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          Personalkosten stellen in vielen Branchen ne-
        
        
          ben den Materialkosten die wichtigste Kosten-
        
        
          art dar. Deswegen muss ein Unternehmen ge-
        
        
          nau wissen, was eine gearbeitete Stunde an
        
        
          Kosten verursacht. Auf Basis der Analyse kann
        
        
          dann versucht werden, die Kosten zu reduzie-
        
        
          ren. Teilweise wird vorgeschlagen, die Leihar-
        
        
          beit zur Kostensenkung einzusetzen. Dieser
        
        
          Vorschlag wird im Folgenden untersucht, wobei
        
        
          die neuen Regelungen (ab 1.4.2017) berück-
        
        
          sichtigt werden.
        
        
          
            Grundlagen und Ziele
          
        
        
          
            der Leiharbeit
          
        
        
          Angesichts hoher Arbeitskosten in den westli-
        
        
          chen Industrieländern zögern viele Unterneh-
        
        
          men Neueinstellungen heraus, weil sie wegen
        
        
          der vielen externen Risiken nicht sicher sind,
        
        
          dass sich die gute Auftragslage fortsetzt. Da-
        
        
          her wollen Unternehmen – gerade in Rechts-
        
        
          systemen mit hohem Kündigungsschutz wie in
        
        
          Deutschland – Neueinstellungen zunächst
        
        
          vermeiden, auch wenn dringend neue Mitar-
        
        
          beiter zur Bewältigung der Aufträge benötigt
        
        
          werden. Als mögliche Lösung bietet sich ne-
        
        
          ben Werkverträgen (Weisungsrecht Ent-
        
        
          sender) und befristeten Verträgen mit all
        
        
          ihren insb. juristischen Problemen auch die
        
        
          Leiharbeit an. Denn mit den Leiharbeitsfirmen
        
        
          (Verleiher) können kurz laufende Verträge mit
        
        
          hoher Flexibilität geschlossen werden. Das
        
        
          Weisungsrecht liegt beim ausleihenden Unter-
        
        
          nehmen (Entleiher). Die Unternehmen als Ent-
        
        
          leiher können mit der Leiharbeit insbesondere
        
        
          folgende Ziele verfolgen:
        
        
          ·
        
        
          Reduzierung der Personalkosten über gerin-
        
        
          gere (Neben)Löhne. Dies gilt für die direkten
        
        
          Kosten, aber auch für die Kosten der
        
        
          Mitarbeitersuche, die Betreuungskosten
        
        
          (Lohnabrechnung, Personalabteilung usw.)
        
        
          und Kosten für die Trennung.
        
        
          ·
        
        
          Saisonale Flexibilität: Getränkefirmen
        
        
          werden nur im Sommer Leiharbeiter zur
        
        
          Bewältigung der Spitzennachfrage einsetzen.
        
        
          ·
        
        
          Unternehmerische Flexibilität: Im Fall
        
        
          von Absatzeinbrüchen muss nicht den
        
        
          Festangestellten gekündigt werden.
        
        
          ·
        
        
          Ausprobieren von Mitarbeitern, die bei
        
        
          Bewährung übernommen werden.
        
        
          ·
        
        
          Vermeidung des Mitarbeiterwachstums
        
        
          über bestimmte Grenzen hinaus.
        
        
          ·
        
        
          Einsatz von Leiharbeitern, damit Stamm-
        
        
          belegschaft Vorarbeit abbauen kann.
        
        
          ·
        
        
          Druckausübung auf die Stammbelegschaft.
        
        
          Die gesetzlichen Grundlagen finden sich im Ar-
        
        
          beitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), welches
        
        
          versucht, einen Missbrauch der Leiharbeit durch
        
        
          die Arbeitgeber zu verhindern. Wesentliche Re-
        
        
          geln aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind:
        
        
          ·
        
        
          Equal Pay: Spätestens nach 9 Monaten
        
        
          muss für vergleichbare Tätigkeiten auch
        
        
          gleich bezahlt werden. Tarifpartner können
        
        
          allerdings andere Spielregeln beschließen.
        
        
          Die Gleichheit bezieht sich hauptsächlich auf
        
        
          den ersten Lohn, so dass es große Unter-
        
        
          schiede insb. in den weiteren Leistungen
        
        
          geben kann (Betriebliche Altersversorgung,
        
        
          Urlaub, Sonderzahlungen usw.).
        
        
          ·
        
        
          Maximale Ausleihdauer von 18 Monaten;
        
        
          Kettenverträge sind nicht zulässig.
        
        
          Am Rande sei der Fall der Ryanair erwähnt, die
        
        
          ihre Piloten als Selbstständige fliegen lässt und
        
        
          dies über Firmen organisiert, welche nicht die
        
        
          Erlaubnis für das Ausleihgeschäft haben. Die-
        
        
          ses Problem wird bald gelöst, weil es seit dem
        
        
          1.4.2017 genaue Vorschriften gibt, in welchen
        
        
          Fällen Mitarbeiter Scheinselbstständige sind.
        
        
          Genauso muss eine Abgrenzung gegen Werk-
        
        
          verträge erfolgen. Bei ihnen arbeiten zwar die
        
        
          Mitarbeiter des Auftragsnehmers auf dem Ge-
        
        
          lände des Auftraggebers, sind aber nicht wei-
        
        
          sungsgebunden.
        
        
          
            Kostenvergleich als Basis
          
        
        
          Viele der hier erwähnten Begründungen für
        
        
          Leiharbeit beruhen auf einem vermuteten Kos-
        
        
          tenvorteil der Leiharbeit im Vergleich zu den
        
        
          Kosten eigener Mitarbeiter. Zunächst muss da-
        
        
          her ermittelt werden, wie hoch die vergleichba-
        
        
          ren Kosten bei der Leiharbeit einerseits und bei
        
        
          eigenen Mitarbeitern andererseits ausfallen.
        
        
          Sehr einfach ist diese Ermittlung für die Leihar-
        
        
          beit. Mit dem Personalkostensatz PKLA in €/h,
        
        
          welchen das ausleihende Unternehmen an die
        
        
          Leiharbeitsfirma zahlt, sind sämtliche Kosten
        
        
          abgegolten, auch alle Bestandteile des 2. Lohns
        
        
          wie z. B. Kosten für Arbeitgebersozialabgaben
        
        
          (allerdings ev. Haftung), Krankheit oder Urlaub.
        
        
          Die Auszahlungen für die eigenen Mitarbeiter
        
        
          sind viel komplizierter zu bestimmen. Sie fallen
        
        
          nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt an, son-
        
        
          dern variieren in den Monaten. Besonders bei
        
        
          Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachts-
        
        
          geld, Bonus etc.) sind sie besonders hoch. Um
        
        
          diese Schwankungen auszugleichen, empfiehlt
        
        
          sich eine Jahresbetrachtung. Die Personalkos-
        
        
          ten pro Anwesenheitsstunde für eigene Mitar-
        
        
          beiter (PK
        
        
          EM
        
        
          ) ergeben sich dann wie folgt:
        
        
          PK
        
        
          EM
        
        
          = JPK/JA in €/h
        
        
          PK
        
        
          EM
        
        
          : Personalkosten pro Stunde in €/h
        
        
          JPK: Jährliche Personalkosten in €/Pe
        
        
          JA: Jahresanwesenheitsstunden in h/Pe
        
        
          Die jährlichen Personalkosten JPK – gemessen
        
        
          in Euro in der betrachteten Periode – werden
        
        
          somit dividiert durch die Jahresarbeitszeit – ge-
        
        
          messen in Anwesenheitsstunden in der be-
        
        
          trachteten Periode. Mit dem resultierenden
        
        
          Stundensatz können dann viele betriebswirt-
        
        
          schaftliche Kalkulationen durchgeführt werden.
        
        
          Somit sind im nächsten Schritt die jährlichen
        
        
          Personalkosten und dann die Jahresarbeitszeit
        
        
          zu bestimmen. Zu dem Bruttostundenlohn
        
        
          kommt noch der sogenannte zweite Lohn, z. B.
        
        
          Boni, Weihnachts- und Urlaubsgeld usw. und
        
        
          auch weitere Elemente wie die Arbeitgeber-So-
        
        
          zialabgaben. Denn der Arbeitgeber muss knapp
        
        
          die Hälfte der Gesamtbeiträge für die Renten-,
        
        
          Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversiche-
        
        
          rung bezahlen. Aus Arbeitgebersicht muss mit
        
        
          einem Aufschlag von ca. 20% auf alle Teile des
        
        
          Bruttogehaltes (also auch auf die Prämien,
        
        
          Urlaubs- und Weihnachtsgelder) gerechnet
        
        
          werden. Dies gilt solange, wie die Beitrags-
        
        
          
            Vorteilhaftigkeit von Leiharbeit
          
        
        
          von Peter Hoberg
        
        
          
            CM Januar / Februar 2018