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fe werden nicht mehr erwähnt) gleich am An-
fang des Jahres im Zeitpunkt t=0. Das ist ge-
nauso wenig realistisch wie bei den Administra-
tionskosten, die gleich in t=0 kommen sollen.
Das Hauptproblem liegt darin, dass nicht über
das Zeitmodell der Wirtschaftlichkeitsrechnung
nachgedacht wurde. Bei angenommen 4 Jah-
ren Laufzeit gibt es gemäß der üblichen Investi-
tionsrechnung 5 Zeitpunkte, an denen die Zah-
lungen erfasst werden können: 0, 1, 2, 3 und 4
(siehe Abbildung 2). Dadurch dass das Beispiel
nur 4 Zeitpunkte beinhaltet, werden Zahlungen,
die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen,
„gewaltsam“ zusammengefasst. Eine weitere
Konsequenz besteht darin, dass besonders die
Einzahlungen zu gering abgezinst werden. Die
Vorteilhaftigkeit wird somit überschätzt. Inner-
halb eines Jahres sind bei Fitnessstudios Wo-
chen- oder Monatszahlungen üblich, die meis-
tens am Anfang der Periode abgebucht wer-
den. Im obigen Beispiel kann von 12 Raten à
100 € jeweils am 1.1., 1.2. bis 1.12. ausgegan-
gen werden. Diese Zeitpunkte sind im ange-
wendeten Zeitraster nicht vorhanden. Also
muss umgerechnet werden, damit die Zahlun-
gen alle auf einen der 5 Zeitpunkte bezogen
sind. Bei den 12 Raten bietet sich der vorschüs-
sige Endwertfaktor an, welcher die 12 vor-
schüssigen Raten eines Jahres verzinslich je-
weils auf das Jahresende bezieht (vgl. zu den
Endwertfaktoren Varnholt/Hoberg/Gerhards/
Wilms, S. 44 ff.). Der Zinssatz von 10% wird
auch wegen des Risikos übernommen, muss
aber auf Monatszinssätze heruntergerechnet
werden. Da es sich um ein Unternehmen han-
delt, wird die effektive Methode gewählt, so
dass sich ein Monatszinssatz von 1,1(1/12) -1 =
0,797% ergibt. Damit erhält man die Aufstel-
lung gemäß Abbildung 3, wobei der Abzug der
Mehrwertsteuer und der ersten 2 Freimonate
berücksichtigt wurde.
Im oberen Kasten der Abb. 3 sind die verwen-
deten Parameter aufgeführt, die dann für die
Kalkulationen im zweiten Kasten verwendet
werden. Im Zeitpunkt t=0 fallen normalerwei-
se nur die Anschaffungsauszahlungen an,
welche beim Fitnessstudio in den Auszahlun-
gen für die Kundenakquise bestehen. Aber
auch diese können nicht unverändert über-
nommen werden, weil die Auszahlungen z. B.
für Werbung meistens deutlich früher liegen
dürften. Es sei ein Vorlauf von 3 Monaten an-
genommen (oberer Kasten, Zeile 4, 2. Teil).
Damit erhöhen sich die 150 €
(-3/12)
auf 150 *
1,1
(3/12)
= 153,62 €
0
. Die Indizierung der Ein-
heiten ist neu (vgl. Hoberg (2018a), S. 468 ff.).
Sie hilft bei der Analyse, wann die Zahlungen
anfallen und auf welchen Zeitpunkt sie hoch-
oder heruntergezinst werden. Im konkreten
Fall kommen die Auszahlungen 3 Monate oder
3/12 Jahr vor dem Zeitpunkt Null. Also ist der
Zeitindex (-3/12). Über diesen Zeitraum ist
aufzuzinsen, um zum Betrag in t=0 zu gelan-
gen. Mit der Indizierung der Einheiten wird
dann auch sichergestellt, dass nur Größen mit
identischen Einheiten saldiert werden.
Wichtig ist die Ableitung der Einzahlungen zu
den Zeitpunkten 1 bis 4. Sie werden aus den
Nettoumsätzen abgeleitet. Eigentlich müssten
die Nettoumsätze in einer getrennten Tabelle
aufgeführt werden, weil es sich bei ihnen um
Periodengrößen handelt, aber wegen der Über-
sichtlichkeit sind sie zu den Zeitpunkten aufge-
führt. Entscheidend ist, dass sie richtig inter-
pretiert werden. Die Umrechnung geschieht für
den Zeitpunkt t = 1 wie folgt: 1000 € Nettoum-
satz mit Mehrwertsteuer des ersten Jahres
stammen aus 10 Monatsraten ab 1.3.01. Man
erhält 840,34 €, wenn die Mehrwertsteuer ab-
gezogen wird. Die Berücksichtigung des mo-
natlichen zeitlichen Anfalls ab 1.3. erfolgt über
den 10-monatigen Endwertfaktor, der in der
Abb. 2 im ersten Kasten in Zeile 4 dargestellt
ist. Das erhöht den Wert der Einzahlungen des
ersten Jahres zum Jahresende auf 878,09 €
1
(Abb. 3, Zeile 3). In den Jahren 2 bis 4 wird aus
den 1200 € pro Jahr und Kunde nur noch
1062,23 €
t
zum jeweiligen Jahresende. Damit
sind die Einzahlungen korrekt bestimmt und auf
das jeweilige Jahresende bezogen. Auch die
administrativen Auszahlungen fallen angeblich
immer am Jahresanfang an. Die Realität dürfte
anders aussehen. Da diese Tätigkeiten haupt-
sächlich zu Gehaltszahlungen bzw. Honoraren
für freie Mitarbeiter führen, kann man den
Rhythmus der Gehaltszahlungen zugrunde le-
gen. Diese werden monatlich nachschüssig be-
zahlt. Somit kann wieder der monatliche End-
wertfaktor verwendet werden, wobei dieses
Mal allerdings die nachschüssige Variante (sie-
he Zeile 3 in Kasten 1 der Abbildung 3) gewählt
werden muss, weil Gehälter fast immer am Mo-
natsende gezahlt werden. Ähnliches gilt für die
Auszahlungen durch die Kurse und die Value
added Services. Aus der Vorgehensweise, dass
die Retention Rate auch auf die Auszahlungen
angewendet wird, kann die implizite Annahme
abgeleitet werden, dass nur variable Auszah-
lungen (und zwar linear variabel) durch berück-
sichtigt wurden. Es fehlen z. B. die Auszahlun-
gen für die Geräte, die ersetzt werden müssen.
Für sie könnte die Vorsteuer abgezogen wer-
den. Nicht aufgeführt sind zudem Auszahlun-
gen für Miete, Werbung, Reinigung, Instandhal-
tung usw. Je nach Land müsste ggf. noch die
Inflationsrate berücksichtigt werden. Wenn all
diese Fehler beseitigt werden ergibt sich der
Zahlungsstrom wie in den Zeilen 3 bis 9 der
Abbildung 3 aufgeführt. Es ist zu erkennen,
dass von den ursprünglichen Daten nicht mehr
viel wiederzuerkennen ist. Für die bessere Ver-
gleichbarkeit wurde darauf verzichtet, Annah-
men für die nicht enthaltenen Auszahlungen zu
treffen.
Modellfehler
Im Beispiel wird zu Recht berücksichtigt, dass
die Kunden teilweise kündigen. Dies wird durch
die Annahme umgesetzt, dass 75% der Kun-
den auch noch im 2. Jahr das Fitnessstudio
besuchen, was auch als Retention Rate von
75% bezeichnet wird. Im dritten Jahr bleiben
dann noch 0,75
2
= 56,25% treu, im vierten
Jahr noch 0,75
3
= 42,19%. Diese Umsetzung
setzt voraus, dass jeweils Jahresverträge ge-
Autor
Prof. Dr. Peter Hoberg
lehrt als Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fach-
hochschule Worms. Auf Basis einer 15-jährigen Erfahrung in in-
ternationalen Unternehmen beschäftigt er sich insb. mit Themen
des Controllings und der Investitionsrechnung. Schwerpunkt sei-
nes Interesses ist die Verbindung von Theorie und Praxis.
E-Mail:
CM Januar / Februar 2019