2-01.2017
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und die Entziehung klageweise geltend
gemacht. Die Klage hatte Erfolg.
Voraussetzung eines Entziehungsan-
spruchs ist, dass ein Eigentümer sich ei-
ner so schweren Verletzung der ihm ge-
genüber den anderen Eigentümern oblie-
gendenVerpflichtungen schuldig gemacht
hat, dass diesen die Fortsetzung der Ge-
meinschaftmit ihmnicht mehr zugemutet
werden kann. Eine Pflichtverletzung im
Sinn von § 18 WEG setzt nicht zwingend
ein schuldhaftes und subjektiv vorwerf-
bares Verhalten voraus. Auch ein aufgrund
der individuellen Disposition für den Ei-
gentümer nicht oder nur schwer vermeid-
bares Verhalten kann zur Folge haben,
dass den Eigentümern eine Fortsetzung
der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet
FAKTEN:
Ein Eigentümer vermüllte nicht
nur seine Wohnung, sondern auch seinen
Kellerverschlag, den Kellerflur und seine
Sondernutzungsfläche in der Tiefgarage.
Seinen rechtskräftig festgestellten Pflich-
ten, nämlich sein abgemeldetes Auto aus
der Tiefgarage zu entfernen und den Ein-
bau von Kaltwasserzählern zu ermögli-
chen, war er nicht nachgekommen.
Längst beschlossene Fensteraustausch-
maßnahmen konnten in seiner Wohnung
nicht durchgeführt werden. Es hatte zu-
dem bereits Probleme mit Rattenbefall
gegeben. Wegen dieser Vorfälle war der
Eigentümer wiederholt abgemahnt wor-
den. Auch eine Mediation blieb erfolglos.
Schließlich hatten die Eigentümer die
Entziehung des Eigentums beschlossen
Urteil des Monats:
Entziehung des Eigentums bei „Messie-Syndrom“ möglich
Eine Pflichtverletzung im Sinn von § 18 WEG setzt nicht zwingend ein schuldhaftes und subjektiv vorwerfbares Verhalten
voraus. Auch ein aufgrund der individuellen Disposition für den Eigentümer nicht oder nur schwer vermeidbares Verhalten
kann zur Folge haben, dass den Eigentümern eine Fortsetzung der Gemeinschaft nicht mehr zugemutet werden kann.
LG Hamburg, Urteil v. 06.04.2016, 318 S 50/15
FAKTEN:
Ein Eigentümer vermietet seineWohnung regelmäßig an wechselnde arabische
Mieter. Die Mietdauer ist stets kurzfristig. Die übrigen Eigentümer stören sich hieran
und hatten eine entsprechende Nutzungsuntersagung beschlossen. An diesen Beschluss
hatte sich der Eigentümer nicht gehalten. Eine Klage der übrigen Eigentümer hatte kei-
nen Erfolg. Die Gemeinschaftsordnung regelt, dass die Wohnungen auch zu sonstiger
freiberuflicher Tätigkeit genutzt werden dürfen. Wenn die Teilungserklärung nichts
anderes bestimmt und die Eigentümer nichts anderes vereinbart haben, ist auch eine
kurzzeitige Vermietung einer Eigentumswohnung an wechselnde Mieter Teil der zuläs-
sigen Wohnnutzung. Aus der Eigentumsgarantie folgt, dass jeder Eigentümer die Woh-
nung zu Zwecken nutzen darf, die die übrigen Eigentümer nicht über das Maß hinaus
beeinträchtigen, das bei einer Nutzung des Eigentums typischerweise zu erwarten ist.
FAZIT:
Führt eine kurzzeitige Vermietung an wechselnde Mieter zu Nachteilen, die die
übrigen Eigentümer in einemnach § 14WEG nicht hinzunehmendemMaß beeinträch-
tigen, können sie sich selbstverständlich hiergegen zur Wehr setzen.
MEDIZINTOURISTEN
Kurzzeitige Vermietung
erlaubt
Wenn die Teilungserklärung nichts
anderes bestimmt und die Eigentümer
nichts anderes vereinbart haben, ist
die Vermietung einer Eigentumswoh-
nung an wechselnde Mieter auch für
jeweils unter drei Monate, z.B. an sog.
„Medizintouristen“, Teil der zulässigen
Wohnnutzung.
LG München I, Urteil v. 08.02.2016,
1 S 21019/14 WEG
werden kann. Dies war vorliegend der Fall.
Die Richter waren auch davon überzeugt,
dass sich das Verhalten des Eigentümers
künftig nicht ändern wird und somit eine
Wiederholungsgefahr andauert.
FAZIT:
Die „Messie“-Problematik macht
auch nicht vor dem Eigentum halt. Die
Entscheidung verdeutlicht, dass grund-
sätzlich die Entziehung des Eigentums
in Betracht kommt, wenn ein Eigentü-
mer unter dem „Messie-Syndrom“ leidet
und es hierdurch zu erheblichen Beein-
trächtigungen der übrigen Eigentümer
kommt. Wichtig ist, dass stets eine Wie-
derholungsgefahr bestehen muss. Die
Entziehung kann nur als Ultima Ratio
erfolgen.
Präsentiert von:
Rechtsanwalt Alexander C. Blankenstein
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht, Düsseldorf
Wohnungs-
eigentumsrecht
Wohnungseigentumsrecht
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