CONTROLLER Magazin 1/2019 - page 60

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Die Automobilindustrie steht seit einigen Jahren
vor völlig neuen Herausforderungen. So sind –
aufgrund verschärfter umweltpolitischer Be-
stimmungen und Gesetze einerseits und eines
grundlegenden Wandels des Käuferverhaltens
andererseits – massive technologische Ände-
rungen notwendig. Elektro- und Hybridfahrzeu-
ge werden immer attraktiver, die jedoch im
Rahmen der Fahrzeugproduktion kosteninten-
sive Zusatzkomponenten, wie z. B. Inverter oder
Hochvoltbatterien, verlangen. Das Gesamtaus-
maß an technologischen Änderungen wird die
Herstellkosten von Fahrzeugen erheblich an-
steigen lassen. Nun muss man bedenken, dass
die Fahrzeugindustrie durch einen hohen Anteil
an zugekauften Materialien und Leistungen ge-
kennzeichnet ist. Daraus ergeben sich zwei
wichtige Überlegungen:
Einerseits sind aufgrund dieses hohen Zukauf-
anteils die Herstellkosten nur eingeschränkt be-
einflussbar, wodurch es sinnvoll erscheint, ein
effizientes Kostenmanagementsystem einzuset-
zen, mit dem es gelingt, eine Preisobergrenze
für die zu beschaffenden Güter und Dienstleis-
tungen festzulegen. Es stellt sich daher die Fra-
ge, ob nicht Target Costing ein dafür geeignetes
Instrument ist. Andererseits ist auf die organisa-
torische Struktur im Unternehmen zu achten, da
aufgrund des hohen Zukaufanteils der Einkaufs-
abteilung eine besonders wichtige Rolle zu-
kommt.
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Für eine erfolgreiche Umsetzung
von Target Costing in diesem Industrie-
zweig wäre daher ein eigenes Einkaufs-/
Beschaffungscontrolling das Optimum.
Nachfolgend wird aufgezeigt, welche Rolle Tar-
get Costing in der Fahrzeugindustrie spielt und
wie dieses Kostenmanagementsystem organi-
satorisch in den Unternehmen eingegliedert
ist. Dafür wurden zunächst verschiedene
deutschsprachige Studien zum Thema Kosten-
management in Industriebetrieben analysiert.
Auf Basis dieser Ergebnisse wurde im Sommer
2015 eine empirische Studie am Institut für In-
dustriewirtschaft/Industrial Management der
FH JOANNEUM Kapfenberg durchgeführt, bei
der sämtliche, zum Zeitpunkt Juli 2015 geliste-
ten Unternehmen der Fahrzeugindustrie Öster-
reich mittels eines ausgesendeten Fragenbo-
gens kontaktiert wurden (n = 171, die Rück-
laufquote betrug 17,54%). Ziel der Erhebung
war es herauszufinden, welche Rolle Target
Costing in der Fahrzeugindustrie erfährt, wel-
che organisatorische Eingliederung vorherrscht
und ob allgemeine Trends aus der Industrie des
DACH-Raumes speziell auch in der Fahrzeug-
industrie erkennbar sind.
Allgemeines zum Target Costing
Die Begriffe Target Costing und Zielkostenrech-
nung werden häufig synonym verwendet. Ur-
sprünglich kommt dieses Verfahren aus Japan
und fand in den 1990er Jahren auch Einzug in
europäischen Unternehmen. Target Costing
wird vor allem in der Automobil- und deren Zu-
lieferindustrie, aber auch in der Elektroindustrie
angewandt, also in Industriezweigen, die einem
starkem Wettbewerbsdruck an den Märkten,
sowie immer kürzer werdenden Produktlebens-
zyklen ausgesetzt sind.
Beim Target Costing bildet der am Markt zu er-
zielende Preis die Ausgangsposition der Kos-
tenkalkulation – im Gegensatz zur klassischen
Vorkalkulation, an deren Ende der Preis einer zu
erstellenden Leistung kalkuliert wird.
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Dem zu
definierenden Zielkostenpreis gehen umfang-
reiche Marktrecherchen voraus. So wird das
Kunden- und Mitbewerberverhalten analysiert
und anschließend vom Marketing oder Vertrieb
der zu erzielende Marktpreis festgelegt. Nach
Abzug einer vorweg definierten Gewinnmarge
verbleiben die Kosten, welche die Herstellung
eines Produktes verursachen darf. Diese soge-
nannten erlaubten Kosten (allowable costs)
dürfen nicht überschritten werden, um den ge-
planten Gewinn sowie den nicht zu überschrei-
tenden Verkaufspreis zu erzielen.
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Einsatz von Kostenrechnungs­
systemen in der Industrie – Trends
Um einen möglichst breiten Überblick über den
Einsatz von Instrumenten des Kostenmanage-
ments und in weiterer Folge von Target Costing
in der Fahrzeugindustrie zu gewinnen, wurden
im Rahmen einer Sekundärrecherche verschie-
Der Einsatz von Target Costing
in der Fahrzeugindustrie
von Claudia Brandstätter und Helmut Kaimbacher
Target Costing in der Fahrzeugindustrie
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