Controller Magazin 1/2018 - page 81

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Personalkosten stellen in vielen Branchen ne-
ben den Materialkosten die wichtigste Kosten-
art dar. Deswegen muss ein Unternehmen ge-
nau wissen, was eine gearbeitete Stunde an
Kosten verursacht. Auf Basis der Analyse kann
dann versucht werden, die Kosten zu reduzie-
ren. Teilweise wird vorgeschlagen, die Leihar-
beit zur Kostensenkung einzusetzen. Dieser
Vorschlag wird im Folgenden untersucht, wobei
die neuen Regelungen (ab 1.4.2017) berück-
sichtigt werden.
Grundlagen und Ziele
der Leiharbeit
Angesichts hoher Arbeitskosten in den westli-
chen Industrieländern zögern viele Unterneh-
men Neueinstellungen heraus, weil sie wegen
der vielen externen Risiken nicht sicher sind,
dass sich die gute Auftragslage fortsetzt. Da-
her wollen Unternehmen – gerade in Rechts-
systemen mit hohem Kündigungsschutz wie in
Deutschland – Neueinstellungen zunächst
vermeiden, auch wenn dringend neue Mitar-
beiter zur Bewältigung der Aufträge benötigt
werden. Als mögliche Lösung bietet sich ne-
ben Werkverträgen (Weisungsrecht Ent-
sender) und befristeten Verträgen mit all
ihren insb. juristischen Problemen auch die
Leiharbeit an. Denn mit den Leiharbeitsfirmen
(Verleiher) können kurz laufende Verträge mit
hoher Flexibilität geschlossen werden. Das
Weisungsrecht liegt beim ausleihenden Unter-
nehmen (Entleiher). Die Unternehmen als Ent-
leiher können mit der Leiharbeit insbesondere
folgende Ziele verfolgen:
·
Reduzierung der Personalkosten über gerin-
gere (Neben)Löhne. Dies gilt für die direkten
Kosten, aber auch für die Kosten der
Mitarbeitersuche, die Betreuungskosten
(Lohnabrechnung, Personalabteilung usw.)
und Kosten für die Trennung.
·
Saisonale Flexibilität: Getränkefirmen
werden nur im Sommer Leiharbeiter zur
Bewältigung der Spitzennachfrage einsetzen.
·
Unternehmerische Flexibilität: Im Fall
von Absatzeinbrüchen muss nicht den
Festangestellten gekündigt werden.
·
Ausprobieren von Mitarbeitern, die bei
Bewährung übernommen werden.
·
Vermeidung des Mitarbeiterwachstums
über bestimmte Grenzen hinaus.
·
Einsatz von Leiharbeitern, damit Stamm-
belegschaft Vorarbeit abbauen kann.
·
Druckausübung auf die Stammbelegschaft.
Die gesetzlichen Grundlagen finden sich im Ar-
beitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), welches
versucht, einen Missbrauch der Leiharbeit durch
die Arbeitgeber zu verhindern. Wesentliche Re-
geln aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind:
·
Equal Pay: Spätestens nach 9 Monaten
muss für vergleichbare Tätigkeiten auch
gleich bezahlt werden. Tarifpartner können
allerdings andere Spielregeln beschließen.
Die Gleichheit bezieht sich hauptsächlich auf
den ersten Lohn, so dass es große Unter-
schiede insb. in den weiteren Leistungen
geben kann (Betriebliche Altersversorgung,
Urlaub, Sonderzahlungen usw.).
·
Maximale Ausleihdauer von 18 Monaten;
Kettenverträge sind nicht zulässig.
Am Rande sei der Fall der Ryanair erwähnt, die
ihre Piloten als Selbstständige fliegen lässt und
dies über Firmen organisiert, welche nicht die
Erlaubnis für das Ausleihgeschäft haben. Die-
ses Problem wird bald gelöst, weil es seit dem
1.4.2017 genaue Vorschriften gibt, in welchen
Fällen Mitarbeiter Scheinselbstständige sind.
Genauso muss eine Abgrenzung gegen Werk-
verträge erfolgen. Bei ihnen arbeiten zwar die
Mitarbeiter des Auftragsnehmers auf dem Ge-
lände des Auftraggebers, sind aber nicht wei-
sungsgebunden.
Kostenvergleich als Basis
Viele der hier erwähnten Begründungen für
Leiharbeit beruhen auf einem vermuteten Kos-
tenvorteil der Leiharbeit im Vergleich zu den
Kosten eigener Mitarbeiter. Zunächst muss da-
her ermittelt werden, wie hoch die vergleichba-
ren Kosten bei der Leiharbeit einerseits und bei
eigenen Mitarbeitern andererseits ausfallen.
Sehr einfach ist diese Ermittlung für die Leihar-
beit. Mit dem Personalkostensatz PKLA in €/h,
welchen das ausleihende Unternehmen an die
Leiharbeitsfirma zahlt, sind sämtliche Kosten
abgegolten, auch alle Bestandteile des 2. Lohns
wie z. B. Kosten für Arbeitgebersozialabgaben
(allerdings ev. Haftung), Krankheit oder Urlaub.
Die Auszahlungen für die eigenen Mitarbeiter
sind viel komplizierter zu bestimmen. Sie fallen
nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt an, son-
dern variieren in den Monaten. Besonders bei
Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachts-
geld, Bonus etc.) sind sie besonders hoch. Um
diese Schwankungen auszugleichen, empfiehlt
sich eine Jahresbetrachtung. Die Personalkos-
ten pro Anwesenheitsstunde für eigene Mitar-
beiter (PK
EM
) ergeben sich dann wie folgt:
PK
EM
= JPK/JA in €/h
PK
EM
: Personalkosten pro Stunde in €/h
JPK: Jährliche Personalkosten in €/Pe
JA: Jahresanwesenheitsstunden in h/Pe
Die jährlichen Personalkosten JPK – gemessen
in Euro in der betrachteten Periode – werden
somit dividiert durch die Jahresarbeitszeit – ge-
messen in Anwesenheitsstunden in der be-
trachteten Periode. Mit dem resultierenden
Stundensatz können dann viele betriebswirt-
schaftliche Kalkulationen durchgeführt werden.
Somit sind im nächsten Schritt die jährlichen
Personalkosten und dann die Jahresarbeitszeit
zu bestimmen. Zu dem Bruttostundenlohn
kommt noch der sogenannte zweite Lohn, z. B.
Boni, Weihnachts- und Urlaubsgeld usw. und
auch weitere Elemente wie die Arbeitgeber-So-
zialabgaben. Denn der Arbeitgeber muss knapp
die Hälfte der Gesamtbeiträge für die Renten-,
Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversiche-
rung bezahlen. Aus Arbeitgebersicht muss mit
einem Aufschlag von ca. 20% auf alle Teile des
Bruttogehaltes (also auch auf die Prämien,
Urlaubs- und Weihnachtsgelder) gerechnet
werden. Dies gilt solange, wie die Beitrags-
Vorteilhaftigkeit von Leiharbeit
von Peter Hoberg
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