarbeit im Generationen-Mix
Fallbeispiel DB Netz AG
Von
Prof. Dr. Martin Klaffke
(Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) und
Ute Plambeck
(DB Netz AG)
sellschaftlichen Generationenbegriff in der Tradition des
Soziologen Karl Mannheim (1928) versteht man unter einer
Generation eine gesellschaftliche Gruppe, die Geburtsperio-
de und prägende kollektive Ereignisse (zum Beispiel den Fall
der Berliner Mauer) in Kindheit und Jugend teilt. Nach der
Sozialisationshypothese entstehen die grundlegenden Wert-
vorstellungen eines Menschen weitgehend in den Kinder-,
Jugend- und frühen Erwachsenenjahren und reflektieren die
während der formativen Phase vorherrschenden Bedingun-
gen unter anderem in Gesellschaft und Wirtschaft (Schuman
& Scott, 1989; Oertel, 2007). Der Schlüssel zum Verständnis
des Verhaltens von Menschen unterschiedlichen Alters aus
Generationensicht liegt damit in der Analyse bedeutsamer
historisch-sozialer Konstellationen und wichtiger Verände-
rungen in den Lebensbedingungen während dieser Zeit. In-
dem Generationenzugehörigkeit bewusst kategorisiert, kann
der Ansatz selbstverständlich nie alleiniges Erklärungsmuster
individuellen Verhaltens sein, bietet jedoch Orientierungshil-
fe, um Denken und Handeln von Beschäftigten verschiedener
Altersgruppen zu verstehen (Twenge et al., 2010).
Eine allgemeingültige Generationengliederung für die Ar-
beitswelt in Deutschland existiert bis dato noch nicht. Viel-
fach wird die US-amerikanische Generationensystematik für
Deutschland adaptiert, wobei angesichts divergenter Sozia-
lisationsbedingungen Anpassungen in Bezug auf Jahrgänge
und auch Generationenbezeichnungen vorgenommen werden
müssen. Vorgeschlagen wird danach das in Abbildung 1 darge-
stellte Generationentableau, das gegenwärtig bis zu fünf Gene-
rationen im deutschen Arbeitsleben verortet (Klaffke, 2014). Da
sich diese Generationen auf einen historisch-gesellschaftlichen
Kontext beziehen, ist aufgrund der Teilung Deutschlands nach
dem Zweiten Weltkrieg und den damit verbundenen unter-
schiedlichen Bedingungen des Aufwachsens für die etablierten
Generationen ergänzend von jeweils einer Generation Ost und
einer Generation West auszugehen.
Aktuell befindet sich die Nachkriegsgeneration im Über-
gang in den Ruhestand. Prägend für ihre Vertreter dürften vor
allem der wirtschaftliche Wiederaufbau, der Kalte Krieg sowie
später die Humanisierung im Arbeitsleben gewesen sein. Die
Baby Boomer bilden zahlenmäßig das Rückgrat der deutschen
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