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Das Konzept des Kundenwertes – Customer
Lifetime Value (CLV) – gehört unbestritten zu
den wichtigsten Ansätzen im Marketing. Nach
einer naiven Phase im Marketing, in der noch
jeder neue Kunde bejubelt wurde, können mit
dem CLV-Konzept die folgenden Fragestellun-
gen analysiert werden:
a) Welche potentiellen Kunden sind so attrak-
tiv, dass sie gewonnen werden sollen?
b) Welche aktuellen Kunden sind so wertvoll,
dass man sie halten soll?
c) Welche existierenden Kunden sind derart
uninteressant, dass man ihren Verlust
riskieren kann bei Korrekturmaßnahmen?
Die adäquate Bearbeitung dieser drei Frage-
stellungen hängt davon ab, ob die Attraktivität
der aktuellen und potentiellen Kunden richtig
ermittelt wird. Neben einperiodigen Modellen
auf Basis von Deckungsbeiträgen gewinnen
langfristige Konzepte auf Basis der Investitions-
rechnung an Bedeutung. Mit ihnen wird der
Wert der Kunden zum heutigen Zeitpunkt er-
mittelt, was dadurch geschieht, dass alle zu-
künftigen Ein- und Auszahlungen, die auf den
Kunden zurückzuführen sind, erfasst und auf
den heutigen Zeitpunkt abgezinst werden. Die-
se zukunftsorientierte Betrachtung steht im
Mittelpunkt, da das Thema der bisher erzielten
Überschüsse – durch Aufzinsung der Einzah-
lungsüberschüsse – zwar interessant ist, aber
wenig zur Verbesserung zukünftiger Entschei-
dungen beiträgt. Zusätzlich zu der direkten
finanziellen Analyse sind weitere Aspekte zu
berücksichtigen. Es geht um die Frage, ob die
Kundenbeziehung noch weitere Vorteile (aber
auch Nachteile) bringt (vgl. Hoberg (2008),
S. 320 ff.). Dafür können folgende Kunden
typen betrachtet werden:
·
·
Pilotkunde: Das Unternehmen erhält wertvolle
Informationen, was die Kunden wünschen.
·
·
Prestigekunde: Solche Kunden sind wertvoll
für die Kundenliste.
·
·
Referenzkunde: Gerade bei technischen
Produkten werden potentielle Käufer über-
zeugt, wenn sie sehen, dass die Anlagen
beim Referenzkunden gut funktionieren.
In diesem Beitrag steht die finanzielle Analyse
der Kundenbeziehung für ein Unternehmen
(Value of the Customer) im Vordergrund. Qua-
litative Aspekte, die z. B. über Scoringverfah-
ren (vgl. zu diesen Verfahren z. B. Mengen/
Mettler, S. 30 ff.) erfasst werden können, ge-
hen dann nur ergänzend ein. Zur Darstellung
wird ein ungewöhnlicher Weg gewählt: Ein ak-
tuelles Bespiel aus dem Jahr 2018 (vgl. Mef-
fert/Bruhn/Hadwich, S. 491 ff.) weist viele
Fehler auf, so dass der Leser anhand der Kor-
rekturen wohl mehr lernt als bei einer der übli-
chen Erklärungen der empfohlenen Vorge-
hensweise. Damit soll der Leser in die Lage
versetzt werden, eigene zukünftige Fehler
möglichst weitgehend zu vermeiden.
Grundlagen Kundenwert
Die Analyse der Kundenvorteilhaftigkeit basiert
auf der Ermittlung des Kundenwertes, also ei-
ner Größe, die zeigt, für wie wertvoll die Ge-
schäftsbeziehungen mit dem Kunden für die
Zielerreichung des Unternehmens gehalten
wird. Der Kundenwert sollte für alle Kunden re-
gelmäßig ermittelt werden. Hinsichtlich des
Kundenwertes können drei zeitliche Perspekti-
ven unterschieden werden:
a) Kundenwert in der Vergangenheit
(retrospektiv)
b) Kundenwert in der aktuellen Periode
c) Kundenwert in der Zukunft (prospektiv).
Während die historische Perspektive in a) zwar
noch aus der Lernperspektive interessant sein
kann (Lessons learnt), liegt der Schwerpunkt
doch auf der aktuellen und zukünftigen Frage-
stellung. Mit dem retrospektiven Kundenwert
der gerade abgelaufenen Periode kann der
Customer Lifetime Value
Wie man ihn nicht bestimmt
von Peter Hoberg
Customer Lifetime Value