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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
VERMARKTUNGSTRENDS
20 Besichtigungstermine von etwa einer
Stunde. Plus Fahrtzeit, Vorbereitung,
Nachbereitung, Telefonierzeit und Co.
Stellt sich doch die Frage: An welcher
Stelle der zehneinhalb Monate sollte der
Makler die Interessenten kennenlernen?
Doch lieber am Ende, wenn sie nämlich
kaufen – oder?
PHASE I
Mit „Anneliese, heute kaufen wir
ein Haus!“ startet das Käufer-Paar in die
Interessentenphase I. Es ist ein gemüt-
licher Samstagmorgen, 9 Uhr, und An-
neliese und Karl-Heinz entscheiden sich,
ein Häusle zu erstehen. Stück für Stück
nähern sich die beiden ihremTraumhaus,
indem sie bei Freunden und Bekannten
spionieren: Die offene Küche! Das An-
kleidezimmer! (Anneliese); der begehbare
Bierkühlschrank! Der Werkzeugkeller!
(Karl-Heinz). Nach der schönen Ent-
scheidung zum Immobilienkauf besorgt
Anneliese jede Menge Kataloge. Von
„Schöner Wohnen“ bis hin zu „Landlust“:
Sie schwelgt in Möglichkeiten und Ideen.
Denn Menschen kaufen nicht das, was sie
sehen. Sondern das, was daraus werden
kann. Das ist der erste Schritt, den Inte-
ressenten auf dem Weg zum Eigenheim
zurücklegen: der Traum.
PHASE II
Weiter geht es mit der Suche nach
dem Traum. Anneliese und Karl-Heinz
belästigen den ersten, zweiten oder dritten
Makler und kontaktieren den einen oder
anderen Privatverkäufer. Nach kurzer Zeit
stellen sie enttäuscht fest, dass sie so viel
Immobilie, wie sie sich erträumen, gar
nicht für so wenig Geld erhalten, wie das
Budget hergibt. Entweder ist der Garten
zu klein oder das Objekt zu alt, die Küche
zu dunkel oder die Ausstattung einfach gar
nicht den Ansprüchen entsprechend.
Wie viele Interessenten sind an dieser
Stelle weg? Laut einer Untersuchung der
bayerischen Sparkassen sind es 40 Prozent
(im ländlichen Raum) bis 70 Prozent (in
A
uf dem Weg zur Kundenbeziehung
passiert sehr viel. Das Objektmar-
keting startet, Interessenten melden
sich, wollen telefonisch informiert werden
oder fordern elektronisch weitere Unter-
lagen an. Und nicht zuletzt wollen sie die
betreffende Immobilie besichtigen. Aber
mit welchen Interessenten sollten Makler
reden? Die Branche verbringt immer noch
zu viel Zeit mit den falschen Menschen.
Die Käuferfindung kostet viele Stunden
und jede Menge Marketingbudget. Dabei
ist der Profit des Maklers doch nicht nur
die Provision, sondern vor allen Dingen
der effizientere Umgang mit Zeit.
„Wann ist die Traube reif?“ ist deshalb
die Kernfrage bei der Käuferfindung. Das
so genannte Ortner‘sche Phasenmodell
besagt: Interessenten befinden sich in vier
verschiedenen Reifestadien. Die intensive
Beschäftigung mit Interessenten der ers
ten drei Phasen macht keinen Sinn – es
sei denn, der Makler möchte den Interes-
senten zum Kunden ausbilden.
Die Ursache für die Entwicklung der
Phasenidee war die Auseinandersetzung
mit dem Zeitalter der Recherche. „Alles
wird zu Tode recherchiert. Manche gehen
nicht mehr zum Arzt, sie fragen Google.
Nach einer Stunde Diagnose per Google
werden die Medikamente im Internet be-
stellt, und am Tag später ist man schon
wieder gesund“, beschreibt Verkaufstrai-
ner Georg Ortner. „Die Frage ist dabei im-
mer, wem ichmehr glaube. Meiner Stunde
mit Google oder der Aussage eines versier-
ten Verkäufers mit 20 Jahren Erfahrung?
Google natürlich – weil der Mensch sich
selber mehr glaubt als anderen. Darum
kaufen sie auch gerne und bekommen
nicht gerne etwas verkauft.“
Zehneinhalb Monate dauert es im
Schnitt vom Immobilientraum bis zum
echten und entscheidungsbereiten Inte-
ressenten. In dieser Zeit werden das In-
teressentenpaar oder der Interessent etwa
20 Immobilien anschauen. Das bedeutet:
Nicht verkaufen – kaufen lassen
Haben Sie Ihr Auto gekauft
oder wurde es Ihnen ver-
kauft? Und wie ist es mit
Ihrer neuen Couch: Haben Sie
diese gekauft oder sich ver-
kaufen lassen? Ausnahmslos
jeder wird jetzt sagen: „Ich
habe meine Couch gekauft.“
Die logische Schlussfolge-
rung: Verkaufen ist out.
Kaufen lassen heißt die neue
Welt. Der Verkäufer wird
zum Kaufenlasser.
IMMOBILIEN
KAUFEN LASSEN
Flowfact-CEO Lars
Grosenick und
Verkaufstrainer
Georg Ortner
haben in dem
Buch die besten
Verkaufsstrategien für Makler
zusammengetragen. Dabei geht es
um Akquise oder den Wert eines
Vermittlungsauftrags; das Thema
Einkauf wird aus der Vertriebsper-
spektive wie auch in Bezug auf
Marketingstrategien beleuchtet.
Georg Ortner und Lars
Grosenick,
Inmedia Verlag,
200 Seiten (gebundene Ausgabe),
ISBN 978-3-93067-663-7
BUCHTIPP