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Erste Popularität erlangte der Begriff Business
Intelligence, also BI, Anfang der neunziger Jahre.
Dabei ging es um die systematische Analyse
eines Unternehmens und darum, in die Zukunft
zu blicken und unternehmerische Entwicklun-
gen nicht mehr nur anhand der Zahlen der Ver-
gangenheit zu steuern. Die Herausforderung
war seinerzeit, aus vergangenen Entwicklungen
Trends, periodische Entwicklungen oder Ge-
setzmäßigkeiten zu erkennen und zu analysie-
ren, proaktiv zu planen, Handlungsempfehlun-
gen abzuleiten und in brauchbare Zukunftsstra-
tegien zu „übersetzen“.
Schaut man sich heute die landläufigen Erwar-
tungen an Künstliche Intelligenz (KI) an,
scheint das irgendwie die logische Weiterent-
wicklung dessen zu sein, was BI schon damals
für sich beansprucht hat. Der heutige KI-An-
satz heißt dabei „Deep Learning“, also „tiefge-
hendes Lernen“; das ist ein Teilbereich des
Machine Learnings, bei dem als Haupttechno-
logie neuronale Netze genutzt werden. Um KI
zu erzeugen, werden große Datenmengen he-
rangezogen, analysiert und stets mit weiteren
Informationen verknüpft, um daraus wiederum
Neues zu lernen, Prognosen zu treffen und
Entscheidungen zu fällen.
Gablers Wirtschaftslexikon definiert KI wie
folgt: „Es ist die Erforschung ‚intelligenten‘ Pro-
blemlösungsverhaltens sowie die Erstellung ‚in-
telligenter‘ Computersysteme. Künstliche Intel-
ligenz beschäftigt sich mit Methoden, die es ei-
nem Computer ermöglichen, solche Aufgaben
zu lösen, die, wenn sie vom Menschen gelöst
werden, Intelligenz erfordern.“ Seien wir also
gespannt und schauen uns
vier Praxisbei-
spiele
an; zur Auswahl stehen die automati-
sierte Analyse von Daten, die automatische
Überprüfung von Dateneingaben, die automati-
sche Erstellung von Forecasts und last but not
least Anwendungen, bei der Sprachbots Cont-
rolling-Aufgaben unterstützen können.
Automatisierte Analyse
von Daten
Stellen Sie sich vor, Ihr Unternehmen ist eine
gemeinnützige Organisation und auf Spenden-
gelder angewiesen. Da der Eingang der Spen-
dengelder jeweils auf einer Deutschlandkarte
visualisiert und angezeigt wird, fällt es sofort
auf, wenn beispielsweise eine Region unter
Plan bleibt, weil diese dann farblich anders
dargestellt wird; das nennt man „exception re-
porting“. Und wenn Sie dann – Stand heute –
wissen möchten, woher die Abweichung
kommt und was die Ursache dafür ist, bitten
Sie einen Mitarbeiter aus dem Controlling dar-
um, Ursachenforschung zu betreiben. Übli-
cherweise geschieht dies mittels eines Drill-
downs, wobei Sie nachschauen, ob es etwa
problematische Spendenprogramme gibt oder
Regionen, wo die Spenden eingebrochen sind.
Künftig wird dies automatisiert vom System
übernommen werden. Die Info an Sie lautet
dann nicht mehr nur „Es gibt ein Problem in der
Region Süd-West“, sondern diese Mitteilung
erfolgt dann gepaart mit der Meldung: „Und
analysiert ist es auch schon: 80% der Abwei-
chungen stammen aus der Kampagne ABC,
wo die zugesagten Gelder nicht eingegangen
sind.“ Und mit dieser systemseitigen Informati-
on kann dann wiederum ein Mitarbeiter beauf-
tragt werden, das konkrete Problem zu finden.
Der wird künftig für seine Analyse weniger Zeit
benötigen, da ihm das System die eigentliche
Ursachenforschung ja bereits abgenommen
hat. Und zudem wird das System viele Analy-
sen durchführen, für die heute aus Ressour-
cenmangel gar keine Zeit bleibt, und daraus
zusätzliche Erkenntnisse gewinnen.
Das Spannende an dieser Datenanalyse ist die
Tatsache, dass wann immer neue Zahlen her-
einkommen, das System sie auf Abweichun-
gen überprüft und für jede einzelne Abwei-
chung eine separate Analyse erstellt. Mit
deutlich mehr Akribie, als ein Mensch je auf-
bringen würde, denn es kommen Antworten
auf Fragen, die ein Mensch nie gestellt hätte,
etwa weil er eine Abweichung gar nicht be-
merkt hätte.
Die automatische Überprüfung
von Dateneingaben
Bei der Eingabe von Umsatzzahlen durch einen
Vertriebsmanager beim Forecast wird ersicht-
lich, dass der Umsatz im November deutlich
höher prognostiziert war als systemseitig er-
wartet. Hier wird das System unverzüglich und
automatisch reagieren, der Hinweis könnte in
etwa lauten: „In Anbetracht der historischen
Entwicklung der Daten und nach dem Vergleich
mit anderen Systemwerten schaut der Novem-
ber nicht stimmig aus, bitte nochmals überprü-
fen.“ Diese systemseitige Ansage wird gesche-
Wenn Zahlen Geschichten
erzählen und in die
Zukunft blicken
von Matthias Thurner
Wenn Zahlen Geschichten erzählen und in die Zukunft blicken