32
PERSONALquarterly 04/15
SCHWERPUNKT
_PERSONAL & INNOVATION
neuen Erfahrungen und Eindrücken) und (3) Verfahren, welche
die zugrunde liegende Motivstruktur einer Person erfassen (et-
wa Statusorientierung oder Wettbewerbsorientierung).
Je nach Fokus der diagnostischen Fragestellung kann nun
aus den verschiedenen Tests eine passende Verfahrensbatterie
zusammengestellt werden. Kommt es beispielsweise bei der
Besetzung von F&E-Stellen darauf an, Mitarbeiter zu finden,
die besondere Fähigkeiten zur Weiterentwicklung bekannter
Konzepte haben und die hierzu nötigen Informationen rasch
gewinnen und analysieren müssen, können verstärkt kognitive
Fähigkeiten berücksichtigt werden. Bei der Zusammensetzung
möglichst kreativer Marketingteams wiederum wären vermut-
lich verstärkt auch Persönlichkeitsmerkmale in die Auswahl
der Kandidaten miteinzubeziehen. Eine sinnvolle Kombination
verschiedener Instrumente ergibt sich unter anderem dann,
wenn die Verfahrensauswahl auf einer gründlichen Analyse
der tatsächlichen Anforderungen beruht, also klar definiert
wird, welche Merkmale kreativitätsbegünstigend sind, was
folglich gemessen werden soll und durch welche Instrumente
diese Informationen gewonnen werden. Zum anderen sollte
die Kombination der unterschiedlichen Verfahren und Test-
werte auf einer Untersuchung der inkrementellen Validitäten
basieren. Inkrementelle Validität drückt den zusätzlichen Vor-
hersagebeitrag aus, der durch die Hinzunahme eines weite-
ren Verfahrens erzielt werden kann. Je nach Erfolgskriterium
(z.B. Gehalt, Karrieregeschwindigkeit) oder Bereich können
sich damit für die verschiedenen Tests und Personmerkmale
auch unterschiedliche Gewichte ergeben. Durch eine anforde-
rungsanalytisch untermauerte psychometrische Überprüfung
der Verfahrensbatterie wird sichergestellt, dass ausschließlich
Berufs(-erfolgs-)relevantes gemessen wird – unter rechtlichen
Aspekten ein wesentlicher Punkt – und die Verfahrensbatterie
ökonomisch und zugleich maximal valide ist.
Allerdings gilt es zu beachten, dass eine Zusammenstellung
von Testbatterien in den seltensten Fällen originär als „Kreativi-
tätstest“ konzipierte Instrumente berücksichtigt. Viel eher wird
dabei auf Verfahren zurückgegriffen, die ursprünglich zur Mes-
sung anderer Konstrukte, wie Intelligenz, Persönlichkeitsvari-
ablen oder Motivation, entwickelt wurden. Mittlerweile liegen
jedoch auch Verfahren vor, welche die Anforderungen einer mo-
dernen Eignungsdiagnostik erfüllen: berufsbezogen formulierte
Aufgaben, leistungsorientiert und dabei höchst valide bei der
Der kreative Prozess
Eigenschaftsdiagnose (Tests)
Verhaltensdiagnose (Arbeitsproben)
Biografische Diagnose (Ergebnisse)
1.
Problementdeckung (suchen, identifi-
zieren und definieren)
Wissbegier, Offenheit
Probleme in Situationsschilderungen
entdecken
Lehrereinschätzung
2.
Informationssuche, -aufnahme und
-bewertung
Auffassungsumfang, Arbeitsge-
dächtnis
Erkennen beziehungsrelevanter Informa-
tionen
Vorwissen
3.
Kombination von Konzepten (Verknüp-
fungen herstellen)
Analogien finden, Flexibilität
Objekte zu Kategorien ordnen oder vor
gegebene Kategorien reorganisieren
Inhaltsanalyse von Aufsätzen/
Publikationen
4.
Ideenfindung (Inkubation, Intuition,
Einfall, Einsicht)
Divergentes Denken, Hypothesen
finden
Situative Interviewfragen
Interessen, Kollegeneinschätzung
5.
Ausarbeitung und Entwicklung des
Lösungsansatzes
Fähigkeit zum Problemlösen
Arbeitsprobe: Umsetzen vorgegebener
Ideen
Eingereichte Patente, Diplomarbeit
6.
Ideenbewertung
Urteilsvermögen, kritisches Denken Einschätzung der Qualität konkurrierender
Problemlösungen
Beurteilung durch Vorgesetzte
7.
Anpassung und Umsetzung (Prüfung,
Realitätsanpassung)
Realismus, Pragmatismus
Zu prüfende Hypothesen identifizieren,
Konzeptmodifikation
Biografische Interviewfragen
8.
Implementierung (Kommunikation,
Überzeugung, Systemintegration)
Soziale Kompetenz, Dominanz,
Beharrlichkeit
Rollenspiele, Kommunizieren,
Überzeugen
Berufsbiografie, durchgesetzte
Innovationen
Quelle: Schuler/Görlich, 2007, S. 88
Abb. 2:
Diagnose der Schritte des kreativen Prozesses in Form dreier diagnostischer Modalitäten