PERSONALquarterly 04/15
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STATE OF THE ART
_EMPOWERMENT
U
nter der Schlagzeile „Wenn Mitarbeiter den Chef
auswählen“ berichtete das Handelsblatt am19. Janu-
ar diesen Jahres von Unternehmen aus innovativen
Branchen, die das traditionelle Hierarchieverständ-
nis auf den Kopf stellen. Ähnlich öffentlichkeitswirksam,
allerdings in traditionellerem Umfeld, verlief die Wahl des
Dirigenten der Berliner Philharmoniker durch die Orchester-
mitglieder, die erst nach mehreren Anläufen gelang. „Demo-
kratisierung? Unausweichlich!“ titelt das Deutschlandradio am
9.3.2015 und führt als Begründung für die Demokratisierungs-
notwendigkeit die Bedürfnisse der Beschäftigten an, denen
vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des
Fachkräftemangels größere Bedeutung zukomme. Unter den
breiteren programmatischen Begriffen Selbstbestimmung,
Partizipation und Potenzialentfaltung beschreibt der Doku-
mentarfilm „Auf Augenhöhe“ Unternehmensbeispiele, in de-
nen der Traum einer ausgeglichenen Arbeitswelt verwirklicht
scheint. New Work, wie wollen wir in Zukunft arbeiten, ist zu
einem bestimmenden Trendthema in der Personalcommunity
geworden.
Unternehmen können ihren Mitarbeitern über zwei
verschiedene Wege mehr Handlungsspielraum und Ent-
scheidungsmacht geben. Erstens können Mitarbeiter an Ent-
scheidungsprozessen im Unternehmen partizipieren, z.B. bei
der Wahl der eigenen Führungskraft. Zweitens kann man ih-
nen mehr Selbstbestimmung über die eigene Arbeit gewähren,
z.B. durch eine Flexibilisierung von Arbeitszeit oder Arbeits-
ort (siehe hierzu auch Biemann & Weckmüller in PERSONAL-
quarterly 2/2015). In der Personalforschung werden analoge
Ansätze als Work Design Theorien diskutiert. Der Höhepunkt
der Forschungstätigkeit zu dieser Thematik war bereits in den
1980er-Jahren, allerdings wurden in den letzten Jahren wieder
vermehrt (Meta-)Studien veröffentlicht, die einen tieferen Ein-
blick in grundlegende Zusammenhänge liefern. Wir möchten
in diesem Beitrag den derzeitigen Stand der Forschung für
beide Wege, Partizipation und Selbstbestimmung, darstellen
und uns insbesondere folgenden Fragen zuwenden: Besteht ein
direkter Zusammenhang zwischen Partizipation und Unter-
nehmenserfolg? Über welchen Mechanismus lassen sich aus
höherer Selbstbestimmung positive Effekte auf den Unterneh-
menserfolg erzielen? Welche Voraussetzungen müssen die Be-
schäftigten mitbringen? Und welche Formen von Partizipation
und Selbstbestimmung sind besonders effektiv?
Direkter Zusammenhang zwischen Partizipation
und Unternehmenserfolg
Der Partizipation der Mitarbeiter an Unternehmensprozessen
wird schon lange ein positiver Effekt auf den Unternehmens-
erfolg zugesagt. Jeffrey Pfeffer sieht beispielsweise selbstbe-
stimmte Teams und dezentralisierte Entscheidungsprozesse
als eines der sieben Kriterien erfolgreicher Organisationen
(Pfeffer, 1998). Im Rahmen des strategischen HRM wird Parti-
zipation als eine sogenannte High Performance Work Practice
definiert, d.h. eine Personalpraktik, die relativ unabhängig
vom spezifischen Unternehmenskontext Erfolg versprechend
ist. Eine umfassende empirische Untersuchung dieser Perso-
nalpraktiken unternahm James Combs mit Kollegen (siehe
auch Biemann, Korff & Weckmüller in PERSONALquarterly
2/2012). Dabei zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwi-
schen der Anwendung partizipativer Personalpraktiken und
dem Organisationserfolg, der allerdings mit einem durch-
schnittlichen korrigierten Korrelationskoeffizienten von
r=0,13
in den 18 untersuchten Studien eher schwach ist
(Combs et al., 2006). Allerdings ist anzumerken, dass auch
für die anderen in der Studie untersuchten Personalpraktiken
nur schwache Zusammenhänge mit Unternehmenserfolg
identifiziert werden konnten. Personalpraktiken werden erst
vollumfänglich wirksam, wenn sie als konsistente unterneh-
mensbezogene Bündel eingesetzt werden (Subramony, 2009).
Wie bei fast allen Personalpraktiken ist die Erfolgswirkung
nicht direkt, sondern verläuft über vermittelnde Prozesse, so-
genannte Mediatoren.
Ein besonders prominentes Modell für die Arbeitsgestaltung
ist das Job Characteristics Model von Hackman und Oldham
(1980). Im Modell wird argumentiert, dass zentrale Merkmale
des Arbeitsplatzes („job characteristics“) auf psychologische
Erlebniszustände des Mitarbeiters („psychological states“)
wirken, die wiederum einen Einfluss auf Arbeitsergebnisse
(„outcomes“) haben. Etwas allgemeiner formuliert können al-
so Personalpraktiken die Einstellungen der Mitarbeiter beein-
Von
Prof. Dr. Torsten Biemann
(Universität Mannheim) und
Prof. Dr. Heiko Weckmüller
(FOM Bonn)
New Work: Was bringen Demokratisierung,
Partizipation und Selbstbestimmung?