PERSONALquarterly 4/2015 - page 30

30
PERSONALquarterly 04/15
SCHWERPUNKT
_PERSONAL & INNOVATION
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Kreativität stellt zugleich eine Anforderung an Mitarbeiter als auch ein
Unternehmensziel dar. Angesichts der Bedeutung kreativen Potenzials ist es unabdingbar, die
verschiedenen Ansätze zur Kreativitätsdiagnostik zu bewerten, um im spezifischen Fall ge­
eignete Verfahren einsetzen zu können.
Methodik:
Neben der Diskussion verschiedener kreativitätsdiagnostischer Ansätze wird
eine neue Verfahrensklasse anhand empirischer Befunde vorgestellt.
Praktische Implikationen:
Die effiziente Prognose kreativer Leistungen und allgemeiner
Berufserfolgskriterien ist anhand moderner Verfahren sehr gut möglich.
diese gleich auch noch umsetzen kann, muss kreativ sein –
dieser Schluss erlaubt ein indirektes Urteil über das kreative
Potenzial von Personen (Amabile, 1988). Entsprechend geben
die Biografien und Referenzen von Bewerbern Aufschluss über
vorherige kreative Erfolge, wie etwa die Anzahl eingereichter
Patente, gewonnener Ausschreibungen und Wettbewerbe oder
verkaufter Kunstwerke.
Allerdings birgt die Identifikation kreativen Potenzials via
bereits geschaffener Produkte einige Probleme.
1. Die Entwicklung neuartiger Ideen und deren Umsetzung
in machbare Lösungen erfordert zum einen Erfahrung und zum
anderen Zeit. Beide Voraussetzungen können erst nach einer
gewissen Berufserfahrung erfüllt werden. Damit ist der Rück-
griff auf bisher Geleistetes bei Berufsanfängern oder Querein-
steigern nur wenig hilfreich. Auch in neuen Märkten kann per
Definition noch keine Produkthistorie vorliegen, anhand derer
sich Bewerber als besonders innovativ
1
ausweisen könnten.
2. Ob eine Idee als kreativ eingeschätzt wird, hängt stark
vom Hintergrund des Beurteilers ab. Dessen Expertise, Erfah-
rung und Strategie beeinflussen Kreativitätsratings ebenso
wie Zeitgeist, aktuelle Trends, kulturelle, gesellschaftliche und
unternehmerische Faktoren oder auch schlicht der Technolo-
giewandel über die Zeit hinweg. Zahlreiche Anekdoten beschrei-
ben Fälle, in denen hoch kreative Lösungen zunächst verkannt
worden waren und erst Jahre später ihren Durchbruch feiern
konnten. Wann immer Produkte bewertet werden, unterliegen
diese Beurteilungen stets einer sozialen Konstruktion von Kri-
terien: Abhängig davon, welche Maßstäbe Beurteiler anlegen,
gelten Ideen entweder als unkreativ oder aber als neuartig und
nützlich und damit als lohnenswert, in sie zu investieren.
Selbst- und Fremdeinschätzungen
Neben der Bewertung von Ergebnissen können Personen auch
direkt selbst um eine Einschätzung ihres kreativen Potenzi-
als gebeten werden. Selbsteinschätzungen bieten den Vorteil,
dass hier auch (noch) nicht publike Leistungen berücksichtigt
werden bzw. der individuelle Anteil an kreativen Leistungen
eines Teams erfasst werden kann.
Allerdings birgt der Einsatz von Kreativitätsselbsteinschät-
zungen natürlich auch dieselben Probleme, denen Selbst-
Expertise), nicht-kognitiven (Persönlichkeit) und motivatio-
nalen (need for creativity, Leistungsmotivation, Interessen)
Merkmalen definiert (Palmer, 2015).
3
Prozess: Gerade in hochgradig erfahrungs- bzw. wissensba-
sierten Domänen entstehen kreative Ideen nicht über Nacht.
Die Forschung zum Kreativitätsprozess befasst sich mit den
Herausforderungen, denen Kreative auf ihrem teils langen
und mühevollen Weg von der initialen Problementdeckung
bzw. Bedarfsidentifikation hin zu einer nachhaltigen und
akzeptierten kreativen Lösung begegnen, und beschreibt die
relevanten Fähigkeiten und Verhaltensweisen in den jewei-
ligen Prozessphasen (für einen Überblick sei auf Howard/
Culley/Dekoninck, 2008, und Palmer, 2015, verwiesen).
Ein grundlegendes Prozessverständnis unterscheidet vier
Prozessstufen: Vorbereitung, Inkubation und Illumination,
Verifikation und Implementierung (Lubart, 2001).
3
Press (Umwelt): Unter Umwelt werden die situativen und
sozialen Kontextfaktoren zusammengefasst, die kreative
Erfolge ermöglichen (oder verhindern), wie etwa der Hand-
lungsspielraum, der Führungsstil und die wahrgenommene
Unterstützung bzw. Bereitstellung von Ressourcen. Für einen
Überblick auf Einflussvariablen im Unternehmenskontext sei
auf Krause (2013), Oldham und Cummings (1996), Schuler
und Görlich (2007) oder Zhou und Shalley (2003) verwiesen.
Während die Umweltbedingungen vornehmlich für den erfolg-
reichen Verbleib bereits gewonnener Mitarbeiter bedeutsam
sind, erweisen sich die weiteren drei Kreativitätsperspektiven
hingegen für das Recruiting kreativer Mitarbeiter als relevant.
Kreative Leistungen
Aus den verschiedenen Zugängen zur Kreativität lassen sich
direkt Möglichkeiten zur Messung des kreativen Potenzials
ableiten. Am offensichtlichsten wird Kreativität natürlich in
kreativen Produkten. Kreative Lösungen, wie etwa eine Idee
zur Prozessoptimierung, sind direkt beschreibbar und manch-
mal sogar, wie zum Beispiel im Falle neuartiger Konsumgüter,
auch unmittelbar sicht- und greifbar. Da liegt es nahe, kreative
Produkte nach ihrer Bedeutung zu bewerten und im nächsten
Schritt ihre Produzenten darauf basierend als mehr oder we-
niger kreativ zu beurteilen. Wer kreative Ideen aufbringt und
1...,20,21,22,23,24,25,26,27,28,29 31,32,33,34,35,36,37,38,39,40,...68
Powered by FlippingBook